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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 04.03.2018, 17:22   #1
männlich Splitterface
 
Dabei seit: 03/2018
Alter: 26
Beiträge: 20

Standard Montagsdemo

Das Land zum Leben

Sie kommen mit Der Bahn, meckern wie wir, denn sie ist unpünktlich.
Sind gedanklich im Gestern, denn die Reichsbahn kam nie zu spät.
Dann steigen sie aus, Polizeikontrolle, wie immer nicht sehr gründlich.
„All Cops Are Bastards!“. Englisch. Wer fragt nach Integrität?

Glatzen erstrahlen, links Blaulicht, rechts bengalische Flammen.
Die Bühnenbeleuchtung. Ein Stück, keine Demonstration.
Der Galgen, der Flüchtling, die Merkel, die sie verdammen.
Abends beten für eine blau-braune Koalition.

Die Heiterkeit steigt, Deutschlandfahnen verteilt.
Der Chor singt Horst Wessel. Freudentränen. Vereinzelt
Merkel muss weg! Antifa- Hurensohn!.
Glasflasche? Meinungsverstärker! Die merken dann schon,
dass „Deutschland den Deutschen“ gehört,
Blutreinheitsevaluation.

Das Gebrüll wird jetzt lauter in Stralsund, Rostock, Pasewalk.
Nationalismus die Schmiede, PEGIDA das Blasebalg.
Menschenwürde, der Amboss, auf dich schlägt der Hammer zu Recht!
Besorgte Bürger schmieden, bis Deutschland aus Europas Krone bricht.

Korrekturen im Duden, nationalistisch für alternativ.
Wo Asylbewerber stand, steht nun Frontex-Opfer.
Toleranz wird gestrichen, Menschenrecht wieder im Konjunktiv.
CDU, SPD, Linke ersetzt durch Grenzschließungs-Schulterklopfer.

Der Lynchmob zieht weiter, grölen um die Häuserblöcke.
Springerstiefel, Bomberjacken, Thor Steinar, Soldatenröcke.
Patriotische Europäer üben fleißig,
Mistgabeln, Fackeln für ein neues Dreiunddreißig.
Flüchtlingsblut wird an ihren Stiefeln kleben.
„Mecklenburg Vorpommern – Willkommen im Land zum Leben.“

https://www.google.de/search?q=willk...ih=635#imgrc=_
geschrieben am 19.04.2016, in Erinnerung an eine Zeit, in der das größte Unrecht meiner Zeit meine wunderschöne Heimat jeden Montag terrorisierte.
Splitterface ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.03.2018, 17:12   #2
männlich ganter
 
Benutzerbild von ganter
 
Dabei seit: 04/2015
Beiträge: 2.479

Standard Naseweis

Hallo Splitterface,

Deine Schreibweise gefällt mir bei beiden Texten, die Du hier bisher veröffentlicht hast.
Worüber ich stolpre sind Deine zwanzig Lebensjahre. Dazu passt nach meinem Gefühl keine Aussage wie „größte Unrecht meiner Zeit". Das scheint, wie die Wiedergabe einer fremden Schablone.

-ganter-
ganter ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 05.03.2018, 18:48   #3
männlich Splitterface
 
Dabei seit: 03/2018
Alter: 26
Beiträge: 20

Lieber ganter,

ich danke dir für deine Reaktion.
Aus eben dem Grund, dass ich nicht einmal 21 Jahre auf dieser Welt erlebt habe, ist ein allgegenwärtiger (und glaub mir, genau das ist er hier in M-V) Rechtsruck das "größte Unrecht" meiner Zeit. Ich bin in einem wiedervereinten und friedliebenden Deutschland aufgewachsen und Xenophobie, Gewalt, rechte Parolen und eine nicht beschreibbare zahlenmäßige Überlegenheit jener PEGIDA- und AfD-Anhänger passen nicht in mein Weltbild. Definiert sich das größte Unrecht meiner Zeit denn nicht über die Betrachtung dessen, was in genau meiner Zeit passiert ist, in diesen grad einmal 20 Jahren? Welches ist die Herausforderung, der sich meine Generation zu stellen hat, wenn nicht die sog. "Flüchtlingskrise" und deren Auswirkungen auf die deutsche und europäische Einheit?

Ich möchte mir nichts anmaßen und ich bin mir der Tatsache, weder vom Leben noch von Unrecht eine Ahnung zu haben, schmerzlich bewusst. Dennoch hat mich kein Ereignis so sehr ergriffen wie bis zu 7000 antidemokratische und xenophobe Demonstranten, die wöchentlich an meinem Zuhause vorbeimarschieren.
Ich hoffe, das hilft, mich besser zu verstehen, andernfalls war es wohl ein Fehler, mein Alter anzeigen zu lassen, wenn mir dadurch die Authentizität abhanden kommt.

Viele Grüße
Ben
Splitterface ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.03.2018, 19:51   #4
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Hallo Splitterface,
noch bist Du nicht lange hier, also: Ein verspätetes Willkommen!
Dein Alter? Na und?
Das Alter sagt nichts oder wenig über die Fähigkeit aus, unheilvolle Entwicklungen wahr zu nehmen und zu beurteilen.
Aus Deinem Gedicht spricht mehr Klugheit als aus den aufgerissenen Mäulern glatzköpfiger Springerstiefelträger.
Wenn es nur in MeckPomm so zuginge, könnte man die Vorgänge als Randerscheinung registrieren, aber das braune Gedankengut vergiftet nicht nur junge Köpfe. Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch und ich freue mich über jeden, der seine Stimme erhebt.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.03.2018, 19:55   #5
männlich ganter
 
Benutzerbild von ganter
 
Dabei seit: 04/2015
Beiträge: 2.479

Standard Altersangabe

Lieber Splitterface,

ich war gedanklich zu weit zurück in der DDR-Zeit. Da war ja auch mal etwas mit „immer wieder montags“. Aber klar, Pegida – da bist Du natürlich örtlich und altersmäßig authentisch dran.
Eine Annäherung. Bleibt noch die „wunderschöne Heimat“. Da teilen sich die Geister – wenn auch jetzt Heimatminister installiert werden. Vielleicht bin ich zu weit im Westen, um den Unterschied zwischen Pegida-Leuten und Heimat-Enthusiasten richtig einordnen zu können.

Herzlicher Gruß
-ganter-
ganter ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2018, 01:16   #6
männlich Splitterface
 
Dabei seit: 03/2018
Alter: 26
Beiträge: 20

Lieber ganter,
der Unterschied ist, stark vereinfacht, dass ich von einer wunderschönen Heimat rede, jene Montagsmarschierer jedoch davon, diese Heimat mit niemandem teilen zu wollen.

Lieber Heinz,
vielen Dank für deine Worte, ich fühle mich gleich besser integriert. So einfach kann es sein.
Grade die "jungen" sind in der Verantwortung, ihre Stimme zu erheben, meiner Erfahrung nach fängt das bei dem Besuch der Gegendemo an und endet scheinbar mit Gedichten.
Splitterface ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2018, 02:40   #7
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Lieber Splitterface,
der Begriff "Heimat" wird ja von vielen Zeitgenossen kritisch gesehen. Er ist ja auch fast zu Tode gequält worden, aber für mich hat er immer einen anheimelnden Klang gehabt und den lasse ich mir von niemand in Misstöne verwandeln. Ich rede ganz offen von meiner Thüringer Heimat und von meinen "Wahlheimaten" Armenien und entwickle jedesmal, wenn ich meine Freunde in MeckPomm besuche, heimatliche Gefühle (schließlich habe ich 20 Jahre dort gelebt.
Du hast Recht: Die Jungen sind gefordert, aber die Älteren sollten auch wissen (und dementsprechend handeln), wie wichtig die Aufforderung ist: Wehret den Anfängen!
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2018, 11:12   #8
männlich klaatu
 
Benutzerbild von klaatu
 
Dabei seit: 12/2015
Beiträge: 3.353

Hi Splitterface!

Sehr schön, so einen Text mal von einem jungen Menschen zu lesen. Ich dachte schon, keiner unter 30 interessiert sich überhaupt mehr für irgendwas. Weiter so!

LG
k
klaatu ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.03.2018, 22:20   #9
männlich stephanius
 
Dabei seit: 06/2016
Ort: Sachsen
Beiträge: 406

Lieber Splitterface,
ich kann Dir auch nur zu diesen Zeilen gratulieren, man kann
es nicht oft genug sagen und vor allem auch mit den Mitteln
der Kunst ächten, was da in unserem Land passiert.
Es ist zum Glück noch nicht die Überzahl, aber wie Heinz schon sagt:
Wehret den Anfängen. Hatte dazu auch mal zwei Sachen hier im
Forum verfasst, "PEGIDA" und "Deutschland". In Sachsen sieht es ja
leider nicht anders aus. Freue mich wenn das Thema auch andere
immer wieder aufgreifen.
Grüße St.
stephanius ist offline   Mit Zitat antworten
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