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Alt 04.01.2012, 22:04   #1
Titus Maria R.
 
Dabei seit: 01/2012
Alter: 35
Beiträge: 3


Standard In der Kneipe

Es nieselt leicht in den dunklen Straßen des kreuz Viertels als ich den jaulenden Wolf betrete. Mit jedem Schritt entflammt sich das wärmegetränkte Licht welches durch die Glaseinlagen der Tür glüht. Die die hier eintreten lassen zumeist alle Hoffnungen fahren und nehmen sich der Feuersglut an, geben sich ihr hin in eben dieser Kneipe. Nur das spröde Holz der Tische und der Bar scheinen sich nicht von den Flammen verzehren zu lassen, sie sind keine Nahrung da sie nicht mehr lebendig sind. Sie besitzen nicht mehr genug Luft zum Leben als das sie von dem Feuer zerfetzt werden könnten. Stille Musik flimmert durch den Kummerkasten und die Schicksale sitzen eng aneinander vor Kurt dem Barmann. Blicke gehen in Richtung Boden und die blau gelben Schalke Fähnchen die die dunklen Wände säumen wirken wie stumme Zeugen des vergangenen Glückes. Ihre Gesichter sind allesamt gezeichnet durch die Zeit die sie hier absitzen und mit dem warten verbringen.

"Weg isse " brummelt einer von ihnen, " abgehauen und weg“. Stille. Eine Zeit des Abwartens auf eine Antwort gibt es nicht denn sie haben ja genug von der Zeit, haben die Schnauze voll von Zeit. Ich setze mich neben Rudi der an der Ecke des Tresens sitzt. Wie immer . Unsere Blicke gehen in Richtung Boden. " Na Rudi alles klar " frage ich ihn und ziehe meine Mundwinkel ein wenig in die Höhe. Sein blick verrät mir das es hier nichts zu lachen gibt denn nichts ist klar und schon gar nicht alles.“ Weißt du was klar ist mein kleiner "? Fragte er plötzlich und schneidet die Luft mit seiner knattrigen Stimme " klar ist dasse weg is, glasklar klar ist das, verschwunden und abgehauen ist die verfickte Hure. Ich war immer ein Mann von Anstand und hab am Hafen gearbeitet weiste aber dann sind se alle ganz schnell gegangen , dahin wos die Arbeit gibt " . Ich bestelle uns beiden ein Bier damit unsere Stimmen sich in der Schicksalshaftigkeit des Gerstensaftes reflektieren und wir das ein oder andere Problem doch einfach ertränken. " Rausgeworfen haben se mich wie nen scheiß Köter den se nicht brauchen" flucht er stechend. Barkeeper Kurt klopft mit seiner viel zu groß geratenen und von Venen durchzogenen Hand auf den Tisch und blickt uns an " reg dich ab Rudi is halt so wies is, kannste auch nichts dran ändern“. Nickend senkt Rudi die Augen und blickt durch den Goldenmalz als existiere er nicht. " 40 Jahre meines Lebens habe ich ihnen gegeben, 40 Jahre und dann“? er schüttelte leicht den Kopf "weggeworfen haben se mich. Ich hab im Lager gearbeitet ohne mich wäre da alles drunter und drüber gegangen das kann ich dir sagen. Meine Aufgabe war es die Bestände zu kotrollieren und durch zu nummerieren. Warn schon viele Pakete so an die Tausend immer bis zur Decke randvoll gepackt mit allem kram den de dir vorstellen kannst“. Keiner blickt ihn an doch lauschen alle Rudi dem Lageristen. Stille. Noch immer flimmert und flattert die Musik durch den Kohlenstaub seiner Worte. " Irgendwann kam dann die Geschichte mit meiner Hand. Ich war mal Boxer weiste , Weltergewicht , Bezirksjuniorenmeister , konnte gut einstecken doch meine Hand will nicht mehr wie mein Kopf, so einen brauchten die dann nicht mehr auf der Maloche“ regt sich Rudi der Lagerist weiter auf. Mit leichten Schlägen durch die Luft die mehr aus seiner Schulter kommen als aus seinem Körper, presst er die Luft durch den Raum. Langsam boxt er auf seine alten Tage während er die rechte Hand geöffnet und die andere geschlossen durch die stehende Luft zieht .Im Takt seiner Schläge wackelt sein Stuhl immer ein wenig auf und ab -von links nach rechts- je nachdem welche Kombination er da so vor sich rumschlägt. Ein kurzes Lächeln. Seine Hände sinken wieder und umklammern die Biertulpe welche er fast zu umarmen versucht um die Vergangenheit einzuholen. Augenscheinlich wird er jedoch von eben dieser wieder überholt als er den bebenden Bierspiegel im Glas betrachtet. " Damals hab ich auch Inge kennengelernt , sie gab mir damals die Medaille nach der Juniorenmeisterschaft und ein Küsschen auf die rechte Wange .Ich sachte noch just zum Herbert dass ich die Kleine haben muss ".Plötzlich nickt ein anderer Weggefährte aus der anderen Ecke der Bar und bejaht zustimmend das erzählte während er mit seinen tiefen krallen die bar umschlingt um nach Orientierung zu suchen , vielleicht heißt er Herbert , vielleicht auch nicht. " Und jetz? Weg isse. Einfach weg. Kinder haben wir auch nich, konnten keine bekommen hat der Arzt damals gesagt. Verlassen hat se mich nur wegen dieser scheiß Hand "schimpft er und betrachtet sich im Spiegel der hinter einigen Flaschen den Horizont ausfüllt . " Ja ja so is das " versuche ich zu trösten " da spielt das leben das ganze Leben lang mit und dann spielt es gegen ein " entgegne ich weiter, nicht wissend ob er mich versteht oder einfach nur nickt. " Und nun "? Frage ich ihn und blicke ebenfalls durch mein Glas welches ich ansetze um mich an einem tiefen Schluck zu berauschen. " Ich habe sie ertränkt. Das weiß jeder hier. Sie waren alle dabei " bebt seine Stimme dahin " langsam habe ich sie absaufen lassen " zittert er weiter .Zu trostlos und zu eintönig ist diese Versammlung der trauernden als dass sich nur eine menschliche Emotion in mir auftut.Kein entsetzen.Kein aktives schweigen. „Zuerst habe ich ihr Gesicht, ihre Haare und ihren Hals ertränkt. 5 Jahre hat mich das gekostet weiste kleiner. weitere 5 Jahre brauchte ich um ihren Körper und ihre langen eleganten Beine zu ertränken. 5 Jahre meines Lebens habe ich nur dieser Aufgabe gewidmet. Am schlimmsten war es ihren Geruch solange in der goldenen Lache einzuweichen bis er zu einem Gestank verkam. Nun isse weg. Weg isse ganz alleine bin ich nun ohne sie.Nur ihre Schuhe sind geblieben. Diese verfickten Drecksschuhe drehen sich noch heute im Kreis.Die hat se auch getragen als wir damals aufm Boxball waren und nun gehen ihre kleinen Schuhe einfach nicht unter. Sie liebte es zu tanzen vor allem mit dem Wind und nun ist sie weg.Wäre doch diese verfluchte Hand nicht " schweigend blickt er wieder gen Horizont. Tiefe Schlücke folgen aus allen Himmelsrichtungen.
Stille und Schweigen ist nicht dasselbe denn das eine ist immer da und das andere wird gesucht, dass wird mir nun klar. Ich blicke schnell aber gegenwärtig auf die stehengebliebene Uhr die über dem Toiletteneingang schwebt. Zeit zum Heimgehen. Der Regen zertrümmert die grauen Laternen die versuchen ihr Licht durch das Viertel zu fluten. Meine Frau will mich eh mit dem Auto abholen und seit heute frage ich mich nicht mehr ob sie schwimmen kann oder nicht. Selbst durch die Wasserfluten draußen oder die in meinem Glas würde sie kraulen das weiß ich nun.
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Stichworte
bar, kneipe, liebe, regen, dunkel

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