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Alt 07.09.2007, 16:20   #1
Lunch
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 11


Standard Kälte


Ich friere. Das Ticken der Uhr und das Summen des alten Kühlschrankes sind die einzigen Geräusche, die zu mir durchdringen.
Zitternd stehe ich auf und taste mich durch das düstere Zimmer.
Ich öffne das Fenster.
Ich atme kalte Luft, erfrischt vom vergangenen Regenschauer.
Ich sehe die hellen Streifen eines Flugzeuges auf dem blassroten Untergrund des Himmels, den die untergehende Sonne verschieden farbig leuchten lässt.
Ich höre das Vorbeirauschen eines Zuges, das Bellen zweier Hunde und das Lachen von Kindern auf der Straße.
Für einen Moment genieße ich die Herrlichkeit dieser Welt, dieses Augenblickes.
Dann schließe ich das Fenster und ziehe mich zurück in die dunkle Kälte.
In meine dunkle Kälte, die mir vertraut und lieb geworden ist.
Sie empfängt mich mit der Umarmung eines alten, lange vermissten Freundes.
Hüllt sanft meine Seele ein, bevor sie mich packt und in mein eigenes, verlorenes Ich hinabreißt.
Lunch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.09.2007, 19:39   #2
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Lunch,

Deine Geschichte wirkt teilweise leicht poetisch, da sie Metaphern aufweist. Leider sind das diese ganz typischen Metaphern Dunkelheit und Kälte, die für Leid, Gefühlsverarmung und Depression stehen. Schöner wären eigene Bilder - individuelle Beschreibungen des Gefühlszustandes, so dass Dein Text mehr Stil bekommt und sich von anderen Texten positiv herausstellt. Im Moment hat er 08/15-Format.
Auch störend erscheint mir die äußerst variable Satzlänge. Anfangs sehr kurz, mutieren die Sätze am Ende zu ellenlangen Beschreibungen. Das kann natürlich so gewollt sein, zumal die Satzlänge kontinuierlich zunimmt. Aber die Sprachlichkeit verschlechtert sich dadurch leider auch (speziell der letzte Satz ist sehr unschön) und das Zurückgleiten in die Depression am Ende müsste eigentlich ebenfalls wieder deutlich gemacht werden, indem ein kurzer Satz folgt. So korreliert die Form nicht ganz mit dem Inhalt.
Sprachlich ungeschickt sind die Wiederholungen. Der Text ist sehr kurz und sollte ohne diese auskommen. Im Folgenden sind sie farbig gekennzeichnet.

Zitat:
Mir ist kalt. Dunkelheit umgibt mich.
Zitternd stehe ich auf und öffne das Fenster.
Ich atme kalte Luft, erfrischt vom vergangenen Regenschauer.
Ich sehe die hellen Streifen eines Flugzeuges auf dem blassroten Untergrund des Himmels, den die untergehende Sonne in verschieden farbige Streifen taucht.
Ich höre das Vorbeirauschen eines Zuges, das Bellen zweier Hunde und das Lachen von Kindern auf der Straße.
Für einen Moment genieße ich die Herrlichkeit dieser Welt, dieses Augenblickes;
bevor ich das Fenster schließe und mich zurückziehe in die dunkle Kälte, in meine dunkle Kälte, die mir so vertraut und lieb ist, die mich mit der Umarmung eines alten Freundes empfängt und mich einhüllt, mich gefangen nimmt und mich in mein eigenes, verlorenes Ich hinabreißt.
Grüße

Struppi
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Alt 07.09.2007, 20:07   #3
Lunch
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 11


Hallo Struppigel,

danke für die Tipps. Das mit den Wiederholungen stimmt wahrscheinlich, ich dachte bisher irgendwie immer, dass sie dazu dienen, etwas in den Vordergrund zu stellen. Aber wenn ich den Text gekennzeichnet lese, stören sie wirklich. Ich werde mich mal dran machen, meinen Text zu überarbeiten

Danke nochmal

Lunch
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Alt 07.09.2007, 20:16   #4
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Lunch,

Zitat:
ich dachte bisher irgendwie immer, dass sie dazu dienen, etwas in den Vordergrund zu stellen.
Da liegst Du grundsätzlich richtig.
Die Konstruktion " in die dunkle Kälte, in meine dunkle Kälte, die" würde ich zum Beispiel nicht als sprachlich störend betrachten - außer sie taucht in der Art zu oft als Stilmittel auf. Das ist bei Dir nicht der Fall, Du wiederholst nur die Wörter "Kälte"/"kalt" und "dunkel"/"Dunkelheit" insgesamt recht häufig (natürlich in Relation zu dem kurzen Text gesehen), weshalb ich es angestrichen habe.
Ich bin froh, dass Du Dich nicht von negativer Kritik abschrecken lässt. Wer das für sich nutzt, kommt auch weit. Ich hätte ohne dieses Forum sicher nicht so viel gelernt.

Grüße

Struppi
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.09.2007, 09:32   #5
Lunch
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 11


So,

ich habe versucht, deine Tipps umzusetzen, obwohl ich mit den letzten beiden Sätzen immer noch nicht ganz zufrieden bin, weil ich den Unterschied bzw. Grenze zwischen dem "alten Freund" und dem "Hinabreißen " noch zu wenig klar bzw. hart finde . Vielleicht treffe ich die Muse heute noch und mir fallen bessere Ausdrücke ein..

Grüße

Lunch
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Alt 08.09.2007, 10:11   #6
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Lunch,

Deine Umsetzung gefällt mir. Du hast Dir wirklich Gedanken gemacht.
Bei Deinem letzten Satz stört übrigens auch die familiäre Verwandtschaft zwischen "empfangen" und "gefangen nehmen" (beides von "fangen")

Ideen/Ansätze für den letzten Satz:

"gefangen nehmen" kann man ersetzen durch:
einschließen, einsperren, ergreifen, packen, fassen

Der alte Freund und das "empfangen" wirken natürlich sehr freundlich, da das positiv besetzte Wörter sind. Da ist nun die Frage - brauchst Du etwas Unfreundlicheres oder nur einen entsprechenden Übergang zum groben Hinabreißen?
Ich finde es allerdings auch recht passend, von einem alten Freund zu sprechen. Die Kälte ist dem Erzähler mehr als bekannt. Alternativ könnte man auch das "hinabreißt" sanfter gestalten, indem man "hinabzieht" benutzt. Aber das hat natürlich eine andere Wirkung.

Das dritte "mich" würde ich übrigens weglassen. Es ist nicht unbedingt nötig.

Das wäre eine Variante, wobei ich nicht weiß, ob das Dein Problem löst:
"Sie empfängt mich mit den grilligen Armen eines alten Freundes bevor sie mich völlig umschließt und in mein eigenes, verlorenes Ich hinabreißt."
Der Vorsatz "grillig" zu den Armen soll das vermeintlich Freundliche etwas abschwächen. Vielleicht fällt Dir da ein eigener, besserer ein. Man könnte auch "perfide" oder "mißraten" schreiben, wobei mir noch keine dieser Varianten uneingeschränkt zusagt. Dir muss es gefallen.

Grüße

Struppi

Edit:
Den Satz Ich ziehe mich zurück in die dunkle Kälte... würde ich nicht nochmal mit "Ich" beginnen. Das hast Du zuvor schon als Stilmittel für die monotone Aufzählung der verschiedenen erlebten Eindrücke genutzt.
Mein Vorschlag:
Dann schließe ich das Fenster wieder und ziehe mich zurück in die dunkle Kälte. In meine dunkle Kälte, die mir vertraut und lieb geworden ist.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.09.2007, 14:03   #7
Lunch
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 11


Hallo Struppi,

nochmal danke für deine Mühe, mir zu helfen. Ich hab einiges nochmal geändert.

Zitat:
Original von Struppigel
"gefangen nehmen" kann man ersetzen durch:
einschließen, einsperren, ergreifen, packen , fassen
So etwas habe ich gesucht, das ist sehr viel grober als gefangen nehmen.

Zitat:
Original von Struppigel
Da ist nun die Frage - brauchst Du etwas Unfreundlicheres oder nur einen entsprechenden Übergang zum groben Hinabreißen?
Ich weiß nicht, ob ich es Übergang nennen soll, eher sollte es eine Art brutaler Einschnitt sein, vll sogar abgehackt,der diesen Umschwung vom guten Freund zum "Feind" klarmacht, also brauche ich einen starken Kontrast in diesem Satz. Ich habe das mit dem sanften Einhüllen und dem groben Packen versucht, allerdings habe ich da wieder zwei "mich" drin, die mich stören.


Zitat:
Original von Struppigel
Das wäre eine Variante, wobei ich nicht weiß, ob das Dein Problem löst:
"Sie empfängt mich mit den grilligen Armen eines alten Freundes bevor sie mich völlig umschließt und in mein eigenes, verlorenes Ich hinabreißt."
Klingt gut, aber wie gesagt soll der erste Teil des Satzes sehr freundlich /warm sein und dann umschlagen.


Zitat:
Original von Struppigel
Dann schließe ich das Fenster wieder und ziehe mich zurück in die dunkle Kälte. In meine dunkle Kälte, die mir vertraut und lieb geworden ist.
Hab auch schon überlegt den zweiten Teil so abzutrennen, nur ist das doch dann kein Satz mehr, oder? Zumindest wenn man ihn mal außerhalb des Kontextes liest.

Liebe Grüße,

Lunch
Lunch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.09.2007, 16:59   #8
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo lunch,

ach Du willst einen Kontrast bilden, da hatte ich Dich falsch verstanden.

Du kannst die Wiederholung von "mich" umgehen, indem Du schreibst: "Sanft umhüllt sie meine Seele"
Oder Du nutzt das Passiv, allerdings hätte dies wieder einen (an dieser Stelle unschönen Satzanfang mit "Ich" zur Folge. "Ich werde sanft von ihr umhüllt"

"Sie empfängt mich mit der Umarmung eines alten, lange vermissten Freundes. Hüllt sanft meine Seele ein, bevor sie sie packt und in mein eigenes, verlorenes Ich hinabreißt."

Zitat:
Hab auch schon überlegt den zweiten Teil so abzutrennen, nur ist das doch dann kein Satz mehr, oder? Zumindest wenn man ihn mal außerhalb des Kontextes liest.
Kein Satz mehr, aber eine Ellipse. Das ist nicht verboten. Wenn es Dich trotzdem stört, kannst Du es auch mit Semikolon abtrennen oder eben doch wieder mit Komma.

Grüße

Struppi
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.09.2007, 20:58   #9
Askeron
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Hallo

so das ist die mittlerweile achte Überarbeitung? Gefällt mir gut. Sicher ist es nicht besonders lang und auch weit und breit kein böses Ende in Sicht, aber das macht nichts. Eine kurze Episode, die Manche von uns vielleicht nur zu gut kennen, schön ergänzt mit poetisch angehauchten Bildern. Ich hab da nichts weiter zu beanstanden Weiter so.

MfG

Askeron
Askeron ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.09.2007, 18:58   #10
Lunch
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 11


Zitat:
Original von Askeron
so das ist die mittlerweile achte Überarbeitung?
Ich gebs zu, ich bin Anfänger!
Lunch ist offline   Mit Zitat antworten
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