Liebe geht durch den Kochtopf

[Ilka-Maria]

Yvonne war genervt. Als sie sich für einen „Kochkurs auf Italienisch“ angemeldet hatte, war ihr nicht in den Sinn gekommen, es könnten nicht nur Frauen, sondern auch Männer daran teilnehmen. Das war kurzsichtig gewesen, hätte sie aber nicht gestört, wenn Malte ihr nicht ständig auf die Pelle gerückt wäre. Mal hielt er ihr einen vollen Löffel aus seinem Topf hin mit der Aufforderung, zu probieren und ihr Urteil abzugeben, mal fragte er sie über die Kräuter aus, die sie mischte, und immer wieder kam er zu ihr, um ihr Komplimente darüber zu machen, wieviel besser es bei ihr duftete als bei allen anderen Kursteilnehmern. Wenn sie sich dazu hinreißen ließ, von seiner Speise zu kosten, leckte er den Löffel, den sie gerade im Mund gehabt hatte, genussvoll und mit lüsternem Blick in ihre Augen ab, was sie ärgerte. Aber weil sie keinen Krach schlagen und die ansonsten fröhliche Stimmung verderben wollte, schluckte sie nicht nur Maltes Probekost, sondern auch ihren Ärger hinunter.

Mit der Zeit gewöhnte sich Yvonne an, Zuflucht bei Konrad zu suchen. Er war ein gestresster Bankkaufmann, der in dem Kochkurs Entspannung vom beruflichen Alltag suchte, ein paar Takte älter war als Yvonne und außerdem glücklich verheiratet. Eine sichere Bank. Wann immer Malte sie anzumachen versuchte, gesellte sie sich demonstrativ zu Konrad, um sich eine Verschnaufpause zu verschaffen.

Malte ließ sich davon nicht beeindrucken. Als sich der Kurs seinen Ende näherte, ging er zur Großoffensive über. „Wir beide könnten demnächst doch mal bei dir zu Hause kochen. Was hältst du davon?“

Yvonne, nie um Ehrlichkeit verlegen, baute ihre Einmeterfünfundssechzig zur Baumgröße auf. „Vergiss es! In meine Küche kommt kein Kerl. Und damit du Bescheid weißt: Ich halte nichts von Gleichberechtigung, wenn es um meinen Kochtopf geht. Softies sind mir zuwider, ich bin nämlich von vorgestern und schätze Dinge, an die sich heute keines von den Weicheiern, die nur noch in ihrem Ausweis als Mann deklariert sind, erinnert. Kapierst du das?“

„Ich denke schon,“ erwiderte Malte mit einem glückseligen Lächeln, „vielen Dank.“

Yvonne war irritiert. „Dank? Wofür?“

„Für den Tipp.“

Eine Woche nach Beendigung des Kurses klingelte es an Yvonnes Wohnungstür. Sie schaute durch den Spion, konnte aber nicht erkennen, wer draußen stand, weil ein riesiger Rosenstrauße sein oder ihr Gesicht verbarg. Neugierig öffnete sie die Tür weit genug, dass Malte ihr die Blumen durchreichen und in die Hand drücken konnte. Dann hob er eine prallgefüllte Einkaufstasche hoch und hielt sie ihr vor die Nase. „Hoffentlich habe ich nichts vergessen.“

Fünfundzwanzig Jahre später: Yvonne deckte den Tisch., zwei Gedecke für sich und ihren Mann, zwei weitere für ihre Tochter und den Schwiegersohn und eins für ihren Sohn. Sie freute sich darauf, die Kinder unter einen Hut gebracht und an ihrem Geburtstag am Tisch zu haben, was nicht jedes Jahr gelang. Nach dem Eindecken ging sie in die Küche, wo Malte am Herd stand und mit der Seelenruhe eines Kapitäns auf der Kommandobrücke über die Kochtöpfe wachte. Als er Yvonne kommen sah, grinste er, nahm einen Löffel und tauchte ihn in die Vorspeise, eine Minestrone. „Vorsicht, heiß!“, warnte er, als sie erwartungsvoll den Mund öffnete. „Erst pusten, dann kosten.“ Und nachdem sie gekostet hatte, leckte er den Löffel ab.

[Ex-Ralfchen]

Ein Text der mir inhaltlich gut gefällt vor allem das Ende