Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 31.03.2013, 18:29   #1
weiblich MissingYou
 
Benutzerbild von MissingYou
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 24
Beiträge: 8


Standard Gerechtigkeit

Hallo zusammen. Diese Geschichte ist ein bisschen kurz, aber ich hoffe sie gefällt euch trotzdem. Ich habe vor einiger zeit bei einem schreibwettbewerb mit dem thema "Nur noch kurz die welt retten" teilgenommen, deswegen der letzte Satz.
Mir ist klar, dass sie nicht perfekt ist, darum würde ich mich über viele antworten freuen! viel spaß beim durchlesen

,,Es tut mir leid” Die Worte des Arztes verklangen in dem leeren Raum. Die Stille war ohrenbetäubend laut. Tausend Schreie hallten in meinem Kopf nach, doch kein Ton drang über meine Lippen.
Tat es ihm wirklich leid, oder war das nur reine Routine? Wie oft war er wohl in dieser Situation gewesen? Hatte er überhaupt irgendeine Ahnung, wie sich das anfühlte?
Meine hohen Schuhe klapperten über den Boden, als ich mich auf den Weg zu Moritz Zimmer machte.
Die hellen Flurlichter blendeten meine müden Augen, die von dem langen Warten erschöpft waren und ließen sie tränen.
Ich schluckte um den Kloß in meinem Hals loszuwerden, aber vergeblich.
Ich konnte weder sprechen, noch schreien, noch weinen. Alles was mir blieb, war diese Leere, die mich ausfüllte und dehnte.
Ich stolperte über meine Schuhe und stürzte. Wie betäubt blieb ich liegen und hoffte, dass niemand vorbeikam und mich so sah.
Eine erwachsene Frau wie tot auf dem Boden ausgestreckt.
Warum war ich nicht tot? Wie konnte es sein dass Moritz nicht mehr hier war und ich immer noch leiden musste? Was war das für eine Gerechtigkeit?
Ich wollte nicht mehr. Ohne ihn schien es nichts mehr zu geben, woran ich mich festhalten konnte, kein Anker, keine Rettungsleine, nichts.
Ohne ihn würde ich einfach untergehen.
Ohne sein sanftes Lächeln, sein Gesicht, sein liebevolles Lachen….
Bei diesem Gedanken richtete ich mich langsam auf und versuchte aufzustehen. Ein letztes Mal wollte ich ihn sehen, berühren…
Es wollten immer noch keine Tränen kommen und mich erlösen von dieser stillen Qual. Das Leid brauchte noch Zeit, bis es sich in meinem ganzen Körper ausgebreitet hatte.
Immer weiter schlurfte ich. Es kam mir vor, als wären es Meilen die ich hinter mich brachte, dabei waren es nur ein paar Meter, bis ich vor dem Zimmer stand.
Dem Zimmer in dem sein Leben geendet hatte und meines für immer verwirkt war.
Würde ich es schaffen, ihn ein letztes Mal zu sehen, den einzigen den ich je geliebt hatte?
Meine Hand bewegte sich, ohne dass ich es gewollt hatte, und öffnete die Tür.
Leise und leicht schwang sie auf und gab den Blick frei auf den Raum, der für immer in meinem Gedächtnis bleiben würde. Ich versuchte krampfhaft zuerst die anderen Dinge ins Auge zu fassen, bevor ich ihn ansah.
Das geschmacklose Bild an der Wand. Das große Fenster. Der Beistelltisch. Der Stuhl, der für mich hergerichtet worden war.
Und schließlich die Liege. Ich ließ meinen Blick von unten nach oben wandern, langsam und ohne Furcht.
Erst sah ich die Erhebungen unter der weißen Decke, die wohl seine Füße waren.
Dann seine Beine. Daraufhin folgten die Brust, die Arme und der Hals. Hier stoppte mein Blick unschlüssig, ob er fortfahren sollte oder nicht.
Ich schloss die Augen für einen Moment der Ruhe und Trauer, doch dann riss ich sie auf um das Gesicht des Menschen anzusehen, der mir mehr wert war, als mein eigenes Leben. Was für ein geschmackloser Witz. Ich hätte mein Leben für ihn gegeben, doch jetzt, am Ende war ich lebendig und er…
Und in genau diesem Augenblick brach die Verzweiflung über mich hinein. Ich brach auf dem Stuhl zusammen, krampfhaft und zuckend weinend.
Sein Gesicht sah so leblos aus, so kalt, als hätte die Wärme nie existiert. Doch das hatte sie. In jeder Sekunde, die wir zu zweit gewesen waren, in jedem Kuss, und in jedem Wort hatte diese Wärme, diese Liebe gelegen. Doch mit ihm war sie gegangen, verschwunden und für immer verloren. Es kam mir vor als ob jemand mein Herz herausriss und es ins jenseits warf. Die Bilder zogen vor meinem inneren Auge vorbei, zersprangen in tausend Stücke und verschwanden.
Blind von den Schleiern, die meine Augen verdeckten, tastete ich nach seiner Hand.
Da war sie. Wie Stein fühlte sie sich an. Als wäre nie Leben darin gewesen.
Doch ich klammerte mich daran, als ob mein Leben davon abhinge. War das nicht so?
Wenn ich losließe, würde ich weggezogen werden von dem schwarzen Sog der endlosen Trauer?
Als ich spürte, wie mein Handgelenk von meinen Tränen nass wurde, blickte ich auf und sah ihm direkt ins Gesicht. Blasse Haut, die Augen geschlossen und die Züge entspannt, war es doch unverkennbar er. Was war nur geschehen?
Nie wieder. Diese beiden Worte waren überall. Sie standen auf seinen marmornen Händen. Nie wieder würden diese Hände mich berühren.
Auch auf seinen geschlossen Lidern konnte ich sie sehen. Nie wieder würde das warme Braun sich in meinem Blau versenken.
Schließlich flossen sie über seine Lippen. Nie wieder würde ich ihren Druck auf meinem Mund spüren.
Ich strich ihm mit der Hand über die Wange, seine Stirn, seine Lider, seine Lippen.
Alles wollte ich ein letztes Mal unter meinen Fingerspitzen spüren, bevor ich für immer Abschied nehmen musste. Für immer….
Wie lange war das? Lange genug um den schmerz zu vergessen? Oder würde er immer in mir drin bleiben, unvergessbar und allumfassend?
Plötzlich fiel mein Blick auf einen orangefarbenen Fleck. Nur klein, aber so leuchtend, dass er meine Gedanken unterbrach.
Ich hob mit meiner anderen Hand zitternd das Ding auf… Es war eine Zeitschrift.
Verdutzt starrte ich auf das Titelblatt.
,,So können wir die Welt retten!” , hieß es da.
Ein seltsames Geräusch kam aus meinem Mund. Es war halb Lachen, halb Schnauben. Ich zuckte bei dem Klang zusammen und erinnerte mich wieder.
Mein Gehirn stellte eine Verbindung zwischen dem Magazin und Moritz her.
Verzweifelt schrie ich auf und warf das Heft an die Wand.
Ich wollte nicht mit dem Schreien aufhören. Es fühlte sich so gut an. All meine Wut, Trauer, Liebe und Verzweiflung entwichen und rasten mit dem Schrei nach draußen.
Die Welt retten? Als ob das möglich wäre. Als ob irgendjemand seinen Blick lange genug von sich selbst abwenden würde, um anderen zu helfen.
Als ob auch nur einer bereit wäre, sich für andere zu opfern.
Ich wollte mich opfern. Da stieg es so klar in mir auf, dass ich mich fragte, warum es mir noch nicht früher aufgefallen war. Ich wollte mich opfern.
Ich wollte hier auf der Matratze liegen, tot, blass und vollkommen bewegungslos, während Moritz neben mir saß und weinte.
Ich wollte, dass er am Leben war. Unter jeden Umständen. Er hatte es so viel mehr verdient zu leben, als viele andere Menschen auf der Welt.
Wo war die Gerechtigkeit dabei, wenn er hier lag und ein Tyrann gesund und munter herrschte? Oder wenn die Reichen, die nur etwas von ihrem Geld abgeben müssten, um die Armen zu retten, nur Gelegenheiten suchten, mehr Geld zu erwerben und damit diejenigen ausbeuteten, die es mehr als alles andere brauchten?
Wo war die Gerechtigkeit, wenn wir Menschen unseren Planeten zerstörten, um uns reicher zu machen?
Ich senkte meinen Kopf zurück auf die Matratze und hauchte meinem Leben einen Kuss auf die erstarrten Lippen.
Soviel zum Thema ,,Welt retten”.
MissingYou ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2013, 05:30   #2
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082


Zitat:
Die Worte des Arztes verklangen in dem leeren Raum. Die Stille war ohrenbetäubend laut. Tausend Schreie hallten in meinem Kopf
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2013, 11:11   #3
weiblich Malouna
 
Benutzerbild von Malouna
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 25
Beiträge: 13


Beeindruckend!! Du kannst unglaublich gut mit Worten umgehen und Emotionen toll zum Ausdruck bringen. Es ist richtig mitreißend und wirkt für dein Alter total professionell!!!
Malouna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.04.2013, 19:49   #4
weiblich MissingYou
 
Benutzerbild von MissingYou
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 24
Beiträge: 8


Meinst du echt? Danke!!!!!
MissingYou ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Gerechtigkeit



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Gerechtigkeit Ex Rivus Die Philosophen-Lounge 27 04.02.2013 19:14
Die einzige Gerechtigkeit Ex-DrKarg Philosophisches und Nachdenkliches 4 13.08.2012 08:46
Gerechtigkeit und Gnade marlenja Sprüche und Kurzgedanken 27 30.01.2011 21:19
Gerechtigkeit Inline Sprüche und Kurzgedanken 3 19.02.2007 15:40


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.