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Alt 01.10.2006, 17:54   #1
Sajonara
 
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Standard Von Leihwagen und Beulen

Von Leihwagen und Beulen (ABT im Oktober 2006)

Und es ist Sommer. Schon wieder, und am liebsten immer wieder. Man checkt ein, auch wir geleiten unser Gepäck zur Aufgabe. Du verabschiedest Dich von deinen Eltern, auch ich werde von deiner Mutter umarmt, schüttle deinem Vater die Hand. Es kommt nicht so wie geplant, anders als gedacht. Sind wir doch jetzt schon nicht mehr dieselben Zwei, wie noch im letzten Jahr. An der Oberfläche ähnelt das Prozedere dem letztjährigen.

Ich möchte mich erinnern an diesen Augenblick, und doch war er anders. Ganz anders. Wo sind all die Indianer hin – ich wollte nie einer sein, zwar offen und ehrlich, niemand, der sich betrog. Ganz gleich, was wir auch tun, wie haben uns Sekunden nur zu lange angesehen und wussten Bescheid. Ich bin noch immer da. Wo bist Du? – In diesem Jahr war ich, seit ich denken kann, zum ersten Mal nicht mehr dort. Im letzten Jahr hatten wir diesen Leihwagen. Die Unterlagen wiegen noch heute so schwer – niemand konnte es wissen. Sie starren mich aus der Schreibtischschublade heraus an. Ich möchte sie zerreißen, ich werde sie zerreißen, und doch hängt meine Erinnerung daran.

Im letzten Sommer ist ein Schatten ganz groß geworden. Der Geist spielt einem manchmal übel mit. Damit fanden wir uns ab, fandest Du dich ab, hab ich gedacht. Ich möchte mich entschuldigen. – Es geht nicht. Kein Weg zurück. Noch im letzten Jahr war es wunderbar. Fotos voller Glanz und Strahlen in unseren Augen, die von Vertrauen zeugen. Heute sind wir keine Indianer mehr, können es nicht mehr sein. In diesem Sommer bist Du für mich gestorben. Wir haben es uns zerstört. Erst lange danach bist Du mir neu geboren – zu spät. Die Beulen im Auto, sie waren schon zuvor, und ich, ich war ein Tor. Einer mit dem Hammer. In letzter Weise konsequent – so waren wir beide, taumelten angeschlagen diesen Weg. Du fielst mir in den Rücken und ich konnte dich nicht halten. Es tut mir Leid. Jetzt wissen wir Bescheid, sehen klarer. Du hast dich gehalten, so gut es ging, doch blieb ich dabei allein.

Wohin ich auch blicke, ich sehe dich nicht mehr. Selbst auf 10 mal 15 Zentimetern gefesselt, bist das nicht Du. Ich hab dich geliebt, weil ich es durfte. Nicht nur ein Mal. Kam nach einem Tief – wir durchschritten, hatte ich gehofft, das Tal gemeinsam und erlebten den erneuten Gipfelsturm. Doch ich war einsam, blieb es in meinen Gefühlen zu dir. Du hast mich nicht verstanden, und ich habe es nicht geschafft, mich verständlich zu machen. Du hast mir nicht geglaubt und ich dich nicht belogen. Du hast mir nicht vertraut und ich dich nie betrogen. Dinge kommen manchmal anders als man denkt.

Danke! – Weil es so schön war.
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Alt 02.10.2006, 00:28   #2
Yve
 
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Berührt mich sehr und kenne ich alles nur zu gut. Schön umschrieben/beschrieben. Irgendwie ist das so ein Zwischending. Kann es selbst nicht beschreiben. Eine wirklich schön tragische Geschichte. Nur das mit dem "Indianer" begreife ich nicht ganz. In welchem Zusammenhang steht das mit dem sogen. lyr. Ich? Bitte um Aufklärung für ein besseres Verständnis

Yve
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Alt 02.10.2006, 00:43   #3
Sajonara
 
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Indianer von PUR, Anfang der 90er. Wo sind all die Indianer hin, "bis dass der Erste sich belog"... aber auch "Wir haben uns Sekunden nur zu lange angesehen"... aus einem Lyric von Matthias Reim. Adaptiert, quasi. Wenn man's kennt, die Lieder, und deren gesamten, na ja... Ausdruck, wird der Eindruck der Geschichte dadurch noch ein Mal verstärkt, denke ich. Ich hab die Schlagertexte genommen, weil sie eine Schnittmenge bilden, mit der uneigentlichen Adressatin. *G* Aber ansonsten hats damit nicht viel mehr Bewandtnis. Gut ist, wenn's quasi gar nicht auffällt und die Leut, die's wissen, dadurch einen zusätzlichen Wissensvorsprung erhalten. *G* Mi dispiace, signorina. Also, dass ich mit dem Indianer eher zu spezifisch geworden bin.
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Alt 02.10.2006, 00:47   #4
Yve
 
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Ich kenne das Lied von Pur, allerdings ist mir der Text nicht mehr in Erinnerung, deshalb verbinde ich es auch mit nichts. Nur gut zu wissen, dass mir da nicht etwas noch Tiefsinnigeres entging...aber danke für die schnelle Aufklärung

Yve
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Alt 02.10.2006, 00:49   #5
Sajonara
 
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Stets zu Diensten.
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Alt 02.10.2006, 00:51   #6
Yve
 
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Wo bleibt der Diener (=Verbeugung)? Oder willste lieber knicksen?
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Alt 02.10.2006, 00:59   #7
Sajonara
 
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Ich lieg zu euern Füßen schon längst. Wahrscheinlich, weil ich so unscheinbar, ihr es bislang nicht gemerkt.
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Alt 02.10.2006, 01:02   #8
Yve
 
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Na dann fühl ich mich mal geehrt...wo bleibt mein Podest?
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Alt 02.10.2006, 01:23   #9
Sajonara
 
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Podest, iwoh. Ich baue der gnädigen Frau einen Tron, eine Brücke in ein Reich.
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Alt 02.10.2006, 01:26   #10
Yve
 
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Na dann leg mal los...ich warte so lang
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Alt 02.10.2006, 01:40   #11
Sajonara
 
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Bau Stein auf Stein ich,
tust Schritt um Schritt.

Hernach
ein Weg dort,
für einen Ritt.

Gemach,
an einem Ort,
so deine Bitt'.

Gebete,
stoßen gen Himmel,
ein füllend Gewimmel.
Erflehte
ich, und ewiglich
führte
dich, verspürte
und spürte,
und geleite
dich, in ein Reich
dezent, so bleich,
geschwind, sogleich.
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Alt 02.10.2006, 01:48   #12
Yve
 
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8o

Wie schön
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Alt 03.10.2006, 20:37   #13
Struppigel
 
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Wenn es autobiografisch sein sollte, wird es in Dir sicherlich sehr viel bewegen, Du wirst auch viel damit verbinden können, ich kann es leider nicht.
Kurzgeschichten sollten sich an den Satz "show ist, don't tell it" halten, das macht sie zu interessanten Geschichten. Aber hier lese ich Gedanken über Gedanken, teilweise sehr abstrakt, keine Handlung. Das macht es langweilig. Ich habe die ganze Zeit vergeblich darauf gewartet, dass noch etwas Interessantes kommt.

Zitat:
In diesem Sommer bist Du für mich gestorben. Wir haben es uns verdorben.
Der Reim passt hier gar nicht.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.10.2006, 23:03   #14
Sajonara
 
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Dann ist ja gut, dass Kurzgeschichten nicht autonom sind, und sich nirgends dran halten können. Manche Reden bei KGs von Handlung, andere wieder von den Figuren, die auf jeden Fall dick aufgetragen sein müssen. Für mich ist's situative Kurzprosa, meistens jedenfalls. Und wenn ich derjenige sein sollte, der das Genre erfunden hat, mei...

Nee, ich hab schon eingesehen, dass es dir nit gefällt, aber dann hat es dich nicht angerührt. Wenn es dich angerührt hat, hast du quasi alles verstanden, was es zu verstanden gab. Ich schreib mal solches und mal solches, also auch ganz andere Dinge, die mehr so sind, wie das, was du vielleicht lieber magst.

Der Reim versackt, oder? Aber es soll an der Stelle einen Bruch geben. Nen besseren Vorschlag?

Prinzipiell sind alle meine Gedichte und Geschichten autobiographisch, mal mehr, mal weniger. Weil ich Personen oder Ereignisse als Impuls nehme und sie verfremde oder eben auch nit. Vielleicht mehr Glück beim nächsten Mal. Eine meiner Prämissen ist, ich schreibe nicht der Unterhaltung wegen. Aber, ich nehme dein Missfallen gerne zur Kenntnis. Also, *g*, nicht falsch verstehen.
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Alt 04.10.2006, 13:58   #15
Struppigel
 
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Zitat:
aber dann hat es dich nicht angerührt. Wenn es dich angerührt hat, hast du quasi alles verstanden, was es zu verstanden gab
Versteh ich nicht ganz. Heißt das jetzt, ich hätte Deine Geschichte nicht verstanden?

Was Du sonst noch an Geschichten verfasst, werde ich ja lesen.

Darf ich fragen, warum Du schreibst und ausstellst? Was Du damit erreichen willst?

Zitat:
Nen besseren Vorschlag?
Synonyme? Andere Umschreibung? Ich tu mich damit grad schwer, weil meine Vorschläge höchstwahrscheinlich nicht genau Deine Intention und Deine Art zu schreiben treffen.
Wir haben es zum Verderben verurteilt?
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.10.2006, 15:58   #16
Sajonara
 
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Ich sammle schon auch Erfahrungen damit, wie die Leute reagieren. In der Sozialwissenschaft und wo anders nennt man das Empirie. *G* Das wird, je nachdem "was" ich schreibe, immer auch dankend einbezogen. Ich hab ein Romanmanuskript z. B. und während einige damit ganz gut auskamen, gab es einen, der meinte, mh... das ist ja wohl mal überhaupt nicht sein Fall. Es würde ihn zu sehr an die Geschichte vom Herrn Lehmann erinnern. Ich kenne die Geschichte(n) vom Hernn Lehmann nicht, aber ich habe zumindest einmal nachgesehen, was das ist und worum es da geht. Ich würde mein Manuskript jedensfalls als psychologischen Alltagsroman bezeichnen. Und diese alltägliche ist nicht das, womit der andere Pappenheimer sich identifizieren konnte.

Deshalb gibt es immer wieder Leute und es wird in manchen Fällen zum Beispiel auch "seeeehr viele" Leute geben, die dann sagen, mh... das gefällt mir aber nicht. Das alleine ist ein Geschmacksurteil, so wie Schönheit, die im Auge des Betrachters liegt. Wenn die Leute ihre Meinung durch irgendwelche Dinge begründen, dann ist das für mich Zusatznutzen oder -information. Also durchaus ein Gewinn. Aber wenn X sagt, ich finde die Charakter zu platt, die Geschichte spricht mich nicht an. Dann ist das ein Statement, was ich zur Kenntnis nehme und sehe, aha, wenn ich X hätte erreichen wollen, hätte ich meine Figuren nicht so platt machen dürfen, für den ganz speziellen Fall ebendieser Geschichte. Das Problem an der Geschichte ist, es kam auf die Situation an, nicht auf die Figuren. Die Figuren werden zu Statisten manchmal, weil nur die Zusammenhänge wichtig ist, was vielleicht passiert ist. So würde ich das begründen. Aber das ändert nichts, dass ich nicht einsehe, dass ich X damit nicht erreicht habe, und mit ihm vielleicht auch noch andere. Aber man muss, wenn man nicht grad Forschungsgelder in Millionenhöhe hat und lauter zur Kritik motivierte Leser eben Geduld haben. So oft ich für diese Geschichte, die erwähnte, von einigen Personen hörte, die Figuren seien zu platt, hat mir sogar, spät... ein Jemand mal auf die Schulter geklopft und fand es klasse. Er, in dem Fall war es eine Sie, hat die Intention vollends verstanden. Jetzt kann ich mich natürlich fragen, was hat diese Frau, was die anderen nicht haben, oder warum versteht sie die Geschichte, und die anderen nicht. Und wenn ich diesen Dingen dann nachgehe, die Leute kennen lerne und mir ein Bild mache, dann kann ich Gründe dafür finden, warum die Geschmäcker so unterschiedlich sind, denn: Hand auf's Herz, in der Breite schreibe ich viele Geschichten die so sind, immer mal wieder schreibe ich auch andere, weil ich damit "was anderes" ausdrücken mag, aber oft geht es mir eben um die Situation, die ich hervorheben mag. In einer Geschichte habe ich dafür z. B. die Perspektive benutzt und in den Sätzen immer die Objekte zu Subjekten gemacht, also die Kleidung, die Umgebung, die bei der Figur etwas auslöst, oder sie nicht dies und das tun lässt, oder nervös macht, bla blub... Nenn es Experimentieren. Ich hab durch mein Studium sehr viel Einblick in die Dinge und hab auch schon von einigen "Großen" Texte gelesen, über ihr literarisches Schaffen. Manches inspiriert mich, aber ich bin eben dabei, mich selbst und meinen eigenen Stil zu finden, bzw. meine eigenen Mittel und Methoden zu entwickeln.

Ich akzeptiere eben dann auch die Kritik, nur, was die Leute dann manchmal nicht verstehen ist, wenn ich versuche meine Argumente ins Feld zu führen. Das tue ich nicht, um die anderen zu ärgern, sondern einfach um einen Diskurs zu starten. Wenn es dann Leute geben, die sagen, mh... so hab ich das noch gar nicht gesehen, oder wieder andere: Das ist aber Schwachsinn, nein, nie im Leben geht das... dann lebe ich auch damit. Es bringt mich indirekt immer weiter. Aber an der einen oder anderen Geschichte verändert sich dadurch kaum. Weil das würde nicht die Geschichte verändern oder verbessern, in manchen Fällen müsste es schlichtweg bedeuten, eine neue zu schreiben, und, nun ja, das tu ich dann ja mit Sicherheit, in regelmäßigen Abständen immer mal wieder. *G* Davon abgesehen muss ich mit manchem Malus eben leben. Nach Wittgenstein ist die Sprache im Sprachspiel gemacht, und in anderen Feldern der Linguistik wird auch immer wieder die Verbindung aufgemacht, dass eben Sprache ein Mittel zur Welt ist, ein Interpretationswerkzeug, aber dadurch eben auch eine sehr persönliche Sicht der Dinge darstellt, in der Art und Weise, "wie" man sie benutzt. Das gilt für jeden Einzeln, das gilt für ganze Sprachgemeinschaften usf. Wie schreiben Du und Sie, die Briten nur You, die Briten unterscheiden auch zwischen Ape und Monkey, haben die dadurch jetzt "mehr" Affen auf der Erde rumlaufen? Mitnichten. Es gibt Untersuchungen zu Farbwörtern. So gibt es Hinweise, a) dass einem jeden die Farblehre kulturell vermittelt ist, wie Sprache sowieso, dass b) aber auch höllische Unterschiede bestehen können, nicht nur in der biologischen Erfahrung, sondern auch in der kulturell geprägten Bezeichnung. Es gibt manche Länder, in denen wird von den weitaus meisten Sprechen wesentlich differenzierter ein Farbspektrum unterschieden, als in anderen Ländern. Will heißen manche benutzen schon unmittelbar 4 oder 8 Farbwörter mehr in ihrer Basisartikulation als andere. Das macht durchaus ja auch einen Unterschied in der Wahrnehmung aus. Wenn wir aber diese Unterschiede alle entdecken, darüber staunen, sie zur Kenntnis nehmen, dann sehe ich nicht, warum man eben nicht auch akzeptieren kann, dass die Geschmäcker verschieden sind.

Für mich ist das Weitaus meiste kaum über Regeln zu regeln. *G* Also, Regeln sind ein hübscher Punkt, an dem man sich orientieren kann. Gattungslehre ist ein sehr gutes Beispiel. Manche Leute hauen sich die Köppe ein, um irgendwelche Dinge irgendwelchen Gattungen zuzuordnen. Dass es sie gibt und dass man darüber diskutiert finde ich genehm, dass es eine Hilfe ist, auch. Aber schlussendlich kann man ein Werk immer nur zu Teilen irgendwo zuordnen, und wenn es in mehrere Kategorien fällt wird es ja noch viel schwieriger schon von Beginn an. Ich plädoyiere sehr viel. Mh? *G*

Ich werd mir über den Reim mal Gedanken machen, denn "das" ist z. B. wirklich etwas, das man an so einer Geschichte immer mal verändern kann, wie ich finde.

Lieben Gruß,

Alexander.
Sajonara ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.10.2006, 22:37   #17
Struppigel
 
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Mit so einer ausführlichen Antwort habe ich nun gar nicht gerechnet, aber interessant, was Du so treibst.

Ich teile jedoch nicht die Ansicht, dass jemand, der eine Geschichte toll findet, sie auch vollends verstanden hat. Da hab ich zu viele Beispiele erlebt - z.B. von meiner Mutter. Sie hat kein Fable für Lyrik, versteht oft den Inhalt meiner Gedichte und Geschichten nicht und trotzdem gefällt ihr eine manchmal richtig gut.

Ja, Geschmack - das ist so eine Geschmackssache. Aber nicht nur. Natürlich kannst Du die Meinung eines Einzelnen als subjektiv abtun usw, aber wenn Dir z.B. (übertrieben) tausend von tausendfünfzig Leuten sagen, dass sie die Figuren zu platt finden, dann stimmt doch wohl etwas mit der Geschichte nicht. Gute Prosa schreiben (und Lyrik) bedeutet, den Nerv seiner Zielgruppe zu treffen - natürlich vorallem subjektiv zu treffen. Daran (und natürlich an den objektiven Kritikpunkten) kannst Du festmachen, ob die Geschichte gelungen ist.
Ja, ich bin ein Einzelner, darum ist es nicht sinnvoll nun über meine Einzelmeinung zu diskutieren, aber Meinungen weitersammeln - das ist wichtig.
Zudem sollte man berücksichtigen, dass es viele Menschen gibt, die zwar ihr Missfallen oder Gefallen erkennen, aber nicht feststellen können, warum es so ist - welche einzelnen objektiven Elemente dazu führen. Das muss man auch erst lernen und ich kann das ebenfalls nicht immer derart ergründen.

Und dass jemand, der eine Geschichte nicht gut findet, sie nicht verstanden haben kann, ist doch wohl eine haltlose Unterstellung. Verstehen und Gefallen haben nichts miteinander zu tun. Nur manchmal - wenn es vorkommt, dass man wegen einer Fehlinterpretation schlecht kritisiert wird - das habe ich auch schon zur Genüge durch, dann hängt es natürlich auch zusammen. Aber nicht zwangsläufig.

Hab noch Vorschläge:
Wir haben es uns zerstört/verrissen/ruiniert.

Edit:

Die Sache mit dem "show it, don't tell it" halte ich nicht für subjektiv. Wenn man dem Leser alles offen serviert, dann spricht das vielleicht durchaus faule Denker an, aber ist das die Zielgruppe? Oder man schreibt ihm vor, was er fühlen und denken soll - das kommt nie gut an, weil sich keiner bevormunden lassen will.
Nein, das macht Deine Geschichte nicht, es sind nur Beispiele für diesen Satz.
Bei Deiner Geschichte ist das etwas zwiespältig, da wir hier einen Ich-Erzähler haben und man dadurch die Gefühle und Gedanken auch direkt beschreiben muss. Und ob man das Verhältnis von Gedanken/Handlung mag, ist natürlich wieder subjektiv. Ebenso ist es mit der Abstraktheit - da stehen nicht viele drauf, man kann sich damit nichts Konkretes vorstellen, aber die Vorstellung ist es gerade, die auch durch Geschichten angeregt werden soll. Das ist dann wohl der stimulierende Reiz, der mir fehlt, um es nicht für langweilig zu halten.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.10.2006, 23:05   #18
Sajonara
 
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Richtig was du schreibst, aber meines auch, und gerade weil ich nicht zur Unterhaltung schreibe. Meine Zielgruppe sind vermehrt die 50 von 1050 und nicht die 1000. Ich bin kein Bestseller. Mit den Leuten, die den Zugang zu meinen Texten finden, kann man prima Diskurse eingehen. So sucht man sich die Leute. Ich verpacke darin ja Aspekte, wenn niemand drüber stolpert, wird man auch mit niemandem drüber reden können. Und man kann eben nicht mit jedem drüber reden. Ich habe auch solchen Leuten wie deiner Mutter, *G*, also, um mal in der Metapher zu bleiben, manchmal seeeehr viel von dem Text erklärt. Sie haben ihn dann noch besser verstanden, aber es hat die Leute trotzdem nicht zu potenziellen Gesprächspartnern werden lassen, weil sie eben nicht so ticken und nicht auf einer Wellenlänge liegen. Mir geht es nicht darum, das Prädikat zu erlangen, ich befriedige die Gelüste von Abermillionen Lesern, oder wie werde ich Rowling der Zweite. Mit jenen, die sich im Harry Potter wohlfühlen könnte ich über gewisse Dinge reden, weil ich manches darin auch nicht schlecht finde, aber nicht über die Dinge, die mir wichtig sind. Denn, Rowling will unterhalten, und ich nicht. Deshalb brauch ich auch keine Sorgen machen, dass mich irgendwann mal jemand mit ihr vergleichen wird.

Gut und Schlecht ist für mich jedenfalls nicht so darzustellen, wie du es machst. Es mögen Einige Hundertausend Leute ein Buch von Bohlen gekauft haben, aber das macht ja noch lange keine "subjektive" Qualitätsaussage. Mich interessiert nicht die Auflagenstärke. Du suchst dir ja hier auch Gedichte, die dir gefallen aus, und zu denen Du einen Zugang findest, wenn du sie liest. Es gibt auch unter den Käufern Leute, die das Buch wegen irgendwelcher Aspekte erworben haben, und sei es bloß, weil sie das Leben von Bohlen spannend finden. Wenn jetzt, um bei deinem Zahlbeispiel 50 Leute meine Geschichte gut finden, und aber 1000 sie schlecht finden. Dann würde ich nicht hingehen und sagen, die Geschichte ist per se schlecht. Weil, entweder, man hat gewisse Kriterien oder nicht. Aber gerade wenn es um Marketing und Publicity geht, wird dein Argument mit der Vielzahl der Käufer oder Leser torpediert. Ich finde jedenfalls, dass es überhaupt nichts darüber aussagt. Aber ich finde auch, dass es nichts aussagen muss. Eher denke ich, dass das ein philosophisches Problem ist, auf dem unsere Erfahrungswelt gründet, wir wollen etwas in gut und schlecht einteilen, anstatt jedes einfach zu akzeptieren. Ich kann dir nicht genau sagen, wo meine Einstellung zu solchen Fragen herrührt. Ich habe nur eben oft gemerkt, dass man damit bei den Leuten nichts gewinnt, und sie es als, na ja... weiß nicht, Angriff werten, oder als Unverschämtheit, Blasphemie, Häresie. Probleme entstehen erst durch diese Werturteils-Kategorien, ob es Geschlechterkampf, Rassismus, wie auch immer ist. Man kann alle Probleme anhand anderer Kategorien erklären oder besprechen und muss es nicht auf das Geschlecht, die Hautfarbe oder irgendwelche Qualitätsmerkmale zurückführen. Wir haben uns aber an so ein Kategoriensystem gewöhnt. Hehe. Ich bin eher so einer von wenigen, ich stimme mal hier überein, mal dort... mit manchen Medienwissenschaftlern, mit manchen Soziologen und in der Literatur z. B. auch mit Figuren, Autoren, die von der breiten Masse eigentlich zu "ihrer" Zeit wenig Beachtung geschenkt bekamen, und die vor allem weitgehend gewisse Dinge gemeinsam hatten und Parallelen in ihrer Vita aufwiesen. Ich finde das interessant und lerne daraus. Aber ich lerne daraus eben auch, dass es wenig Sinn macht, in Diskussionen über Anforderungen einzulassen, die man gar nicht erfüllen möchte. Das ist etwas, das müssten die Leute noch verstehen lernen. Das trennt dann Toleranz von Akzeptanz. Weil ich weiß sehr wohl, was man bewirkt, wenn man die Charakter aufbauscht, oder wenn man tell it oder show it produziert, welche Perspektive man wählte um gewisse Dinge zu vermitteln, und welche man besser wählt oder besser nicht wählt, wenn man andere Dinge von vornherein ausschließen möchte. - Ich sagte ja, ich kann das akzeptieren. Aber wenn derjenige, welcher mit dem Argument ankommt sagt: Ja, aber deine Charakter sind zu flach eine "gute" Geschichte aber... bla blub. Wenn "alle" Leute ihre Charakter so organisieren, dann gäbe es ja in dem Bereich keine Unterschiede. Das ist genauso wie mit Schreibschulen. Da geben Leute teuer Geld aus, um ein gewisses Handwerk zu lernen, sich die Arbeit und das Denken abnehmen zu lassen. Am Ende produzieren sie Massenware. Ich habe einen Kurzgeschichtenwettbewerb dies Jahr auf meinem Blog veranstaltet, und einige TeilnehmerInnen hatten Erfahrungen mit so Schreibschulen. Bei einer Geschichte fand die Jury (3 Leute, einer davon ich), dass die Geschichte eben "zu perfekt" sei... sie wirkte langweilig, "auf uns", weil sie sich anhörte oder las wie etwas, was du an jeder Ecke in einem Zeitungskiosk als Taschenbuch kaufen kannst. Das ist jedenfalls ein Ergebnis, dass Teilnehmer X später im Mailverkehr auch wiedergab, also X hatte Erfahrung mit Schreibschulen gemacht und wusste gewisse Techniken einzusetzen, hatte die geübt und kann am Laufenden Band Texte produzieren, die einer gewissen Klientel sicherlich zuträglich sind. Aber das ist es ja nicht, worauf es (in meinem) Leben ankommt. Mut zur Lücke, oder zum Anderssein. Wie auch immer du das nennen willst. Wenn du einem Punk begegnest und eben viele Leute ihn anschauen und beurteilen würden: Das ist aber keine schöne Frisur, oder so zieht man sich aber nicht an. Mh, ich glaube es geht dem Punk nicht darum, so auszusehen wie der Rest, und "schön" findet er seine Frisur wahrscheinlich trotzdem. Ich hoffe, ich konnte mittels der Vergleich ein wenig Empathie auf deiner Seite erzeugen.

Lieben Gruß an die Frau Mama. *G*

Bis bald.

P.S.: Ich hab übrigens "zerstört" eingesetzt. Merci.
Sajonara ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.10.2006, 23:38   #19
Struppigel
 
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Ich verstehe sehr gut, was Du mir sagen willst - aber Empathie ist eine Fähigkeit (kein Zustand), die man hat oder nicht hat - die kannst Du nicht erzeugen .
(Übrigens habe ich später noch etwas editiert oben, das hast Du vielleicht nicht mitbekommen.)
Ja, ich unterscheide sehr wohl in schlechte und gute Kunst und ich bin der Überzeugung, dass das nicht nur subjektiv ist, sondern einer Fähigkeit bedarf, das bei den Lesern oder Betrachtern oder Hörern - den Konsumenten der Kunst eben - zu erreichen, was man zu erreichen gedenkt. Und wenn Du nur 50 Leute erreichen willst, ok, dann hast Du Dein Ziel erreicht - aber was ist Deine definierte Zielgruppe? Die Zielgruppe "alle Menschen, die es mögen" geht doch nicht, man weiß schließlich nicht vorher, wer dazugehören wird - demnach ist es kein Ziel, denn es wird immer erreicht. Man muss es doch eben von den Empfindungen der Zielgruppe abhängig machen, um etwas zu beurteilen. Aber Du willst nicht beurteilen, sagst Du. Nur - wie kannst Du Dich dann verbessern? Oder willst Du Dich nicht verbessern? Ein eigenes Wertesystem ist immer da, das kann man nicht leugnen.
Kunst bedarf zuerst der - wie Du es nennst - Regeln. (Das ist das, was Ravna als Handwerk bezeichnen würde.) Und wenn man diese beherrscht, kann man zum eigenen Zwecke davon abweichen. Z.B. vom Goldenen Schnitt in der Fotografie. Da gibt es Ausnahmesituationen, die man im Gefühl haben muss, in denen der Goldenen Schnitt nicht sein muss, ein Nichteinhalten dieser allgemeingültigen Regel also zu einem besseren Ergebnis führen würde. Und dann gibt es noch den eigenen Stil. Man soll nicht nuscheln beim Singen und deutlich artikulieren - und was macht Grönemeyer? Der hat diese Regel so konsequent nicht beachtet, dass er einen unerhörten Wiedererkennungswert besitzt.
Aber man kann den Stil und die Regelabweichungen nur machen, wenn man wie gesagt ein Gefühl dafür besitzt, damit es wirklich gut wirkt, als ein bewusst gesetztes Element angesehen wird. Ich erlebe immer wieder Leute, die sogenannte Kunstwerke ausstellen - die abstrakt, expressionistisch sein sollen (ich rede von Bildern) und letztendlich nur ein als Kunst verkauftes Krikelkrakel von Amateuren sind. Und man erkennt den Unterschied zwischen Krikelkrakel und richtiger Kunst sehr wohl, wenn man selbst ein Gefühl dafür besitzt, selbst für Kunst befähigt ist.
Das ist ein schwieriges Thema.
Die ganze Diskussion stellt übrigens keine Kritik an Deinem speziellen Text dar, denn da ist meine Meinung wirklich subjektiv, wie ich schon erwähnt habe.

Edit:
Ich sehe meine Mama leider zwei Wochen nicht, bis dahin hab ich den Gruß bestimmt vergessen.

Zitat:
P.S.: Ich hab übrigens "zerstört" eingesetzt. Merci.
Bitte, gern geschehen. )
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.10.2006, 00:20   #20
Sajonara
 
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Ich weiß sehr wohl, dass ich Empathie anders verwendet habe, als man es für gewöhnlich tut, aber das bedarf nur einer kleinen Transferleistung deinerseits. Stattdessen leistest du diese nicht, sondern wiegelst ab und gehst davon aus, man könne es nur so benutzen, wie du es mir als Fähigkeit und nicht als Zustand verkaufen wolltest. *G* Ich find das amüsant, aber alle diesen Dinge deuten eben indirekt immer wieder darauf hin, dass ich durchaus ein anderes Gefühl von Kategorien habe. Btw. für mich ist Sprache lebendig und so mache ich durchaus von ihren Möglichkeiten Verwendung. Es gibt Dinge, die gab es 200 Jahre nicht in einer Sprache, auf ein Mal gibt es sie und dann werden sie ein Teil der Sprache... es kommt, wie's kommen muss. Aber gerade solche Diskussionen würde ich nie führen, also, ob etwas geht oder nicht. Jedenfalls nicht in diesem Forum, weil alle, die hier partizipieren ja durchaus irgendwie auch ein besonderes Verhältnis zu Worten und Sprache haben. Für mich hat Wortverwendung und -verfremdung durchaus auch so etwas, so einen Touch von künstlerischer Freiheit.

Die Unterscheidung zwischen Amateuren und Profis behagt mir nicht. In Großbrittannien beispielsweise gibt es in der Literatur nicht so ein Phänomen wie hier in Dtlnd. Hier trennen wir zwischen Groschenheftchen und Belletristik. In Großbrittannien ist das etwas anders gewachsen. Ich sage nicht, dass ich das eine besser oder schlechter finde, allerdings finde ich haben die Briten es einfacher, weil sie den Leuten eine Entscheidung mehr überlassen. Du weißt, dass Harry Potter gar kein Welterfolg hätte werden können, wenn nicht in UK eben auch vorher schon ein Peter Pan oder ein Oliver Twist genauso viel Wert gewesen wären, wie ein Macbeth oder dergleichen?!

Mh... du rückst dich mit deiner Meinung in die Nähe von Goethe, dem Elfenbeinturm aus Weimar und dem Geniekult des 17ten/18ten Jahrhunderts. Ich habe in vielen Seminaren, und auch wenn es linguistische waren, oder Sprachphilosophisch.. Also, zum Beispiel bei Nelson Goodman habe ich Argumentationen gefunden, das so etwas wie Realismus zeitgebunden ist, aber auch Ästhetik. Was wir ästhetisch finden, oder schön, das ist sozialisiert, kulturell vermittelt. Nietzsche würde, wenn er sich mit dem Argument auseinander setzen müsste wahrscheinlich froh sein, dass es noch andere Leute gibt, die zumindest in Teilen erkennen, das gerade diese "Relativität" dem ganzen so einen Wahrheitsanspruch entzieht. Nelson Goodman - Sprachen der Kunst, ist ein sehr aufschlussreiches Buch. Man kommt nämlich mit Goodman sehr gut zu dem Schluss, dass es so etwas wie "eine" gültige Empfindung von Schönheit und Ästhetik nicht gibt. Ich jedenfalls bin Anhänger dieser Position, und dort wo ich's gelehrt bekommen habe gehört Goodman zur Standardlektüre im Bereich der Sprachwissenschaft, bzw. Sprachphilosophie. Weil er sowohl als auch sich beschäftigt hat. Goodman geht aber durch alle Künste und entwickelt die Idee von einem Symbolsystem. Dabei entlarvt er immer mal wieder irgendwelche Mythen, ob es in der Musik ist, in der Malerei, bei Metaphern und so fort. Ich denke nicht nur wegen Goodman, der mir durchaus handfeste Argumente dafür liefert, dass es so etwas wie ein Gespür für Kunst gibt. In der Soziologie stieß ich auf Pierre Bourdieu, auch dieser hat Argumente parat (neben anderen, die sagen wir, wenn wir nicht von Schulen sprechen, so doch von Denkrichtungen, die also seiner Denkrichtung angehören). Bei Bourdieu hab ich mich vorwiegend mit dem Aspekt der Bildung und sozialer Ungleichheit beschäftigt. Bourdieu hat sehr schön gezeigt, wie Unterschiede, die zwar nach außen hin auf Leistung beruhen, prinzipiell über subjektive Beschränkungen geregelt werden. Das deutsche Schulsystem ist neben dem von Frankreich nicht gerade "fair" und bei uns wird vorwiegend nicht die Leistung herangezogen. Ehm, das führt nur jetzt was sehr weit, aber Bourdieu hat sich auch mit Kultur beschäftigt und sehr schön den Mythos von gewissen Dingen gehoben... eben auch solchen ästhetischen Grundsätzen. "Die feinen Unterschiede" heißt ein Buch von ihm, in dem er den "Geschmack" der französischen Gesellschaft prinzipiell als subjektives und relatives Werturteil einstuft.

Aber ich denke, so eine Position muss man vertreten wollen, damit man sie vertreten kann. Bourdieu hätte meines Erachtens nie versucht das vom armen Mann besser gelten zu lassen, als das vom reichen. Das was viele Leute nicht "sehen" können, weil sie es über kulturelles Kapital nicht vermittelt bekommen haben, das ist etwas, nennen wir es ruhig "Besonderes". Also diejenigen, die einen Kunstgeschmack haben können, weil sie die Regeln der Kunst kennen, weil sie wissen, was sich dahinter verbirgt, die können es genießen. Aber der Genuss allein stellt sich ja über unheimlich viele Wege ein. Sprich, diejenigen, die nicht in einer Guggenheim-Ausstellung in Bonn waren und dort Kandinskys haben hängen sehen, denen fehlt nichts in ihrem Leben. Deshalb finde ich eine Differenzierung zwischen "gut" und "schlecht" schlichtweg nicht möglich.

Die Regeln definieren etwas. Sie umschreiben ein gewisses Phänomen. Nenn es die Regeln der Kunst und alles was die Regeln erfüllt ist Kunst. Alles was die Regeln nicht erfüllt ist keine Kunst. - DAS ist eine Aussage, die würde ich, wenn man den speziellen Kontext DIESER Regeln hinzuzieht immer akzeptieren. Aber diejenigen, die die Regeln bestimmen, für sie ergibt sich eben auch logischerweise das, was sie darunter verstehen. Das ist für mich ganz wertneutral. Amateur und Profi ist leider eine Wertung, die so gewachsen ist, und die so tut, als wäre der Amateur weniger wert. Ich würde sagen, er ist "anders". Und trotzdem kann ja ein Amateur, bleiben wir bei der Metapher, eine Geschichte schreiben, die von etlichen Leuten in Dtlnd. gekauft wird, am Ende landet sie auf der Bestsellerliste. Was machst jetzt Du? Oder, was würde jemand machen, der die Regeln der Kunst im Hinterkopf hat. Er schaut sich das an, und sagt, das ist aber keine Kunst. Das kann er von mir aus sagen. Aber er kann ja schlichtweg nicht behaupten, das das, was dort als Bestseller verkauft worde, irgendwie schlechter oder besser sein soll als etwas anderes, das, vielleicht die Regeln der Kunst befolgt, aber zum Ladenhüter geworden ist. Diese Vermengung von neutralen Rahmenbedingungen, die erfüllt sind oder nicht, und der Schritt hin zum Werturteil. Ich meine, es ist in der Zeit, in der man lebt nicht möglich, sich allumfassend mit so etwas auseinander zu setzen. Wenn man sich die Geschichte anschaut, dann gibt es Dinge, die haben zu ihrer Zeit für Aufsehen gesorgt, alle fanden es toll, irgendwann sind sie in der Versenkung verschwunden. Umgekehrt gab es Dinge, die waren zu ihrer Zeit überhaupt nicht beachtet und wurden Jahrzehnte oder Jahrhunderte später neu entdeckt und man fand sie toll.

Ich erinnere noch mal an eine Grammatik, die ja im Grunde nur aufzeigt, was IST. Die Regeln der Kunst zeigen nur auf was IST... wenn man zurück geht ins antike Griechenland, aber auch wenn man abwartet und sich aus der Entfernung der Jahre dann, sagen wir in einer Literaturgeschichte vergegenwärtigt, welche Strömungen es gab und welche "Regeln der Kunst" diese jeweils hatten. Für mich bedeutet das alles eben, dass ich mir gerne auch anhöre, wenn jemandem meine Geschichte nicht gefällt und versuche zu verstehen, warum sie das nicht tut. Weil daraus kann ich gewisse Dinge lernen. Z. B. darüber wie die breite Masse tickt, oder was es für einen Zeitgeist gibt. Aber ich würde mich in "manchen" nicht in allen Fällen, diese Geschichte hier ist kein solcher Fall, betrügen, wenn ich sie dem Zeitgeist entsprechend anpassen würde. Und ich denke, diese "Selbständigkeit" hat auch etwas mit einem Willen zur Kunst zu tun. Ich bin ja nicht unbelehrbar... im Gegenteil ich lerne gerne und viel. Aber ich versuche auch auf einer Art Metaebene zu erkenen, worum es sich zu streiten lohnt, und worum eben nicht. Ich muss ja nicht dieselben Fehler wiederholen, die vor mir schon abertausende von Generationen gemacht haben. Wobei Fehler auch schon wieder negativ konnotiert ist. Streng genommen, damit meine "Ansicht" Geltung haben kann, müsste ich eben auch hier nur von einem Anderssein sprechen. Aber weißt du was? Ich finde es z. B. sehr interessant, dass wir in diese Diskussion gekommen sind. Vielleicht geht es dir ja zumindest ein wenig ähnlich. Du könntest übrigens auch jederzeit diesen speziellen Text gemeint haben, das bringt mich nicht auf die Palme.
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Alt 05.10.2006, 15:46   #21
Struppigel
 
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Zitat:
Ich weiß sehr wohl, dass ich Empathie anders verwendet habe, als man es für gewöhnlich tut, aber das bedarf nur einer kleinen Transferleistung deinerseits. Stattdessen leistest du diese nicht, sondern wiegelst ab und gehst davon aus, man könne es nur so benutzen, wie du es mir als Fähigkeit und nicht als Zustand verkaufen wolltest.
Ja, weil ich dann von einer Nichtkenntnis der wahren Bedeutung des Wortes deinerseits ausgehe. Ich mag Korrektheit (finde sie auch wichtig) und so verwendet ist es nicht korrekt - das stört mich. Eine nicht korrekte Verwendung führt zu Missverständnissen, und zu weniger Verständnis überhaupt, zudem missbraucht sie das Wort. Flexible Sprache hin oder her - ich bin eben jemand, der (sinnvolle) Regeln achtet, sie bringen schließlich Vorteile. Und ja, das zeigt unsere unterschiedliche Sichtweise.
Wortverfremdung ist ok, aber wenn diese nicht erkennbar ist - die absichtliche Verfremdung meine ich - dann ist etwas nicht richtig. Würden wir jegliche Verfremdung erlauben, bräuchten wir in den Schulen keine Zensuren mehr auf Rechtschreibung und Ausdruck vergeben und wir alle hätten eigene Worte und für jedes Wort eine persönlich andere Bedeutung, weil sie dauernd verfremdet wurden und wir würden uns alle nicht mehr verstehen. Darum die Notwendigkeit von Regeln, darum eine Erkennbarkeit, wenn man diese verletzt.

Zitat:
Ich finde es z. B. sehr interessant, dass wir in diese Diskussion gekommen sind. Vielleicht geht es dir ja zumindest ein wenig ähnlich.
Ja ich auch, aber verzeih, dass ich sie nicht weiterführen möchte. Ich denke, dass ich alles dazu gesagt habe. Wir besitzen unterschiedliche Weltanschauungen/Kunstanschauungen - da geht es ab einem bestimmten Punkt nur noch im Kreise. Wir müssen unsere Anschauungen nur eben respektieren und ich glaube, das tun wir schon. Auf jeden Fall ist es gut zu wissen.

Zitat:
Du könntest übrigens auch jederzeit diesen speziellen Text gemeint haben, das bringt mich nicht auf die Palme.
Hab ich aber nicht
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
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