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Alt 05.10.2007, 03:34   #1
Valium
 
Dabei seit: 06/2005
Beiträge: 58


Standard Der Schreiberling

Der Schreiberling sitzt vor seinem Blatt Papier in einem kargen Raum. Der Herr, dem er sein Leib versprochen hatte, ging gerade aus dem Raum und zog mit Bestimmtheit die Tür hinter sich zu.
Eine neue Geschichte wollte er haben. Eine Geschichte, die Spannung in sich barg, aber doch leicht genug für eine Bettgeschichte, die ihn gut einschlafen lies.
Der Schreiberling überlegte und nahm sein Schreibgerät in seine Hand. Die Ideen sprangen in seinen Kopf, wie die Kinder im Hof in die Heuhaufen.
Doch es wollte ihm nichts Passendes einfallen. So kam es, dass er sich ein wenig Ablenkung verschaffen wollte. Er zog sich seinen Mantel an, damit es ihm nicht fror und ging hinaus in den kühlen Abend. Es roch nach Regen. Geschickt wich er den Wurfgeschoßen aus Mist und Dreck der Kinder aus und verursachte so ein enttäuschtes Grunzen bei den Schützen. Er verließ den Hof und ging Richtung Stadt. Als er am Wirtshaus ankam, klopfte er sich einwenig ab und trat ein. Er setzte sich in eine Ecke des Raumes und bestellte, nach dem der Wirt ihn fragte, einen Krug Bier.
Er hörte den Gesprächen zu und hoffte auf eine Inspiration.

Der Schreiberling verlor schon alle Hoffnung, als (ohne ihm) ein Gespräch seine volle Aufmerksamkeit auf sich zog. Er lauschte angespannt (kein e), um auch ja alles zu hören.
Das war es, das war die Idee. Er bezahlte und ging schnellen Schrittes zurück in sein Kämmerlein, um sich direkt an die Arbeit zu machen.
Die Feder flog über das Papier und er hatte in kürzester Zeit die ersten Seiten vollendet. Begeisterung machte sich auf seinem hageren Gesicht breit. Die Vorfreude, dass vollendete Werk dem Herrn vorzulegen, wurde immer größer.
Die Handlungsstränge spinnten sich zu einem wohl ausgetüfteteln Gesamtstrang zusammen und zogen ihn als Schreiber schon in seinen Bann.

Endlich war der Tag da. Nach einem halben Jahr tüfteln, schreiben und verbessern war sein Werk fertig, zumindest der Erste Teil. Natürlich hatte er sich die Möglichkeit von Fortsetzungen offen gehalten.
Er nahm die Papiere und ging zu seinem Herrn. Dieser war von den Versprechungen seines Schreiberlings schon ganz unruhig geworden. Im Gegensatz zu den anderen Geschichten hatte er diesmal keine Chance gehabt vorher schon ein Mal reinzuschauen.
Der Schreiberling hatte seine Geschichte gehütet, wie man sonst nur einen Goldschatz oder die eigene Tochter hüten würde.
Der Knecht übernahm das Blätterwerk und scheuchte den Schreiberling hinaus.
Nach ein Paar Stunden trat der Herr in seine Stube und warf ihm sein Werk vor die Füße. So einen Schund könne er ihm doch nicht vorsetzen. Der Schreiberling war am Boden zerstört. Was hatte er falsch gemacht? So wütend war sein Herr noch nie gewesen.
Tränen schossen ihm in die Augen und wehklagen war aus seinem Raum zu hören. Die Tränen fielen auf das Blatt direkt vor seinen Füßen und verwischten die Überschrift.
"Die unbefleckte Befruchtung einer Hure"
Am nächsten Tag wurde der Schreiberling hinausgejagt. Ohne Hab und Gut zog er durch das Land und erbettelte sich etwas zu Essen. Auf dem Hof wurde ein neuer Schreiberling eingestellt und schon bald war der Alte vergessen.
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