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Alt 12.09.2007, 23:12   #1
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Standard Warum ich nicht mehr in meiner alten WG wohne

Hallo allerseits,

nach urlaubsbedingter Pause bin ich mal wieder zurück und entgegen der nachdenklichen Tradition bringe ich diesmal etwas mit, was hoffentlich lustig ist.

Bin gespannt auf möglichst konkrete und konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge - und bitte bedenken, es ist auf einen Poetry Slam hin geschrieben, also immer versuchen, es sich vorgelesen vorzustellen (beispielsweise bei ewigen "...und...und...und..." Sätzen).

Wie üblich noch eine kleine Warnung voraus: Frauen, die Komplexe wegen ihrer Oberweite haben, werden gebeten, diesen Text NICHT PERSÖNLICH zu nehmen.

Take Care

Hier nun der Text:

Warum ich nicht mehr in meiner alten WG wohne

Anna-Lena liegt leise heulend mit drei Boxen Kleenex auf dem Gemeinschaftssofa, schaut Friends und erholt sich von der Brustvergrößerung. Doros Brustvergrößerung, wohlgemerkt, wegen der sie, Anna-Lena, jetzt auch eine braucht.
Benni kommt aus seinem Zimmer und lässt sich in den Sessel neben ihr plumpsen. auch er muss sich von Doros Brustvergrößerung erholen - seit sie heute Mittag heimkam und er einen kurzen Blick auf ihre neue Oberweite erhascht hat, war er da drin, allein, und jetzt hat er wahrscheinlich einen Krampf im rechten Unterarm oder eitrige Schürfwunden an den Fingern oder sonstwas, aber ganz sicher keine gewaschenen Hände, also bringe ich lieber meine Chips in Sicherheit.
Anna-Lena rafft sich kurz auf und ruft "Raphael, leihst Du mir auch was für 'ne OP?", aber Raphael – Doros Freund, wohlgemerkt - ist beschäftigt. Durch die offene Tür sehe ich, wie er in der Unterwäscheschublade wühlt. Sybilles Unterwäscheschublade, wohlgemerkt, Sybille, die erst seit fünf Wochen bei uns wohnt und die dieses ganze atomare doppel-D-Wettrüsten losgetreten hat. Dabei kann sie gar nichts dafür, sagt sie, sie hatte halt Glück mit den Genen, sagt sie, alles ganz natürlich, sagt sie - naja, genauso natürlich wie die Tatsache, dass Benni Anna-Lena und Doro in den letzten Wochen kein Frühstück mehr ans Bett gebracht hat. Und das mit dem in der Unterwäsche wühlen war vielleicht auch OK, solange Sybille geduscht hat, aber jetzt taucht sie plötzlich und nur in ein Handtusch gehüllt vor ihm auf, und als sie sieht, was ich sehe, rutscht das Handtuch für einen Augenblick unter ihren Pilates-Hintern.
"Sorry!" meint Benni, krallt sich eine Kleenexpackung von Anna-Lena und verschwindet wieder in seinem Zimmer. Da sind 150 premium weiche, extra hautfreundliche und vor allem supersaugfähige Taschentücher drin - der kommt frühestens für Bernd das Brot zurück. Als man ihn wieder loslegen hört, schluchzt Anna-Lena noch mal ihr "Ich-armes-häßliches-Entlein"-Schluchzen und macht den Fernseher lauter.
Mittlerweile hat Sybille sich und ihr Handtuch wieder im Griff - schade eigentlich - und da ich wegen Friends nicht mehr hören kann, was sie sagt, haut es mich gleich doppelt um, als sie Raphael zeigt, wo er zu wühlen hat, ganz freundlich, und als sie diese BHs hoch halten mit Körbchen groß wie Dänemark, da bereite ich mich schon mal darauf vor, dass Raphael gerade seine weibliche Seite entdeckt...
Aber dann nimmt er so ein Teil aus geschätzten 3 1/2 qm schwarzer Spitze, klopft damit bei Doro, die Tür geht auf - nur einen unschuldigen Spalt weit - und was ich sehe, während sie den BH entgegen nimmt, ... tut einfach nur weh! Grüne und blaue Flecken, ein Pflaster unter dem man Dieter Bohlens Grinsen verstecken könnte, das ist kein Busen, das ist eine bösartige Geschwulst, ein Fall für Ärzte ohne Grenzen, kurz: eine Titte!
Und ich höre Anna-Lenas Tür knallen. Noch immer unter dem Eindruck dieser schockierenden Selbstverstümmelung klopfe ich bei ihr.
"Lass mich allein, außer Du hast 3000 € für mich!" flennt sie, aber ich geh trotzdem rein.
Und ich erzähle ihr, dass viele Männer voll auf Körbchengröße A abfahren.
"Du etwa?" fragt sie.
"Ja, total!" lüge ich, aber es hilft nicht. Also erzähle ich ihr, was ich gerade gesehen habe.
"Echt, wie Pavarottis Hintern?" fragt sie lachend nach.
"Eher wie die Golan Höhen nach dem Syrien-Feldzug." antworte ich.
Und sie ist wieder glücklich, und sie ist dankbar, und ich bin ihr Held, und ich stelle fest, dass Körbchengröße A von hinten fast keinen Unterschied macht.
"Endlich eine gute Tat, die sich auch gelohnt hat", denke ich beim Einschlafen.
Und dann, am nächsten Morgen, wache ich auf und höre, wie Anna-Lena Doro beim Frühstückskaffee erzählt, was ich über ihre geplatzten Melonen gesagt habe...

THX

Tempestrider
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.09.2007, 12:52   #2
Neruda
 
Dabei seit: 04/2008
Beiträge: 257


Durchaus gelungener Text. Ein bisschen sehr überspitzt vielleicht aber trotzdem witzig. Ich jedenfalls habe darüber gelacht, weil ich diese ganzen Mädchen-Komplex-Läster-Sachen eh zum totlachen finde. Hast du schön dargestellt. Alle Klischees in einem Text eingefangen. Männer stehen nur auf große Brüste, Frauen mit kleinem Busen haben alle komplexe und lassen sich operieren und Männer müssen sich dann den ganzen Tag in ihr zimmer verziehen *gg*

Naja weiter so, hat mir gut gefallen.

Lg, Kim
Neruda ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.09.2007, 13:12   #3
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Hi Neruda,

Danke!
(auch für das dicke Lob)

könntest Du mir evtl. noch etwas genauer sagen, welche Passagen an dem Text Dir gefallen und noch wichtiger nicht gefallen haben?

TC

Tempestrider
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.09.2007, 13:27   #4
Neruda
 
Dabei seit: 04/2008
Beiträge: 257


Ja klar! Besonders gut fand ich das "Raphael leihst du mir auch was für ne OP" in Zeile 10. Zeigt gut auf was für abwegige Gedanken Mädchen doch kommen wenn sie Komplexe kriegen. Nicht so gut gefallen hat mir vielleicht das du von allem sehr viel reingepackt hast, es wirkt insgesamt vielleicht etwas überladen. Weniger ist manchmal mehr. Vielleicht nicht alles ganz so genau beschreiben. Z.B. der BH, Zeile 31-33 oder so, "groß wie Dänemark" und "3 1/2 qm". Das ist vielleicht etwas zu viel des Guten. Eine der beiden bemerkungen hätte glaube ich gereicht. Der letzte Teil ist dann wieder total gelungen. Ich finde es super wie du beschreibst wie Mann auf seine etwas tolpatschige Art und Weise versucht Frau zu trösten. Und wie du in den letzten zwei Zeilen andeutest was Mann sich damit wieder eingebrockt hat.

So hoffe das war jetzt eine Kritik wie du sie dir vorgestellt hast.

Lg, Kim
Neruda ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.09.2007, 20:00   #5
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Nochmals herzlichen Dank!

Ja, genau so ist das sehr hilfreich.
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.09.2007, 13:58   #6
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo tempestrider,

das ist wirklich witzig geworden. Viele Charaktere, viele Macken und alle unter einem Dach.
Was mir allerdings für einen PoetrySlam sehr ungeeignet erscheint, ist die Verwechslungsgefahr der Charaktere. Man muss schon sehr genau und vorallem mehrmals lesen, um alles zu verstehen. Wenn man diesen Text aber nur hört, wird wohl eher ein "häh?" zurückbleiben.
Problem dabei: Es sind sehr viele Charaktere, die Du in relativ kurzer Zeit unter einen Hut bringen musst.

"als sie Raphael zeigt, wo er zu wühlen hat," um diesen Satz zu verstehen, muss man sich zum Beispiel gemerkt haben, dass Raphael in der Unterwäsche wühlt. Ich schätze, die meisten haben das bis dahin vergessen. Mir ging es so, ich dachte er fässt ihr an die Brüste und wunderte mich, warum das Doro nicht kratzt.

"seit sie heute Mittag heimkam und er einen kurzen Blick auf ihre neue Oberweite erhascht hat, war er da drin," hier sorgt das "war er da drin" erstmal für eine "Wo?"-Frage, da der Bezug zum Zimmer schon einen Satz und eine gefühlte Ewigkeit her ist.

Das Problem könnte man lösen, indem man die Sätze eindeutiger gestaltet und markante Eigenschaften der Charaktere wieder erwähnt, wenn von ihnen die Rede ist, so dass mehr als nur der Name zur Wiedererkennung herangezogen werden kann.

Insgesamt hat es mir bis auf diese Sache gefallen. Die Mischung aus typisch männlicher Umgangssprache ("Titte") und Hochdeutsch mit einigen wirklich lustigen Bezeichnungen ("atomare doppel-D-Wettrüsten") und Vergleichen passt sehr gut.

Grüße

Struppi
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.09.2007, 16:03   #7
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Hallo Struppigel,

Freut mich, das es Dir gefallen hat.
Insbesondere vielen Dank für Diene (mal wieder) sehr greifbare Kritik - speziell die genauere Beschreibung der Charaktere zur besseren Trennung werde ich beim nächsten Mal sicher mal angehen.
Tatsächlich kam es auf dem Slam (war am Donnerstag) dann übrigens ein Wenig anders - relativ wenig Publikum, die meisten zum Finale schon nicht mehr ganz nüchtern - ich würde sagen, denen ist gar nicht aufgefallen, dass es konfus war, sie haben nur die Sprüche mitbekommen, gelacht und mich zum Sieger erkoren - vielleicht sollte man sein Publikum einfach im Regen stehen lassen, die mögen das offenbar

Vielen Dank jedenfalls

Tempestrider
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