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Alt 02.09.2007, 22:32   #1
nickolsen
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 2


Standard Das Glück der Anderen

Vorweg der Hinweis: Ich habe keine Ahnung, ob mein Thema in diesem Forum-Bereich richtig ist - wenn nicht, bitte ich die Administratoren darum, das Thema an den richtigen Platz zu befördern!

Regen prasselte schon seit Stunden gegen die Fensterscheibe meines Büros. Das Licht war schummrig und ich wühlte mich mal wieder durch Akten. Ich weiß bis heute nicht, was mich jeden Tag dazu angetrieben hat, in dieses heruntergekommene, graue Gebäude, die endlosen Gänge entlang, bis in mein Büro zu gehen und mich durch diese staubigen Akten zu wühlen, von denen außer mir wahrscheinlich kein anderes Lebewesen wusste. Mein Chef rief alle zwei Wochen mal an, erinnerte mich daran sorgfältig zu arbeiten und wünschte mir weiterhin viel Erfolg. Ich glaube er war froh mich nicht in seiner Nähe haben zu müssen. Er verprasste sein Geld lieber in Partys, käufliche Liebe und viel zu viel Alkohol, während seine Mitarbeiter sich echt zu Tode schufteten. Nicht, dass er in irgendeiner Weise ein besserer Mensch wäre, als die restlichen Leute in seiner Firma. Er war nichtmal intelligenter als der Durchschnitt und doch fuhr er alle 3 Monate mit einem neuen, sündhaft teuren Sportwagen vor und hatte alle paar Tage eine neue Blondine dabei. Irgendwas hatten wir falsch gemacht.

Man braucht nur die richtige Idee und ein bisschen Verhandlungsgeschick, dann kann man in der freien Wirtschaft alles erreichen. „Vom Tellerwäscher zum Millionär ist kein Problem. Auch nicht in der heutigen Zeit!“, pflegte er immer dann zu sagen, wenn ihn jemand fragte, wie er nur so viel Geld machen konnte. Er erwähnte wahrscheinlich mit Absicht nicht, dass er aus einem guten Elternhaus stammte und sein Vater ihm seine ersten Misserfolge ausgebügelt und das Startkapital eigentlich täglich aufgestockt hatte.
Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Der Regen war inzwischen stärker geworden und prasselte mit voller Wucht gegen die Fenster meines Büros. Draußen war es stockduster, auch wenn die große Uhr, die an der Wand mir gegenüber hing erst viertel nach drei anzeigte. Langsam stand ich von meinem abgenutzten Stuhl auf und ging in Richtung Tür. Ich drückte die knirschende Türklinke herunter und zog die Tür langsam auf. Niemand war zu sehen. Ich machte einen Schritt heraus auf den Flur und blickte nach rechts und dann nach links. In einiger Entfernung ging eine Frau mit lockigen, braunen Haaren. Sie hatte ihre weiße Handtasche locker über die rechte Schulter gehängt und bei jedem Schritt klackten ihre Schritte so laut auf dem Linoleum, als würde sie über Marmor laufen. „Entschuldigung, wollten Sie zu mir?“, meine Stimme hallte unbeabsichtigt laut durch den Korridor. Die Frau blieb stehen, drehte sich um und lächelte mich an. „Nein, tut mir Leid Sie gestört zu haben. Ich habe mich lediglich in der Tür geirrt und als niemand öffnete bin ich einfach gegangen.“. „Oh, schade. Ich wünsche Ihnen trotzdem noch einen angenehmen Tag!“ - „Vielen Dank. Auf Wiedersehen.“. Ich starrte ihr noch Minutenlang hinterher. Ihre Stimme, ihr Aussehen, ihre Art, ja einfach alles an ihr hatte etwas in mir geweckt. Seit Jennifer mich damals verlassen hatte, hatte ich mich gar nicht mehr für eine Beziehung oder Ähnliches interessiert. Ich hatte mich komplett in meinen Job gestürzt und versucht den Schmerz durch Überstunden zu betäuben. Es war die falsche Entscheidung gewesen, hier in der Stadt zu bleiben, das hatte ich inzwischen verstanden. Beinahe jeder Ort erinnerte mich an irgendein Erlebnis mit ihr. Die kleinen Clubs in denen wir immer waren, kurz nachdem wir uns kennen gelernt hatten, die Parks die in den warmen Sommern immer unser Haupt-Aufenthaltsort gewesen waren oder Sachen wie Kinos, Theater oder Restaurants, die wir zu besonderen Anlässen aufgesucht hatten. Wenn ich jetzt an einem solchen Ort vorbei ging, blitzen sofort Bilder aus der schönen Zeit mit ihr in meinen Gedanken auf. Immer wenn ich alleine war und anfing nachzudenken, spürte ich ihre Berührungen auf meiner Haut und hatte sofort ihren Geruch in der Nase. Sie war mein Ein und Alles. Ich hatte nie geglaubt, dass es ein Leben ohne sie geben könnte. Doch es gab ein Leben ohne sie. Ein trostloses zwar, aber es war trotzdem Leben.

Ich schlurfte in mein Büro zurück und schloss die Tür hinter mir. Zwanzig nach Drei. Die Zeit schien heute wieder mal gar nicht umzugehen. Gedankenverloren blickte ich durch die tropfenbedeckte Scheibe nach draußen. In ein paar hundert Metern Entfernung standen düster weitere Bürohochhäuser gegen den Himmel. In ein paar Fenstern brannte noch Licht, doch auf die Entfernung konnte ich nicht erkennen, ob in den Büros noch jemand arbeitete. Ich kam mir so abgeschnitten vor. Einsam und nutzlos. Ich trat ans Fenster und blickte hinab auf das Wirrwarr der Straßen, die sich 20 Etagen tiefer um die Häuser schlängelten. Ununterbrochen fuhren Autos, Busse oder LKWs von einer Kreuzung zur nächsten. Mal bogen sie ab, mal fuhren sie in eine Einfahrt und mal einfach nur geradeaus, bis sie nicht mehr zu sehen waren. In gewisser Weise war ich froh darüber, dass mein Büro in der 21 Etage und nicht tiefer war. Selbst bei geöffneten Fenstern war der Verkehrslärm erträglich laut. Der Gestank blieb mir allerdings auch hier oben nicht erspart. In meiner Mittagspause war ich, wenn das Wetter schön war, oft nach ganz oben auf das Dach des Hauses gegangen und hatte mich hingesetzt und einfach nur die Aussicht genossen. Dort oben gab es noch Frieden. Man konnte alles um sich herum vergessen und einfach nur entspannen.
Auf den Fußgängerwegen konnte man von meinem Fenster aus viele kleine Punkte erkennen, die sich langsam hin und her bewegten. Auch bei diesem Wetter, waren die Straßen voll. Selbst nachts gab es meines Wissens nach keinen einzigen Ort, wo kein Mensch anzutreffen war. Die Stadt schien nie zu schlafen. Die ersten Wochen, nachdem ich hergezogen war, hatte mich diese Tatsache nervös gemacht. Es hatte mich runtergezogen, dass ich nie ganz alleine sein konnte. Egal wo man lang ging und auch egal zu welcher Uhrzeit man das tat, man begegnete immer irgendjemandem. Man gewöhnt sich allerdings viel zu schnell an diese Form der Gesellschaft und irgendwann kommt der Punkt, an welchem man in einer Menschenmenge aus drei Millionen Leuten steht und sich einsam und allein vorkommt. Diesen Punkt hatte ich schnell erreicht.

Jennifer hatte mich damals aus dieser Lethargie gerissen. Ihre fröhliche, hibbelige Art hatte mich dazu animiert, auch mehr zu machen. Es war die erste Zeit in meinem Leben, in der ich raus gegangen war. Ich hatte neue Leute kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Sie war der ideale Gegenpart für mich. Ich hatte beruhigenden Einfluss auf sie, während sie mich dazu brachte, etwas aktiver zu werden. Aber leider war die Beziehung keine Sache von langer Dauer. Eigentlich war es abzusehen, dass sie sich eher früher als später mit mir langweilen würde. Ich hätte mir den Gedanken von der perfekten Beziehung viel eher ausreden oder gar nicht erst einreden sollen. So etwas gibt es nur bei Hollywood, aber garantiert nicht im richtigen Leben. Gegensätze ziehen sich zwar an, aber auf längere Zeit gesehen, findet man so viele unterschiedliche Interessen, dass ein Zusammenleben einfach keinen Sinn mehr macht.
Vielleicht war ich der Einzige, der so dachte. Es gibt so viele glückliche Paare, da kann es gar nicht sein, dass die alle die gleichen Interessen und Vorlieben haben. Vielleicht bin ich einfach ungeeignet für eine feste Beziehung. Vielleicht lag es auch einfach an ihr. Ich wusste es nicht und ich würde es auch wohl nie erfahren. Ich war nur traurig darüber, dass das Glück mir in dieser Sache nicht treu geblieben war. Jennifers neuer Freund war der reinste Vollidiot. Er war dumm, dick und war eigentlich nur an ihrem Körper interessiert. Und trotzdem fühlte sie sich zu diesem animalisch anmutenden Kerl mehr hingezogen, als zu mir. Er hatte Geld, ok, das musste ich ihm zugestehen, aber war Geld wirklich mehr Wert für sie, als eine ernste Beziehung mit vielen Gesprächen über das Leben, Theaterbesuchen und dem Gefühl, der wichtigste Mensch auf Erden für mich zu sein? Jedenfalls hatte ich versucht ihr dieses Gefühl zu vermitteln.

Auch wenn es hart war, es einzugestehen, aber ich musste diese Frage mit ja beantworten. Für sie war Geld wichtiger. Und allein aus diesem Grunde war die eigentliche Schande nicht, dass sie Schluss gemacht hatte, sondern, dass ich es nicht schon viel eher getan hatte. Nach der Trennung hatte ich mir geschworen, ein Beziehungsende nie wieder so weit hinaus zu zögern, weil ich derjenige war, der darunter am meisten zu Leiden hatte. Diese Erkenntnis war mir zwar eigentlich zu spät gekommen, aber – und das war für meine Zukunft von enormer Bedeutung – ich war zu dieser Erkenntnis gekommen.
Viertel vor Vier. Ich beschloss für heute Feierabend zu machen. Es war noch früh und da das Wetter etwas klarer zu werden schien, beschloss ich heute einen kleinen Spaziergang zu machen. Ich ließ meinen Schreibtisch so, wie er war, schnappte mir meine Jacke und meinen Schirm, machte das Licht aus und schloss die Bürotür hinter mir ab.


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Bei positiver Resonanz wird diese Geschichte fortgeführt. "Das Glück der Anderen" ist übrigens eher ein Kapiteltitel, als der Name der kompletten Geschichte, aber das nur nebenbei.

Ich bitte um konstruktive Kritik!
nickolsen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.09.2007, 10:59   #2
Askeron
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Hallo nickolsen,

erstmal ein Willkommen im Forum an Dich

Kommen wir direkt zu deinem Stück Story:

Also in den Punkten Rechtschreibung und Aufbau gibts schonmal nichts Großartiges zu meckern.


Zitat:
Draußen war es stockduster, auch wenn die große Uhr die an der Wand mir gegenüber hing erst viertel nach drei anzeigte.

Komma nach "große Uhr".


Zitat:
Selbst bei geöffneten Fenstern war der Verkehrslärm erträglich laut.
Sollte es hier nicht "geschlossenen Fenstern..." heißen?

Das Genre kann man noch nicht so recht einordnen. Im Wesentlichen beschreibst du Gegenwart und Vergangenheit des Ich-Erzählers gepaart mit seinen Gefühlen, was dir bisher recht gut gelingt, auch wenn du dich aus der üblichen Klischeebox bedienst. Die Beschreibungen der Umgebung und des Wetters haben mir gut gefallen.
Ließ sich alles recht flüßig lesen, aber eine Art übergeordnete Handlung ist für mich noch nicht zu erkennen. Was nicht schlecht ist. Unvorhersehbarkeit ist ein großes Plus in diesem Bereich, auch wenn ich diesen Abschnitt eher mit einem Foto deiner Hauptperson vergleichen möchte, in das man noch Einiges reininterpretieren kann.

Alles in allem gut geschrieben, dennoch ist es etwas spannungsarm bisher. Weiß ja noch nicht wohin du mit deiner Story willst, von daher heißt es bis zum nächsten Teil abwarten.

MfG

Askeron
Askeron ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.09.2007, 17:44   #3
nickolsen
 
Dabei seit: 09/2007
Beiträge: 2


Zitat:
Original von Askeron
Hallo nickolsen,

erstmal ein Willkommen im Forum an Dich
Herzlichen Dank

Zitat:
Zitat:
Selbst bei geöffneten Fenstern war der Verkehrslärm erträglich laut.
Sollte es hier nicht "geschlossenen Fenstern..." heißen?
Nein, eigentlich zielte die Aussage mehr darauf ab, dass, bedingt durch die Höhe in der das Zimmer liegt, der Lärm soweit abklingt, dass man sogar das Fenster öffnen kann, ohne das man übermäßig durch den Lärm gestört ist. Um ganz ehrlich zu sein: Ich hab nichtmal ne Ahnung, ob das so stimmt aber es klang plausibel...

Zitat:
...auch wenn du dich aus der üblichen Klischeebox bedienst.
Ja, das stimmt, das geb ich auch offen und ehrlich zu Na ja, bei mir wars aber nicht so, dass ich mir Storys von irgendwelchen Hollywood-Sachen angeschaut habe, sondern zum Teil auch eigene Erfahrungen versuche in Worte zu fassen... Manchmal ist das Leben eben etwas klischee-beladen
Nein, aber ich werde versuchen darauf zu achten

Zitat:
Die Beschreibungen der Umgebung und des Wetters haben mir gut gefallen.
Vielen Dank. Mir liegt sehr viel daran, dass die Umgebung sehr detailliert beschrieben ist, weil ich es bei Geschichten von anderen gar nicht mag, wenn ich mir unter dem Geschriebenen nichts vorstellen kann...

Zitat:
...aber eine Art übergeordnete Handlung ist für mich noch nicht zu erkennen.
Könnte daran liegen, dass ich mir noch überhaupt gar keine Gedanken darüber gemacht habe. Ich hab einfach mal angefangen zu schreiben... in den nächsten Tagen werde ich, wenn ich Zeit dafür finde, mal ein kleines Konzept ausarbeiten, was ich Story-technisch noch unterbringen will.

Vielen Dank auf jeden Fall schonmal für die Kritik, Askeron. Ich würde mich über weitere Kommentare eurerseits natürlich sehr freuen, hab aber wahrscheinlich erstmal ganz gut zu tun, die Vorschläge im nächsten Teil unterzubringen

grüße nickolsen.
nickolsen ist offline   Mit Zitat antworten
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