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Alt 26.11.2008, 19:07   #1
red.riding.hood
 
Dabei seit: 03/2007
Beiträge: 19


Standard Es ist gut

Irgendwo auf dieser Welt, habe ich dich bestimmt schon einmal gesehen, gefühlt, in mir aufgenommen und nie wieder vergessen. Wann, wie, wo, wer, was...? Fragen, die ich mir immer wieder gestellt habe und doch die Antwort kenne. Die Antwort, auf all' meine Fragen, auf mein Sehnen, mein Trachten. Du.

Morgens stehe ich auf, gehe ins Bad, putze mir drei einhalb Minuten lang die Zähne, manchmal auch länger, bevor ich mich daran mach mich sorgfältig anzuziehen und hinaus in die Welt zu gehen, unter die Menschen, die verhassten Menschen.
Jeden Tag lächele ich, schaue freundlich, benehme mich höflich, immer darauf bedacht Abstand zu halten. Niemanden zu nahe kommen.
Immer dann, wenn die Entfernung droht aufzutauen, schaue ich an den Menschen vorbei, entsinne mich an mein Leben, meine Erfahrungen, und lächele wieder. Auf die Art und Weise, wie nur ich es kann. Kalt. Distanziert. Abweisend. Nie hat jemand versucht mich kennen zu lernen, in meine Gedanken zu schauen. Bevor sie überhaupt die Möglichkeit dazu hatten, stieß ich sie von mir. Und das ist gut so. Denke ich.
Und immer, wenn ich dann auf dem Weg zu meiner Arbeit bin, um 7:22 verlasse ich das Haus, steht da die alte Frau an der Ecke, begrüßt mich, versucht mit mir ein wenig zu reden, doch jeden Tag sage ich, dass ich es eilig habe und gehe zügigen Schrittes weiter. Im Bus sitze ich dann, die einzigen, wenigen Minuten in denen die Anspannung von meinem Körper weicht. Ich muss nicht mehr ich sein, es spielt keine Rolle, wer mich sieht, ich kenne sie sowieso nicht. Dann lehne ich mich zurück, atme tief den warmen Geruch der Meschen ein, im Sommer ist er fast schon unerträglich, und schaue aus dem Fenster, suche nach bekannten Gesichtern. Nur selten begegnen sie mir, aber jedesmal erfreue ich mich meines Gedächtnisses, dass ich sie nicht vergessen habe.
Wissen sie?
Ich vergesse schnell. Aber manchmal, nur sehr selten, erinnere ich mich einfach nicht daran.
Die Welt zieht in einem Tempo an mir vorbei, ich komme kaum hinterher, staune über die Menschen, ihr Verhalten, völlig fremd. Kaum vorzustellen, dass ich ebenfalls Einer sein soll.
Nur dich, dich habe ich auf eine seltsame Art verstanden, kannte dich, auch wenn ich mich nicht an dich erinnern konnte.
Ich bin mir sicher, dich schon einmal getroffen zu haben, eindeutig, anders kann es nicht sein. Ich habe es nicht vergessen, es scheint nur alles verschwommen, alt, unzuverlässich zu sein. Ich kann mich einfach nicht erinnern. Egal wie sehr ich mich auch anstrengen mag.
Manchmal weine ich abends. Nebenbei läuft der Fernseher, Nachrichten, und man erzählt von Krieg, Hunger, aber auch den neuesten Operationen der Stars. Manchmal, wenn ich das sehe, da weine ich. Ich denke zu viel, sagte mir irgendwann mal mein Vater. Vielleicht stimmt es. Ich denke viel an dich, auch wenn ich dich niemals an mich ranlassen würde. Vielleicht doch...?
Dann merke ich, wie viele, unzählig viele, kleine, salzigen Tränen über mein Gesicht fließen. Es hässlich machen. Dann frage ich mich einfach, warum du nicht da bist. Nicht hier, bei mir. Aber ändern kann ich auch nichts.
Wenn ich dann eine Stunde, oder zwei, geweint habe, beruhige ich mich wieder, gucke mir irgendeine der Hirnrissigen Daily Soaps an, je nach Wochentag, und mache mir einen Tee, den ich genüsslich austrinke.
Am nächsten Tag stehe ich wieder morgens auf und denke schon nicht mehr an dich, bis wir uns das nächste Mal sehen.
Ich lasse niemanden an mich ran, lebe, wie ich lebe. Und das ist gut so. Oder...?
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