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Alt 10.09.2007, 18:25   #1
Middel
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 28


Standard Und wir werden Freunde bleiben ...

Sie hatte es versucht. Sie wollte es unbedingt, mehr als alles andere. Aber er machte es ihr schwer, fast unmöglich, ihr Versprechen einzuhalten. „... und wir werden Freunde bleiben“, hatte sie gesagt. Und wenn sie etwas sagte, dann meinte sie es auch so. Ohne wenn und aber. So stand sie nun in dieser sternenklaren Vollmondnacht vor ihrem Auto und überlegte, ob sie weiterhin zu dieser Aussage stehen könnte. Nach all dem, was passiert war in letzter Zeit.

Rupert war seit der Trennung ein Anderer geworden. Äußerlich durch seine Entscheidung sich seine langen Haare, die sie so geliebt hatte, abzuschneiden und den Rest dann auch noch schwarz zu färben. Innerlich durch seine aufgesetzte Coolness und seine Art ihr zu zeigen, wie viele Andere er doch haben konnte. Das allein war sicherlich kein Grund ihn nicht mehr als Freund anzusehen, aber da war noch etwas anderes und das war es, was es Steffi einfach unmöglich machte diesen ehemals so sensiblen, netten und respektvollen Jungen, der schließlich mal mit ihr zusammen gewesen war, länger in ihrer Nähe zu dulden. Es war die Art und Weise, wie er Tatsachen verdrehte und sie vor anderen Menschen bloßstellte, runterputzte oder sich einfach nur lustig über sie machte.

Als sie letztens Eis essen war zum Beispiel. Da hatte sie einen netten Jungen entdeckt und auch er schien gefallen an ihr zu finden. Sie schauten sich an und irgendwie hatte es gefunkt. Dieses Kribbeln begann und das Spiel mit den Augen ... Doch bevor wirklich was passieren konnte, fing ihr Exfreund lauthals an über ihre vermeidliche Zukunft zu sprechen, ihre Verlobung und die Wahl der Ringe. Sie war wie vom Blitz getroffen. Fiel aus allen Wolken und ehe sie die Situation aufklären konnte, war der süße Junge auch schon weg. Rupert bemerkte nur süffisant, dass er sich nicht so leicht hätte abbringen lassen. Steffi war sauer, konnte mit ihrem Wutanfall aber nur bewirken, dass die Leute im Café, die von der Vorgeschichte ja nichts mitbekommen hatten, sie anstarrten. Peinlich berührt verließ sie den Ort der Bloßstellung und wollte unbedingt nach Hause. Dummerweise war sie ja mit Rupert hier und der hatte darauf bestanden mit seinem Wagen zu fahren. Also musste sie zur nächsten Haltestelle und auf den Bus warten. Während sie dann da so stand und wartete, tat ihr Rupert dann auch schon wieder leid. Sie dachte daran, wie sehr sie sich einmal geliebt hatten und dass es ihm bestimmt schwer fiele, sie einfach loszulassen. Und etwas despektierlich war es ja schon, mit jemanden zu flirten, während der Exfreund neben einem sitzt. Bis sie zu Hause war, wurde aus der eigentlichen Aggression schon so etwas wie Mitleid, die soweit ging, dass sie Rupert anrief und sich für ihr Verhalten entschuldigte. Er schien diese Entschuldigung zu genießen, lud sie aber noch zu einem zwanglosen Bier zu sich ein. Um nicht wieder etwas falsch zu machen, willigte sie ein und fuhr, diesmal mit dem Auto, zu ihm. Weit war es ja nicht und wenn dann wieder alles im Lot ist, würde sich die Viertelstunde bis zu seiner Wohnung schon lohnen.

Als sie klingelte meldete sich so ein Gefühl, das von ihrer Magengegend ausging. Was, wenn er sich mehr erhoffte, als nur ein Bier? Sie erinnerte sich daran, wie sie das erste Mal vor seiner Tür gestanden hatte. Das musste doch mittlerweile drei Jahre her sein. Sie rechnete kurz nach. Ja so ziemlich genau drei Jahre war das jetzt her. Damals waren ihr Gefühle gerade am Aufblühen gewesen und nicht wie jetzt schon verblüht. Wie schnell sich Gefühle und Empfindungen gegenüber einer anderen Person ändern können ist schon erstaunlich, dachte sie. Man denkt immer es ist für ewig und dann geht alles so rasend schnell vorbei. Aus netten Angewohnheiten des Partners werden inakzeptable Macken, aus nicht enden wollender Lust irgendwann ein zwanghaftes Muss. Und selber gibt man sich nicht mehr die Mühe, den andern zu erobern, von seinen Vorzügen zu überzeugen. Zumindest war das ihre Sicht der Dinge. Aus Freundschaft wird Liebe - wird wieder Freundschaft. Leider, so begann sie langsam zu verstehen, war das mit der erneuten Freundschaft nicht so einfach, wie sie sich das vorgestellt hatte. Plötzlich wurde sie aus allen Gedanken gerissen. Der Türöffner.

Als sie vor ihm stand, wurde es stärker dieses mulmige Gefühl. Ob es die richtige Entscheidung gewesen war hierher zu kommen? Gerade jetzt? Sie versuchte möglichst zwanglos zu erscheinen. Er bot ihr an es sich im Wohnzimmer bequem zu machen. Sie ging voraus. Erst als auch er sich hingesetzt hatte bemerkte sie die Flasche Wein, die Kerzen und die alten Fotos auf dem Tisch. Sie erkannte die Fotos sofort. Ihr einziger gemeinsamer Urlaub. Vor zwei Jahren. Er schaute sie an und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Situation war ihr sehr unangenehm und am liebsten wäre sie aufgesprungen und gegangen. Sie brachte aber nur ein „Ich dachte wir trinken Bier“ raus. „Hatte kein Bier mehr“, log er. Natürlich log er. Er wollte eine romantische Atmosphäre schaffen, wollte alte Gefühle bei ihr wecken. Doch da war nichts mehr, was noch zu wecken gewesen wäre, denn da schlief nichts in ihr. Nicht mal ein Funken von Liebe. Und nun war er langsam aber sicher auch dabei den Funken Freundschaft zu zerstören. Er öffnete die Flasche. Sie sagte, dass sie aber nur einen Schluck möchte. „Setz dich“, bot er ihr an. Er machte das Glas dreiviertel voll. Sie ging in die Offensive. „Wir sind nicht mehr zusammen Rupert“, brachte sie heraus, bevor er auch schon das Wort ergriff, „Das weiß ich und das ist auch ok so, aber ich dachte wir währen noch Freunde?“ „Ja, das sind wir doch.“ „Und dürfen Freunde nicht zusammen sitzen und ein Glas Wein miteinander trinken?“ „Doch schon.“ Aus ihrer Offensive wurde ein Fiasko. Defensiver geht’s kaum noch, dachte sie, als er auch schon ausholte: „Weißt du noch in Spanien? Am Strand, als wir ganz alleine waren?“ Natürlich wusste sie das und doch sagte sie nichts. „Nur wir beide“, sagte er weiter um ihr Zeit zum nachdenken zu geben und um die Zeit zu überbrücken. Sie sagte nichts, nahm das Glas und trank einen Schluck – mehr aus Verlegenheit. Sie wusste, egal was sie jetzt antworten würde, es wäre das Falsche.

„Ich ...“, fing sie an, als er sich auch schon direkt neben sie setzte und ihr in die Augen schaute, „ich erinnere mich, ja, aber das ist schon so lange her. Ich empfinde inzwischen anders, möchte dich nicht verletzen, doch du musst verstehen...“ Er versuchte sie zu küssen. Sie verdrehte den Kopf. „Nein!“ Sie erschrak, so etwas hatte sie noch nie in seinen Augen gesehen. Sie waren glasig und leer. Er hielt sie fest und drückte ihr einen Kuss auf. Sie wollte aufstehen, doch er ließ es nicht zu. „Nein!“ Sie schrie ihn an, wollte wieder Herr der Lage werden, doch er ließ sie nicht los. Vielleicht ging es mit Vernunft? „Rupert“, fing sie betont ruhig an „lass mich bitte los, das bringt doch nichts!“ Er schien ihr nicht zuzuhören und küsste ihren Hals. Steffi wurde übel. Er küsste sie erneut, diesmal drang er mit seiner Zunge in ihren Mund ein. Ihr wurde übel und es überkam sie eine böse Vorahnung. Hatte er es so geplant und sie in eine Falle gelockt? Voller Panik wehrte sie sich nach Kräften, doch Rupert ließ sie nicht los, im Gegenteil er verstärkte den Griff, während er sie vom Sofa auf den Teppich zog. Ihre Gedanken kreisten und das Gefühl der Übelkeit wurde stärker und stärker. Er saß nun auf ihr und sie konnte sich trotz größter Anstrengung nicht befreien. Mittlerweile fing er an ihr Top zu öffnen und mit seiner Hand ihre Brüste zu streicheln. Sie wollte das nicht, nicht jetzt, nicht so und nicht mit ihm. Sie schrie und er schlug ihr ins Gesicht. Dann widmete er sich wieder ihrem Körper. Sie konnte die Geilheit in seinem Blick erkennen, als er ihren BH runterzwängte und in ihren Nippel biss. Plötzlich bemerkte sie, dass ihre Augen feucht geworden waren - sie weinte.

„Es muss doch irgendeinen Weg geben hier raus zu kommen“, dachte sie, „raus aus dieser Situation, weg von ihm.“ Seine Hände waren nun überall, auf ihren Brüsten, zwischen ihren Beinen ... Sie versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen, als sie die Weinflasche in Reichweite bemerkte. Sollte sie das tun? Sollte sie diese Flasche nehmen und ... alles drehte sich in ihrem Kopf, sie wusste für einige Sekunden nicht, ob sie zu so etwas fähig wäre. Wozu überhaupt? Welche Folgen würde es haben? Und würde es ihr überhaupt gelingen?
Plötzlich durchfuhr sie ein unglaublich starker Schmerz, der sie wieder zurückholte, zurück in die Gegenwart, ins Jetzt und Hier. Er hatte ihr inzwischen die Hose bis zu den Knien gezogen und war mit einem Finger in sie eingedrungen. Es tat so unglaublich weh. Ohne weiter darüber nachzudenken versuchte sie an die Flasche zu kommen. Es klappte nicht, sie befanden sich mittlerweile zu weit weg vom Tisch. Wenn auch nur einige Zentimeter, so war es doch eine Distanz, die über ihr Wohl oder Wehe entscheiden sollte. Oder nicht? Was, wenn ihr Zögern nun ihre letzte Chance zunichte gemacht hat? Seine Zunge wollte wieder in ihren Mund, sie weigerte sich und bekam einen Schlag ins Gesicht. Ihr Kopf dröhnte. Ein zweiter Finger drang in sie ein. Sie wand sich, versuchte, mit seinem schweren Körper auf ihr, irgendwie näher an den Tisch zu gelangen. Seine Zunge leckte über ihr Gesicht, stieß immer wieder zwischen ihre Lippen. Ihre Augen gingen automatisch zu und sie musste sich zwingen sie wieder zu öffnen. „Die Flasche“, dachte sie, „die Flasche.“

Überall Blut, auf dem Teppich, auf dem Tisch, an der Flasche, an ihm und an ihr. Überall Blut, es schien, als sei das ganze Wohnzimmer in rot getränkt worden. Sie stand mitten im Zimmer, die zerborstene Flasche noch in der Hand. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, woran sie zerplatzt war. An seinem Kopf, am Tisch, am Boden? Es war ihr auch egal. Ihre Hose lag irgendwo unterm Tisch, ihr BH hing, von einem Träger irgendwie gehalten, unterhalb ihrer geschundenen Brüste und ihr Slip, blutig und zerrissen, hing ihr zwischen den Beinen. Alles schmerzte, es schien als bestand ihr gesamter Körper nur aus Schmerz.

Doch war es überhaupt ihr Schmerz? Irgendwie schien dieser Körper mit diesen Schmerzen jemand anderem zu gehören und nicht ihr. Ihr würde so etwas doch nicht passieren. Sie würde nie in eine Situation geraten, in der ihr irgendjemand weh tun könnte. Niemals ging sie nachts alleine weg. Niemals ließ sie sich auf Treffen mit Leuten ein, die sie nicht kannte und niemals, wirklich nie, ging sie mit zu fremden Männern oder kurzfristigen Bekanntschaften.
Steffi nahm ihre Kleider oder das, was davon übrig geblieben war und steckte sie in ihre Handtasche, die Flasche ließ sie achtlos fallen. Sie ging ins Bad, duschte, versuchte sich so gut es ging wieder herzurichten und ging zurück ins Wohnzimmer. Ohne den leblosen Körper am Boden auch nur im geringsten zur Kenntnis zu nehmen, ging sie zum Tisch, nahm eine der brennenden Kerzen und schlenderte ganz bedächtig zum Fenster. Sekundenlang starrte sie in die Nacht, bemerkte die Sterne und den Mond. Es war Vollmond und sie erinnerte sich daran, dass ihre Mutter ihr einmal erzählt hatte, dass sie in einer Vollmondnacht auf die Welt gekommen sei. „Eine wirklich wunderschöne Vollmondnacht“, dachte sie und hielt die Kerze an die Gardine. Innerhalb von Sekundenbruchteilen fing sie Feuer. Steffi stellte die Kerze zurück auf den Tisch, nahm ihre Handtasche und löschte das Licht.

An ihrem Auto angekommen blieb sie kurz stehen und atmete tief ein. Sie stand einfach nur da und dieser eine Satz, den sie vor nicht allzu langer Zeit gesagt hatte ging ihr nicht aus dem Kopf. Wieder und wieder leuchtete er auf wie eine Leuchtreklame in der Nacht.
Und während schon die ersten Flammen aus dem Fenster im zweiten Stock stießen, wurde ihr klar, dass diese Nacht so nie stattgefunden hatte. Lächelnd stieg sie in ihr Auto und sagte leise zu sich selbst: „... und wir werden Freunde bleiben.“
Middel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.09.2007, 09:34   #2
Alexa
Gast
 
Beiträge: n/a

Hi Middel

schon heftig- das Ende. Aber ich kann sie verstehen- irgendwie.
Nur macht mir hier etwas Sorge. Drückst du nicht die Spezie Mann in eine Ecke wo doch viele Frauen sie auch sehen wollen...?

Aber trotzdem;
Du hast hier ein Stück geschrieben wo die Spannung bis zum Schluss durchzieht. Klasse- gefällt mir.

Gruß
Alexa
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Alt 17.09.2007, 12:46   #3
Middel
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 28


Hallo,

ich würde das nicht zu hoch hängen, es ist ja eine Geschichte, ein "Einzelfall". Ich würde nie schreiben "Männer" sind so, es sei denn im Sinne einer Satire. Aber in diesem Fall wird der Prot. mit der Trennung nicht fertig und will "seinen Besitz" behalten. Dabei ist der Sex nur "Mittel zum Zweck denke ich.

Es freut mich, wenn du es spannend fandest, das ist das Wichtigste ...

Gruß

Middel
Middel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.09.2007, 11:18   #4
tempestrider
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 39


Hi Middel,

Hat mir ebenfalls gefallen (ich kritisiere keine Tete, die "nicht mein Ding" sind). Schöner Trip in einen psychologischen Grenzbereich.
Allerdings möchte ich Alexa doch insofern Recht geben, dass von dem Antagonisten tatsächlich nur das gezeigt wird, was ihn zum Monster macht - und ich denke, wenn man einen konkreteren Einblick auch in die Seiten von Rupert bekäme, die Steffi mal geliebt hat, würde das sowohl dem Charakter als auch der Spannung insgesamt gut tun.

Grace

Tempestrider

P.S.: Aufgrund des Endes würde ich Dir nahelegen, einen [triggert] Marker zu setzen - gibt einfach zu viele Menschen, für die so eine Geschichte mehr als ein "Leseerlebnis" ist, und die sollte man "warnen".
tempestrider ist offline   Mit Zitat antworten
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