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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 05.09.2007, 20:54   #1
Inline
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 626

Standard Wabbert

An manchen Tagen bringt es mich um,
dass ich losgelassen habe.

Es tötet mich, und alles
dessen ich mir wirklich sicher war.

Es sagt mir, ich wär der wer
letztlich Gutes auf der Welt versaute.

Mit 17 muß ein Mensch dich lehren
aus der innren Heimat auszubrechen,
damit du seine Sommersprossen
hässlich nennen kannst.

Alleine heute kann er sich nicht mehr
in deine Wesensstränge steuern,
da Zeitverzunderung die öden Drähte
leichter glühen macht.

Und du musst ungelenk verweilen
an dem festbestimmten Platz im Regen,
und die blumenfreien Lieder singen;
Hände in den Jackentaschen kneifend.

Meine Puppe trägt noch immer deine
kalten Farben,
an denen ich mich Erntetags erfreuen
konnte.

Und wildgelockte Kinder dürfen
immer noch
mit zahmen Hunden Gassi gehen.

Ich sehe einen Grashalm,
der in braungefärbter Phase bricht,
die ersten Regentropfen sicher fangen.
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Alt 13.09.2007, 14:40   #2
Last One Left
 
Dabei seit: 03/2005
Beiträge: 151

Hi Inline,

meine Mum erzählte mir häufig, dass sie ihre Midlife-Crisis mit 28 hatte. Für sie war man halt bis 27 jung und danach nicht mehr. Ich denke jetzt kann ich es aber besser verstehen. Es handelt sich eher um eine Anbahnung des zweiten Erwachsenwerdens, als um die exzentrische, kitschige (und peinliche) Midlife-Crsiis eines Mittedreißigers. Sehr toll geschrieben in seiner vorherbstlichen Stimmung, erinnert mich sogar ein bisschen an Rilke. Nur ein paar zu viele Bilder für meinen Geschmack, so dass man nicht mehr auf jedes einzelne Eingehen möchte.
Die Spannungskurve sehe ich bis in die fünfte oder sechste Strophe ansteigen und sich dann wieder besänftigen, das gefällt mir, dieses Bogenartige, meist bekommt man ja nur eine Gerade serviert
Bis Strophe sechs beschreibst du ja einen Verlauf, der lyr. Ich in eine Position gebracht hat, in den folgenden Strophe schaut lyr. Ich sich aus dieser Position heraus um. Ich weiß nicht recht, warum die Jackentaschen zu einem braunen Mantel gehören, aber genau diese Details, die du gar nicht beschreibst scheinen dein Gedicht zu tragen.
Groß rummäkeln kann man hier nicht, nur manche Stellen hervorheben.

Mit 17 muß ein Mensch dich lehren
aus der innren Heimat auszubrechen,


Gefiel mir besonders, weil ich nach den Eingangszeilen zwar thematisches Interesse verspürte aber Durchschnittlichkeit vermutete. Erwachsenwerden an den Anfängen, als man noch Anleitung bekam, die man selbst gar nicht einsah.

Alleine heute kann er sich nicht mehr
in deine Wesensstränge steuern,


Und dann die Antwort, wie der erwachsene Mensch nun die Kindlichkeit verspürt, die man früher noch ignorierte, weil ja jetzt die Drähte entgültig verglühen.

Die letzte Strophe geht zum Glück dank der Gesamtstimmung für mich ins romantische, statt ins Kitschige. Scheint mir leise Hoffnung und zarte Veruweiflung zu kombinieren.

Äußerst gerne gelesen. Danke

LG
Last
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Alt 14.09.2007, 18:06   #3
Inline
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 626

Hi Last!

Danke für deinen Kommentar!

Ich kenne deine Interpretation gut nachvollziehen. Tatsächlich geht es um das Bereuens eines Vorgangs der nicht mehr änderbar ist. Es kann das Älter werden sein, oder auch ein Fehler in der Kindheit (das Haus angezündet...).

Der Text hat einen großen persönlichen Bezug. Es ging mir tatsächlich um eine Emotion die ich zum Ausdruck bringen wollte. Dabei ist aber dennoch eine recht große Distanz zwischen mir selbst und dem lyr. Ich vorhanden. Grade der Satz mit der Puppe deutet darauf hin.

Wichtig war mir die atmospärische Situation rüberzubringen, und unkenntlich zu machen, welche Aussage relevant und welche unwichtig ist. Schreibt man einen tiefemotionalen Ausdruck und setzt danach eine Unwichtigkeit ein, bekommt das Unwichtige plötzlich Bedeutung. Ich selbst nehme das als Ausdruck von weitesgehender Resignation auf.

Freut mich wirklich, dass ich doch noch einen Kommentar bekommen habe, und besonders freut mich natürlich, dass er gut gefällt.

Danke und Gruß
Inline ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.09.2007, 11:31   #4
Last One Left
 
Dabei seit: 03/2005
Beiträge: 151

Hallo Inline,

aus deinen Kommentaren zu "Wabbert" und "An den Vater" entnahm ich, dass du anders schreibst, als ich zunächst angenommen habe. Ich dachte, du würdest allgemein-bekannte Prozesse durch persönliche Erfahrungen ausschmücken. Jetzt scheint mir allerdings das Gegenteil der Fall zu sein, durch eine extreme Subjektivierung gelangst du wieder in allgemeine Bereiche und erreichst vor allem, so sonderbar das auch klingt, wieder Distanz zur eigenen Persönlichkeit.
Mag sein, dass ich damit auch wieder daneben liege, aber es ist mein Verständnis von dem, was du die Mischung eines tiefemotionalen Ausdrucks mit einer Unwichtigkeit nennst. Atmosphärisch funktioniert dieses Konzept, mach damit weiter.
Ich habe bis jetzt keines deiner Gedichte gefunden, welches diese Spielerei so deutlich umsetzt, wie hier. Vielleicht ist diese Entwicklung in deinem Schreiben neu, vielleicht einmalig, vielleicht bisher noch nicht so gelungen. Potential steckt da aber alle mal drin und da es dir ja nicht an Ideen zu mangeln scheint, lohnt es sich wohl in dieser Richtung weiterhin zu experimentieren.

LG
Last
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