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Alt 09.04.2012, 08:29   #1
männlich Desperado
 
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Beiträge: 1.747


Standard Kreuzwegstationen

Kreuzwegstationen

Der Unterschied ist nicht so groß wie er erscheint
zwischen dem alten Mann und mir
nur dass den Tod er fürchtet der mir längst zum Freund geworden
so lebt er doch wie ich im Heut und Hier
und hat die Zukunft längst verneint
verloren und vergessen wie ein alter Bettlerorden

Quält ihn auch Angst und Schrecken in zerwühlten Laken
wenn ich in süßen Träumen ruh
so liegt sein Leben doch als Trümmerhaufen hinter ihm
so mach ich doch wie er die Augen zu
mein leidig Gestern abzuhaken
und wie in seinem Leben gibt es keine Taten derer ich mich rühm

Doch nun zu mir und meines Pfades Marken
ich weiß dass Jener in dem alten Linnen lag
das ungebrochen ich verehr
mag diese Welt es bis zum Untergang verleugnen
sein Antlitz hat mir Mut gemacht in schweren Tagen
da selbst ich in des Grabes kaltem Schatten lag

Es sprach zu mir vom Licht des neuen Morgens
will bis zum Ende meiner Tage dies bezeugen
dass ich zum Wächter seines Grals gehör
will seines Leidens klare Spuren
bis in den Tod in meiner müden Seele tragen
bis dass der Tod mir mag die Seele aus dem Leibe harken

Ich wollte retten wollte an mich ziehn
musste verkünden dieser hat für uns gelitten
doch fand ich blinde Herzen nur und taube Ohren
der wie ein Kreuzesritter ich gestritten

Hätt fast den Glauben selbst verloren
da bei den Frommen ich nur traf
der Auserwählten Dünkel und Verblendung
den Irrtum eigener Unfehlbarkeit
im Übereifer nobler Sendung
und sah sie nur berufen
doch nicht auserkoren

Da sie den engen Pfad der Wahrheit nicht zu Ende gehen wollten
so folgten ausgetretnen Wegen sie der überkommnen Lehre
gehorchten blind der falschen Hirten Ruf
die sie zuletzt gefangen und geknechtet halten sollten
Zum Ansehn bei den Menschen ihresgleichen und nicht Gott zur Ehre
sie lenkten ihren Sinn und überließen Henkersknechten
den der sie aus dem Staub erschuf

Dort unterm Kreuzesbalken keiner war zu finden
die gestern Hosianna noch geschrien im Palmenwedel
sagten nun Ja und Amen zu der römisch’ Hohenpriester Freveltat
und dünkten dabei heilig sich und edel
nicht einer wollt des Geistes wahres Feuer mehr verkünden
die eigne Haut zu retten übten sie Verrat
und sollten mir dem Sündenbock
das grüne Holz auf den gebeugten Rücken binden

So ging gebrochen ich den Todesweg nach Golgatha
der Friedensfürst schritt fallend vor mir her
ich sah sein blutgetränktes Antlitz in ein Tuch gegraben
den Abdruck seiner Qualen aufgefangen
von einer letzten mitleidsvollen Jüngerin
ein Andersgläub’ger trug den Balken schwer
sah leidgebeugte Frauen weinen mit verbranntem Lebenssinn
und hörte Spott und Hohn von denen
die da den König ihrer Herzen ausgeliefert haben

Ich starb mit ihm in stiller Agonie
ein Schächer nur mit Sünde überhäuft
und sollte doch mit ihm im Paradiese sein
wie er dem Tode preisgegeben
wie er um seiner Liebe Willen gemordet und ersäuft
denn war mein Tun auch böse blieb mein Wollen rein
und staunend fand in seinem Sterben ich das Leben

Zurück zum alten Mann und seiner Wege Ecken
der Unterschied ist nicht so mächtig wie er scheint
zwischen dem Vater mein und mir
wenn auch den Tod er scheut der mir zum Leben ist geworden
so lebt er doch vereint mit Pflanze und mit Tier
und hat des Menschen eitle Hoffart längst verneint
wie ich ein lästig Überbleibsel nur
der Älteste in meinem Bettelorden
ob wir in Frieden sterben oder nur verrecken



gewidmet meinem Vater, 2007 verstorben
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.04.2012, 08:56   #2
männlich Ex-Gamma
abgemeldet
 
Dabei seit: 01/2011
Beiträge: 1.194


Im Tod wird für alle der Friede sein, das ist mein Glaube. Vor allem für die, die das Leben nicht geschafft haben.
Ex-Gamma ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.04.2012, 10:07   #3
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


...was nun definitiv keine Schande ist...
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
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