Ich bin ein kleiner Winterling

[Heinz]

Nomen est Omen -
ich zähl zu den Gnomen,
den kleinen und kecken
goldgelben Blümchen,
die frech schon ganz früh
ihr Köpfchen mit Mut,
ach, tut das gut!,
durch die Schneedecke strecken.
Ein Rehböcklein fraß alle Tulpen auf,
mich hat‘s übersehen, danke und Glück auf!
Und ich freu mich und sing:
Ich bin ein kleiner Winterling.

Der Frost nach mir krallt,
es ist bitterkalt,
ich sehne mich nach Sonnenschein
und bin mit meiner Sehnsucht nicht allein:
Die Tulpen und die Schneeglöcklein,
auch Märzenbecher und Narzissen
lassen sich von Sonnenstrahlen küssen.
Ein Mädchen kam, das bückt sich,
ich hoffte sehr, es pflückt mich,
doch als es weiter ging,
vergaß es mich, ich bin
ja nur ein kleiner Winterling.

Es wär mein letzter, größter Wunsch auf Erden
ein goldner Stern im Kranz der Maid zu werden.
Doch sie zertrat mich ganz versehentlich,
ich seufzte leis: Nun sterbe ich
durch ihren kleinen Fuß.
Mit einem wehen, kaum gehörten Gruß,
sag ich der Maid, der Welt adieu,
streck mich noch einmal in die Höh,
zu einem Lächeln ich mich zwing -
so tapfer stirbt ein Winterling.

[Ex-L.A.F.]

Hi Heinz, es gelingt dir, mich schon beim ersten Lesen zu packen und mit und fuer das Ding zu fuehlen. Mhhh, auch beim zweiten Lesen laesst du mich ohne Fragen 😊. Duenkt mich feinfuehlig, gut geschrieben. LG Lorenz
PS: gelungene Personifizierung

[DieSilbermöwe]

Hallo Heinz,.

ein wunderbares Gedicht. Nur das traurige Ende gefällt mir nicht. Andererseits sterben wohl alle Blumenwnterlinge im Frühling.
L. A. F. hat recht, das Gedicht packt einen schon beim ersten Lesen.

LG DieSilbermöwe

[Heinz]

Guten Morgen, lieber Lorenz,
so gelobt zu werden versüßt mir den Tag! Vielen Dank für Deinen Kommentar!
Was kann einem Schreiberling größere Freude machen als die Versicherung, sein Werklein hätte den Leser gepackt?
Liebe Grüße,
Heinz

Liebe Silbermöwe,
unter den Füßen eines hübschen Mädchens zu sterben, die Blümchen für ihr Kränzlein sammelt (hat sie vielleicht ihr Kränzlein verloren?), ist für einen Verliebten bei aller Trauer wegen seines frühen Todes, ein süßer Tod und immer noch schöner, als von einem Rehbock aufgefressen zu werden.
Ich hatte mal außerhalb von Wuppertal einen großen Garten, habe hunderte Krokusse und Tulpen gepflanzt und war hingerissen von der Frühlingsblütenpracht. Dieses Erlebnis wollte ich mit meiner Freundin gemeinsam genießen, fuhr mit ihr am nächsten Morgen hinaus und - nicht eine Blüte war noch auf ihrem Stengel! Alles von Rehen abgefressen. Nur die Winterlinge haben diesen Raubzug überlebt, waren z.T. nieder getreten, aber richteten sich schon wieder auf. (Woher wissen Rehe, dass Winterlinge giftig sind?).
Was das Sterben "meines" Winterlings angeht: Er ist unter dem Fuß einer Jungfer (?) gestorben und bei solchen Vorgängen weinen selbst die Götter.
Mir fiel beim Schreiben Schillers Nänie ein, vor allem die letzten Verse, in denen ich nur einen Buchstaben ausgetauscht habe:

Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund des Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus8 hinab.

Über Deine lobenden Worte habe ich mich sehr gefreut!
Liebe Grüße,
Heinz