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Alt 25.08.2007, 18:23   #1
Akira
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 5


Standard Kurze Reise nach Hause

Ich sitze im Zug und bin auf dem Weg nach Hause. Wie immer fährt der Zug nicht pünktlich ab. Draussen haben sich die grauen Wolken verzogen und die Sonne lässt sich nach fast einer Woche mal wieder blicken. Doch mein Gemüt ändert sich nicht. Es stimmt mich jedes Mal traurig, wenn ich aus dem Fenster schaue und die Menschen beobachte, wie sie seelenlos durch den grossen Bahnhof umherwandeln und das Tag ein, Tag aus. Als wären wir alle Ameisen in einer grossen Ameisenkolonie. Alle zusammen und doch irgendwie jeder für sich.
Der Zug ist heute ausnahmsweise nicht voll. Mir gegenüber sitzt lediglich ein junger Mann. Wahrscheinlich ein Student. Im Prinzip mag ich Studenten ja nicht besonders, aber im Zug sind sie sehr angenehm, da sie die ganze Fahrt meistens schlafend oder lernend verbringen und mich daher nicht mit unangenehmen Blicken durchlöchern. Das andere Abteil nebenan ist sogar völlig unbesetzt. Allerdings liegt da eine Jacke, die scheinbar niemandem gehört. Ich denke mir nichts dabei und schliesse meine Augen und versuche zu schlafen. Die Sonne scheint mir genau ins Gesicht. Es blendet mich sogar mit geschlossenen Augen.
Endlich. Der Zug fährt ab. Normalerweise kommt jetzt die Phase, in der ich einschlafe, doch heute ist es anders. Es geht nicht. Ich schaue ständig aus dem Fenster. Häuser, Bäume, Gebüsche, Strassenbeleuchtungen, alles fliegt so schnell an mir vorbei. Ich bin tief in Gedanken, denke über vieles nach, vor allem an die schöne Zeit früher.
Die Kontrolleurin steht plötzlich neben mir. Ich habe sie beinahe nicht bemerkt, war so tief in Gedanken. Sie verlangt unsere Billette und fragt uns gleichzeitig ob uns diese grüne Jacke da drüben gehört. Der Student antwortet mit einem nein, nachdem er sein Billett hervorgeholt hat. Auch ich zeige ihr meine Fahrerlaubnis und verneine. Die Kontrolleurin überprüft unsere Papiere und macht sich gleich daran, die grüne Jacke etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Jacke scheint mit irgendetwas gefüllt zu sein. Sie zieht den Reissverschluss runter und schaut nach. Ein bisschen enttäuscht, lehnt sich der Student wieder ans Fenster und versucht weiter zu schlafen. Es ist lediglich ein altes Stofftier in Form eines Hasen, das in der Jacke steckte. Der Hase ist völlig verwahrlost, seine Augenknöpfe sind nur noch sehr locker am Kopf angemacht und auch die langen grauen Ohren hängen runter und sind ganz schmutzig. Er sitzt da und schaut bedrückt ins Leere. Die Kontrolleurin lässt ihn und die Jacke liegen und läuft weiter um die anderen Fahrgäste zu kontrollieren.
Ich kann meinen Blick von diesem Stofftier nicht lassen. Da liegt es, ganz alleine in diesem Zug, völlig vereinsamt.

Ich frage mich wie es dazu kam und stelle mir ein zierliches Mädchen vor, das im Zug sitzt und sich die gleichen Fragen stellt wie ich einst. Sie bekommt aber keine Antworten. Sie weint und schluchzt, schaut aus dem Fenster und versteht die Welt nicht mehr. Der einzige, der ihr Trost spendet, ist ihr pelziger Freund, den sie ganz fest umklammert. Der Student ist mit seinem Fachbuch beschäftigt und ignoriert sie und auch die anderen Fahrgäste schauen weg.
Stunden vergehen. Nach und nach leeren sich die Zugabteilungen. Mittlerweile hat der Zug die Endstation erreicht. Die wenigen Fahrgäste die noch verblieben sind, steigen aus dem Zug. Das Mädchen selbst bleibt noch eine Weile sitzen. Sie legt das Stofftier auf ihren Schoss und schaut es an. Wissend, dass das der letzte Moment mit ihrem treuen Begleiter ist, flüstert sie: 'Es tut mir leid' und zieht ihre Jacke aus um damit den Hasen warm zu umhüllen. Schliesslich verlässt sie mit erhobenem Haupt den Zug und ergibt sich...
Der Weltschmerz klingelt langsam aus. Jede Form von Gefühl stirbt in ihr. Doch dass die Seele mit der Umwelt nicht mehr eins werden kann, wenn man in der Welt der Erwachsenen vollkommen verwahrlost umhergeistert, hat sie gerade in diesem Augenblick für immer vergessen.

Ich würde ihr gerne ihre warme Jacke und ihr weisses Stofftier zurückgeben, würde sie gerne fest in meine Arme schliessen, ihr ihre Tränen vom Gesicht wischen und sie schliesslich an das erinnern, was ich selbst schon längst verloren habe...

Ich hoffe es geht ihr gut und steige aus dem Zug.
Akira ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.08.2007, 19:16   #2
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Akira.

Zum Inhalt:
Das großte Manko meines Erachtens ist der Sinnzusammenhang Deines Textes. Du beschreibst sehr ausführlich die Zugfahrt (diese Ausführlichkeit ist prinzipiell auch in Ordnung). Aber der Anfang Deiner Geschichte hat mit Deiner eigentlichen Intention gar nichts zu tun und ist deswegen vollkommen überflüssig. Die Gedanken zu dem Stofftier sind im Gegensatz zum ersten Teil weniger ausführlich beschrieben. Der Abschluss ist Mist, da er ganz und gar nicht zur restlichen Geschichte passt. Besser wäre es, die Geschichte würde auch in dem Zug enden.
Du kannst mich berichtigen, aber ich habe den Eindruck, dass Du diese "Geschichte" selbst erlebt hast und hier auf die meisten Punkte genau beschreibst. Es ist gut, so sein Schreiben zu trainieren, und es ist sehr von Vorteil, wenn man auf Selbst-Erlebtes zurückgreift. Aber man sollte trotzdem kritisch hinterfragen, welche Elemente wirklich für die Geschichte von Bedeutung sind, welche man an die Aussage anpassen, weglassen oder hinzufügen muss. Denn sonst hat man einen Tatsachenbericht, der dem eigentlich künstlerischen Anspruch nicht gerecht wird.
Die Intention selbst ist für meinen Geschmack viel zu deutlich dargestellt.

Zur Sprache:
Dem Begriff "Billett" und Deiner "ss"-Schreibung entnehmen ich, dass Du Schweizerin bist.
Teilweise sind umgangssprachliche Formulierungen zu finden, die gar nicht in die sonst ordentliche Sprache hineinpassen. Da wären: ja (also Interjektionen), nebendran (besser: nebenan), dran (daran), irgendwie (das kommt dreimal vor, überhaupt magst Du Wörter mit "irgend", z.B. "irgendwann", "irgendetwas" - versuche, das zu vermeiden)


Zitat:
Noramlerweise kommt jetzt die Phase, wo ich einschlafe bis ich ankomme
"Normalerweise" ist vertippt. "die Phase, wo" nicht ganz korrekt, denn die Phase ist kein Ort. Besser: "die Phase, in der"

Zitat:
daran erinnern, was ich selbst schon längst vergessen habe
"an das erinnern, was [...]"

Zitat:
Der Jacke nach zu urteilen, muss die Jacke und das Stofftierchen einem Mädchen gehört haben.
"müssen"

Vorerst ist das alles dazu.

Grüße

Struppi
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2007, 10:55   #3
Akira
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 5


erstmal vielen herzlichen Dank für die konstruktive Kritik.

hab jetzt den ersten beitrag editiert und versucht deine Tipps umzusetzen.

und ja, du hast recht ich bin aus der schweiz, allerdings männlich

tatsächlich hab ich diese szene im zug selbst erlebt und musste an eine verflossene liebe denken. aber nicht sie selbst wollte ich beschreiben, sondern eher die person und ihre konflikte, die sie immer hatte mit dem erwachsen werden. sie betonte immer, dass sie im herzen für immer 6 bleibt.
Akira ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2007, 11:44   #4
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Akira,

bitte entschuldige mich, dass ich Dich für weiblich gehalten habe.
Das entstand wohl aus dem Eindruck, der Ich-Erzähler sei weiblich, aber dass der mit dem Autor nicht übereinstimmen muss, sollte ich eigentlich besser wissen.

Den Hintergrund einer Geschichte zu erfahren, finde ich immer sehr interessant.

Übrigens gefällt mir Deine Geschichte jetzt sehr viel besser, vorallem sprachlich. Du hast im Kuscheltierabschnitt genauer beschrieben, die Umgangssprache entfernt. Auch das Ende hast Du inhaltlich abgerundet. Sehr gut.

Zitat:
Der einzige, der ihr Trost spendet, ist ihr Kuscheltier, den sie ganz fest um sich klammert.
"das", da sich das Relativpronomen auf das Kuscheltier bezieht.

Zitat:
Der Student ist beschäftigt mit seinem Fachwissen
Für mich klingt das seltsam, obwohl ich weiß, was Du meinst. Ich würde das vielleicht konkretisieren, indem ich schreibe, dass er mit seinem Fachbuch beschäftigt ist oder ähnliches.

Schreib weiter Prosa, hier gibt es für meinen Geschmack zu wenig davon.

Grüße

Struppi
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.08.2007, 12:01   #5
Akira
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 5


habe jetzt die ganze Geschichte abgeändert (unter anderem auch den Titel) und hoffe sie liest sich jetzt besser als die erste Version.
Akira ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.09.2007, 11:24   #6
Askeron
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Hallo Akira,

ich kenne die alte Fassung nicht, aber was ich hier gelesen haben ist gut, von daher gehe ich mal von einer starken Weiterentwicklung aus. Fehler oder stilistische Mankos sind mir keine aufgefallen. Der Inhalt weiß zu gefallen. Fahr auch gelegentlich länger Zug und kenne diese Situationen zu genüge. Vor allem der Vergleich mit den Ameisen ist gut gewählt. Die Beshreibungen zu Anfang sind treffend gewählt und vermitteln die richtige Atmosphäre. Der zweite Teil mit der Traumerinnerung gefiel mir auch soweit. Wirkt alles wie eine echte Erfahrung aus deinem Leben, was dem ganzen nochmal etwas mehr Kraft verleiht. Alles in allem eine gute Aufarbeitung. Bis zum nächsten Mal.

MfG

Askeron
Askeron ist offline   Mit Zitat antworten
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