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Alt 02.09.2007, 14:31   #1
Lyrika
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 247


Standard Die Antilope

Vor langer Zeit unter der erbarmungslosen Sonne der heißen Wüstensteppe trug es sich zu, dass das Gras, dass den Antilopen als Futter diente, dort wo diese wohnten bereits abgegrast und somit nichts mehr für deren Verzehr übrig war.
Also entschlossen sich die Antilopen ihr Futter andernorts zu suchen.
Eines Tages sagte die junge Antilope: „Ich werde mich auf den Weg machen und Futter suchen."
„Hüte dich!", warnte ihre Mutter, „Es gibt an vielen Orten Gras, das du leicht finden kannst, doch nehme dich in Acht vor den Löwen! Es ist gefährlich. Überall lauern sie. Jeder hat Angst vor ihnen. Antilopen sind ihre Leibspeise. Wenn du dich ihnen auch nur näherst, dann werden sie dich mit Haut und Haaren verspeisen!".
"Aber Mutter!", flehte die junge Antilope, „Du hast doch immer betont was für eine äußerst schnelle und schlaue Antilope ich doch bin. Ich werde ihnen davonlaufen." Doch die Antilopenmutter schüttelte ihren Kopf: „Es sind zu viele Löwen und sie sind zu stark. Selbst die stärksten und schnellsten Antilopen fielen ihnen zum Opfer. Triffst du auf die Löwen, so bleibt dir nichts anderes übrig als dich von ihnen fressen zu lassen."
Die kleine Antilope bekam es mit der Angst zu tun, doch es war an der Zeit, dass sie sich allein Gras suchen musste. Ihre Mutter wusste das, obgleich sie sich sehr sorgte.
„Pass auf dich auf. Ich liebe dich!", rief sie ihrem Kind hinterher. „Ich dich auch!“, antwortete die kleine Antilope, während sie sich umkehrte und immer der Sonne nach ging.
So wanderte die Antilope umher und fand endlich saftiges Gras.
Gerade als sie sich hinunterbeugen wollte um zu grasen, bemerkte sie wie Schatten immer dichter auf sie zukamen. Ihr wurde mulmig und ihr kleines Herz schlug immer schneller. Als sie aufblickte bestätigte sich nur das, was sie ohnehin schon befürchtete: Löwen umkreisten sie.
Angst und Bang versuchte sie zu fliehen, doch die Furcht versteinerte sie, sodass sie wie angewurzelt an einer Stelle stand und man hätte glauben können sie bestünde aus Stein, würde sich nicht ein Zittern durch ihren Körper ziehen. Sie musste an die Worte ihrer Mutter denken und daran, dass ihr nun nichts anderes übrig bleiben würde als sich fressen zu lassen. Die Löwen zogen sich immer enger um die kleine Antilope, wie ein Band das sich zusammenschnürte. Sie spürte den Atem der Löwen auf ihrer Haut und wusste, dass sie bald diejenige sei, die nicht mehr atmen würde.
Das Wasser lief den Löwen schon im Mund zusammen und sie fletschten mit gierigem Blick ihre scharfen, weißen Zähne.
Da schloss die Antilope die Augen und sah den Tod. Dann öffnete sie die Augen wieder und sah die zähnefletschenden Löwen und tat es ihnen gleich.
Sie brüllte so gut es eine Antilope eben kann und fletschte mit bösem Blick die Zähne.
„Was wollt ihr mich fressen?“, fragte sie, „Ich bin eine Löwin wie ihr auch. Wollt ihr euer eigen Fleisch und Blut fressen?“.
Die Löwen sahen sich verwundert an. „Was treibt dich hierher?“, fragte einer der Löwen.
„Ich bin auf der Jagd nach Antilopen. Es gibt hier viel Gras welches Antilopen und anderes schmackhaftes Getier anlockt“, knurrte die Antilope.
„Wir haben hier noch nie andere Löwen gesehen“, sagte ein weiterer Löwe, „Dann kommst du vermutlich von der Löwenherde hinter dem großen Hügel.“
„Ja, da komme ich auch her“, erwiderte die Antilope noch immer mit knurrendem Unterton, „Eine nette Herde deren Anführer ich war. Doch sie waren zu langsam und das Futter ging uns aus. Da begann ich allein loszuziehen um bessere Futterplätze aufzusuchen und vielleicht eine weitere Herde zu finden. Jetzt habe ich, wie das Glück es will, euch gefunden. Viel habe ich schon von euch gehört. Eurer Tapferkeit, eurer Stärke und Schnelligkeit. Keine Antilope kann euch entkommen! Das lob ich mir.“
Die Löwen fühlten sich geschmeichelt und ein Löwe sagte: „Nun dann komm mit uns! Es ist uns eine Ehre dich in unserer Herde aufzunehmen.“
Die kleine Antilope ging mit den Löwen mit. Fortan war sie ein Mitglied der Herde.
Sie wohnte bei den Löwen, schlief mit ihnen, trank mit ihnen am Fluss und unterhielt sich auch mit ihnen.
Als sie hungrig war ging sie mit ihnen auf die Jagd. Sie erspähte ein Zebra. Langsam nahm sie die Spur des Zebras auf und preschte dann schnell aus geduckter Haltung hervor. Die Löwen waren überrascht über die außerordentliche Schnelligkeit ihrer Kameradin.
Innerhalb weniger Sekunden verbiss sich die Antilope im Zebra und tötete es. Ja, sie war gar schneller als alle anderen Löwen. Und wie sie das Blut aus dem Zebra leckte, da fiel ihr auf, dass dieses gar viel besser als Gras schmeckte.
Schnell machte die kleine Antilope sich einen Ruf unter den Löwen. Sie konnte all die Tiere mühelos erlegen, bei denen die Löwen ihre Schwierigkeiten hatten. Jeden Tag erlegte sie mehrere Tiere und wurde immer größer und kräftiger. Sie wurde zum Anführer der Löwen ernannt. Kam eine Antilope des Weges und graste, so war zum Erstaunen aller Löwen zu beobachten, dass diese nicht davonrannte oder versuchte zu fliehen wenn sich die Anführerin der Löwen näherte, so wie es Antilopen bei all den anderen Löwen zu tun pflegten. Sie graste unbekümmert weiter, bis die Anführerin der Löwen ihre spitzen Zähne in der Antilope vergrub und diese zerfleischte, während das Blut aus dem zuckenden Körper spritzte. Die Anführerin der Löwen war besonders gut darin Antilopen zu reißen.
Sie ließ sie sich schmecken und nagte in der heißen Mittagssonne noch lange ihre Knochen ab.
Die Jahre gingen ins Land und die Anführerin der Löwen war zweifellos die gefürchtetste und alle Löwen zollten ihr Respekt. Sie fraß alles. Von der kleinen Wüstenmaus bis zum großen Elefanten. Nichts konnte ihr entkommen und vor nichts hatte sie erbarmen. Oft riss sie ein Tier auch nur an der Freude das Blut spritzen zu sehen. Hatte ein Löwe Widerworte dann knurrte sie ihn an und dieser duckte sich in Demut.
Eines Tages, als sie mit der Herde auf Jagd ging, erblickte sie eine alte, schwache Antilope.
„Leichte Beute“, knurrte sie, „Ein altes Tier kann ich im Schlaf erlegen. Die sind langsam, schwach und kränklich. Sie wehren sich noch nicht einmal genug. Eigentlich schade, da ich gern sehe wie sie um ihr Leben kämpfen und hilflos zucken. Das erfüllt mich mit Freude.“
Langsam schlich sie voran und näherte sich ihrer Beute, während sie überlegte ob sie dieses Tier tatsächlich essen oder nur aus Spaß töten sollte, da alte Tiere oft zähes Fleisch haben.
Plötzlich blickte die alte Antilope auf und horchte. Sollte sie die Anführerin der Löwen bemerkt haben? Noch nie hat man sie lauern gehört. Doch die alte Antilope hat die Anführerin entdeckt und rannte förmlich auf sie zu: „Da bist du ja! Da bist du ja! Ich kann es nicht fassen! Nach so vielen Jahren. Oh, welch Glück dass du lebst. All die Jahre dachte ich du wärest tot. Ich dachte sie haben dich getötet als du noch klein warst. Du bist am Leben! Du bist am Leben!“ Nun erkannte die Anführerin der Löwen ihre Mutter. „Verändert hast du dich. Aber du bist gut gedeiht. Du bist so groß geworden und so stark. Sag, was hast du all die Zeit lang gemacht? Ich habe dich so vermisst. Doch was ist mit deinen Augen? Sie blicken gar so böse drein und sind so leer. Wo sind all das Glück und die Unschuld die einst in deinen Augen glänzten mein Kind? Geht es dir gut?“ Weiter konnte die alte Antilope nicht reden, denn in dem Moment spritzte eine Fontäne Blut aus ihren Adern. Die Anführerin der Löwen vergrub ihre scharfen Zähne tief im Fleisch der Alten, bis diese verblutete. Sie knackte ihre Knochen und fraß ihr Herz.
Von Tag zu Tag fraß sie mehr. Bis der Tag kam an dem das Futter knapp wurde.
Die Löwen waren alle abgemagert, denn die Anführerin, die kräftig und breit über die Herde thronte, verspeiste mit Abstand am meisten. „Genug!“, sagte einer der Löwen, „Werte Anführerin, so sehr wir sie auch verehren, das Essen ist knapp. Wir magern zusehends ab, während sie das letzte Futter verzehren. Wir empfinden dieses nicht als gerecht.“
„Gerecht?“, fragte die Anführerin, „Du also willst bestimmen was gerecht ist? Nun, das Essen ist in der Tat knapp. Wie wollen wir dem Abhilfe verschaffen? Ich habe eine Idee.“
Und die Antilope fraß den Löwen: „Nun gibt es weniger hungrige Mäuler“, höhnte sie.
Von nun an lebten die Löwen in Furcht vor der Antilope. Sie gehorchten ihr. Jeder falsche Tritt, jede falsche Äußerungen könnte bedeuten gefressen zu werden. Sie zitterten in ihrer Nähe. Sie wussten, dass sie ihr nicht entkommen könnten.
Doch ganz gleich was sie taten: Es gab keine Tiere mehr außer ihnen und die Antilope wurde hungrig. Immer wieder fraß sie Löwen die es nicht aushielten und sich beschwerten. Irgendwann war sie so hungrig, dass sie auch die letzten Löwen fraß.
Die Antilope fraß ihre gesamte Herde und hatte nun nichts mehr zum Fressen.
Eines Tages als die Sonne hoch am Himmel stand und der Hunger sie überkam, begann sie an sich zu kauen. Sie knabberte an ihren Beinen, biss sich in ihr Fleisch und leckte ihr Blut.
Sie fraß sich selbst mit Haut und Haaren. Nur ihr Mund blieb übrig. Niemand fraß ihren Mund.
Lyrika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.09.2007, 18:34   #2
Mo.-
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 531


Hm,

Das ist eine sehr schaurige Geschichte über die destruktiven auswirkungen von veränderung und Kannibalismus . Der Vorwand mit dem die Antilope zum Löwen wird erscheint mir etwas weit her geholt aber das anschließende Blutbad macht den Schnitzer mehr als wett. Der Höhepunkt für mich ist das Festmahl an der eigenen Mutter. Das Ende erscheint mir sehr abgehoben passt aber zum irrealen Rest der Geschichte.

Fazit: Inhaltlich recht innovativ allerdings musst du an deinem Stil noch arbeiten.

Ich denke nicht das es eine Fabel ist.

Ansonsten üben, üben, üben...

gruß Mo.-
Mo.- ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.09.2007, 19:10   #3
Werther
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 404


Kleiner Korrekturwunsch: bei Löwen heißt es "Rudel", nicht "Herde".

Das Ende ist ähnlich irrational wie das des "Parfums" und passt gerade deswegen. Ganz besonders stark finde ich den letzten Satz. Stilistisch sehr wertvoll, der Rest teils überarbeitungswürdig, aber weit entfernt von "mittelmäßig" oder gar "schlecht". Ist schon recht ansprechend, zumal es zu Beginn an eine Kinderbuchgeschichte erinnert. Die zahlreichen Zerfleischungen bilden dazu einen herrlichen Kontrast. Die jedoch, finde ich, sind zu einseitig beschrieben. Die Variationen des "spritzenden Blutes" treten zu oft auf. Scheue dich doch nicht, noch bestialischer ins Detail zu gehen, dich zum Beispiel gerade bei der Mutter explizit auf den Prozess der Ausweidung zu konzentrieren.

Fabel ist, denke ich auch, nicht ganz richtig. Denn in einer Fabel steht jedes Tier für eine bestimmte Charaktereigenschaft. Antilopen würde ich in dem Kontext als scheu, flink und vielleicht ein wenig dusselig bezeichnen. Deine kleine Antilope aber durchlebt ja eine brachiale Persönlichkeitswandlung. Das lässt sich nicht so ohne Weiteres auf den Menschen verallgemeinern. Sicher wird man unberechenbar, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, aber dennoch würde ich das hier eher als eine Kurzgeschichte bezeichnen, obwohl dann der Einstieg unvermittelt erfolgen sollte.

Auf jeden Fall laß ich es mit schändlichem Vergnügen.
Gruß, Werther
Werther ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.09.2007, 19:39   #4
Lyrika
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 247


Zitat:
Kleiner Korrekturwunsch: bei Löwen heißt es "Rudel", nicht "Herde".
Danke, das werde ich korrgieren.

Auch werde ich versuchen das mit dem Ausweiden e.t.c zu variieren..das ist wie gesagt mein erster Entwurf und ich habe die Geschichte in sehr kurzer Zeit geschrieben



Hm...also der Hauptpunkt ist eigentlich der, dass die Antilope nur zwei Möglichkeiten hat: Gefressen werden oder sich den Löwen anschließen.

Ich habe mir mal eine Aphorisme ausgedacht: "Trifft eine Antilope auf Löwen, so hat sie nur zwei Möglichkeiten - gefressen werden oder zum Löwen werden".

Die Löwen sind zudem äußerst dumm. Die Antilope hat keine andere Wahl als selbst ein blutrünstiger Löwe zu werden um nicht selbst zum Opfer zu werden.
Nun gefällt sich diese jedoch in der Rolle. Sie mag das Blutrünstige - undzwar weit mehr als es die Löwen tun. Da Antilopen recht schnell sind und da die Antilope auch schlauer als die Löwen ist, stellt sie sich bald als beste unter ihnen heraus. Sie ist nun zum schlimmsten aller Löwen geworden. Obwohl sie selbst keiner ist, ist sie nun die Gefürchtetste unter ihren Feinden und frisst somit ihre eigenen Artgenossen/ihre Mutter...letztendlich "beißt sie sich selbst ins eigene Fleisch".

Ich denke es ist sehr wohl menschlichen Eigenschaften nachempfunden.
Wie oft gibt es Menschen die nur zwei Wahlen haben: Tod/Leid oder selbst zum Peiniger werden?
Und wie oft findet man Menschen die sonst sehr gute Opfer geworden wären die sich dann in der Rolle des Peinigers wohlfühlen und zum Gefürchtetsten überhaupt werden?

Soetwas gibt es in diversen Variationen.
Lyrika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.09.2007, 20:11   #5
Werther
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 404


Das habe ich auch nicht angezweifelt. Es ist eine sogar sehr menschliche Eigenschaft. Denn wenn man selbst das Ungeheuer ist, gibt es nichts, was im Dunkeln auf einen lauert. Ich meinte, dass die Antilope nicht verallgemeinert werden kann. Nicht jeder, der vorher scheu war, wird dann blutrünstig. Deshalb ist es meiner Meinung nach keine Fabel.

Das ist aber nur eine Bezeichnungsfrage und tut dem Gesamtbild keinen Abbruch. Auch wenn es "nur" eine Kurzgeschichte ist, verallgemeinert man doch, oder bezieht es auf sich selbst, um sich - mehr oder weniger - mit dem Gelesenen zu identifizieren. Deswegen spielt es keine Rolle, ob man es nun Fabel nennt, oder nicht. Dein Ziel erreichst du auch so.
Werther ist offline   Mit Zitat antworten
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