Abschied
Der Himmel, der an diesem Morgen so freundlich gewirkt hatte, verdüsterte sich. Sie schaute auf die Uhr, es war spät geworden. Die Bank in ihrem Rücken tat weh. Sie setzte sich auf, reckte sich um den Schmerz zu vertreiben, der ihr sonst so gleichgültig war und schaute sich um. Es war windig, die Straße leer. Ein großer Baum auf der anderen Straßenseite streckte seine anmutigen Äste aus, als würde er versuchen sie zu berühren, sie zu trösten. Der Wind blies ein Gefühl stechenden Schmerzes in ihr Gesicht, der von feinen Eiskristallen kommen mochte. Sie begriff, dass sie keine andere Wahl hat. Das hatte sie noch nie. Sie lauschte noch einmal und richtete sich auf, bog sich wieder, der Rücken knackte. Auf dem Weg drehte sie sich immer wieder um, aus Angst, jemand würde ihr folgen. Ihre Finger und Zehen waren taub vor Kälte. Wie in Trance lief sie strauchelnd den Weg entlang. Es hatte aufgehört Eiskristalle zu regnen. Die Luft die sie umgab, besänftigte ihre Wut und Trauer, die in ihr wie ein großes Feuer loderten. Zu Hause war es still. Tiefe Leere ergriff sie. Sie würde nie wieder Glück verspüren können. Vater saß am Tisch, die Hände über die Augen geschlagen. Verzweifelt sah er aus. Als er sie erblickte richtete er sich auf. Zeigte ihr ein Lächeln, das nicht weniger hätte künstlich wirken können. „Es wird alles gut.“, sprach er, nahm sie in den Arm. Sie wiedersprach ihm nicht, wusste wie sehr es ihn zerreißen würde, in einer solchen Situation. Eine Träne kullert über ihr Gesicht. Sie musste jetzt für ihn da sein, auch wenn es ihr selbst so schmerzte. Eine Woche verging, der Schmerz war noch da. Es war ein regnerischer Tag. Der Stein lag kalt und blass an seinem Platz. Sie wollte so etwas nie wieder erleben. Aber was blieb ihr anderes übrig? Eines Tages wird es bei jedem soweit sein. Blumen legte sie auf den Stein, rote und weiße. „Ich werde dich immer lieben, Mama. Bald sehen wir uns wieder.“
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