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Fantasy, Magie und Religion Gedichte über Religion, Mythologie, Magie, Zauber und Fantasy. |
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25.03.2013, 19:01 | #1 |
Reuiger Schächer
Dort unterm Kreuzesbalken keiner war zu finden,
die gestern Hosianna noch geschrien im Palmenwedel, sagten nun Ja und Amen zu der römisch’ Hohenpriester Freveltat und dünkten dabei heilig sich und edel. Nicht einer wollt des Geistes wahres Feuer mehr verkünden, die eigne Haut zu retten übten sie Verrat und sollten mir, dem Sündenbock das dürre Holz auf den gebeugten Rücken binden. So ging gebrochen ich den Todesweg nach Golgatha, der Friedensfürst schritt fallend vor mir her, ich sah sein blutgetränktes Antlitz in ein Tuch gegraben, den Abdruck seiner Qualen aufgefangen von einer letzten mitleidsvollen Jüngerin. Ein Andersgläub’ger trug den Balken schwer, sah leidgebeugte Frauen weinen mit verbranntem Lebenssinn und hörte Spott und Hohn von denen, die da den König ihrer Herzen ausgeliefert haben. Ich starb mit ihm in stiller Agonie, ein Schächer nur mit Sünde überhäuft und sollte doch mit ihm im Paradiese sein. Wie er dem Tode preisgegeben, wie er um seiner Liebe Willen hingemordet und ersäuft, denn war mein Tun auch böse, blieb mein Wollen rein und staunend fand in seinem Sterben ich das Leben. 2007 |
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25.03.2013, 21:23 | #2 |
Forumsleitung
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26.03.2013, 00:55 | #3 |
Der Ansatz, das aus der Perspektive des Leidensgenossen zu erzählen, ist interessant.
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26.03.2013, 10:03 | #4 |
Ilka-Maria,
Jerusalem war Hauptstadt römischer Provinz und Teil des Imperium Romanum, es herrschte zwar Religionsfreiheit, aber auch die Priesterklasse war römischem Recht unterstellt bzw. hatte Anspruch darauf, wovon sie in diesem Falle opportunistisch Gebrauch machte. Die Betonung ihres Judentums hat fürwahr schon genug Schaden angerichtet. Freilich hätt ich's auch einfach weglassen können, zu der Hohenpriester Freveltat (damals ging es mir vermutlich auch darum, einen Bezug zur römisch katholischen Kirche herzustellen), diese Berichtigung konnte ich übrigens jüngst woanders verfolgen und fand sie dort pedantisch und überflüssig. Gummibaum, der reuige "Leidensgenosse" ist seit meiner Jugend die Identifikationsfigur der Geschichte. Lässt tief blicken... Guten Morgen! Desperado |
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26.03.2013, 11:40 | #5 |
Forumsleitung
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Aha, ich verstehe, wie Du es meinst. Aber selbst bei Unterwerfung unter römisches Recht handelte es sich nicht um römische Hohepriester.
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26.03.2013, 11:42 | #6 |
Dir auch einen guten Morgen, Desperado,
ich finde dein Gedicht auch sehr spannend durch die "Verfremdung". Jeder kann dieses LI so lesen, wie es für ihn passt. Da gibts viele Möglichkeiten. Irgendwie fließt für mich auch Petrus mit hinein (Verleugnungsgeschichte), wie der zweite, erkennende Schächer, den Lukas einflicht, aber genausogut könnte es auch ein heutiger Zeitgenosse sein, der schwer an einer persönlichen Schuld zu tragen hat und am Ende eine Glaubenserfahrung macht. Die Schaffung dieser Figur ist dir, auch sprachlich, toll gelungen. simba |
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26.03.2013, 12:55 | #7 |
Freut mich, simba,
dass Du das Gedicht so vielschichtig lesen kannst. Dadurch gewinnt es an Aussagekraft. Meinetwegen... der werten Hohenpriester Freveltat. Werd's ändern. |
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