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Alt 19.02.2016, 18:47   #1
männlich Antropodefectum
 
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Standard Ein Nicht im Ansatz talentierter Schrifsteller und ein Auto

Ein nicht mal im Ansatz talentierter Schriftsteller, sass zuhause und trank sein zweites sehr preiswärtiges Bier, während er gestresst auf den immer näher kommenden Nahverkehrsbus wartete. Er schaute immer wieder von seinem kleinen schäbigen Balkon aus auf die Bushaltestelle hinab und machte sich nach dem dritten mal endgültig auf die parr Meter Weg in Richtung des herannahenden Buses. Seine Anspannung ist gross, der heutige Abend ist seit langer Zeit wieder einmal ein neuer Versuch aus seiner soziophoben Lebensphase auszubrechen und sich der verlockenden Idee einer Partynacht hinzugeben. Aber er fühlt sich wie vor einem Vorstellungsgespräch, geht jede erdenkliche Möglichkeit für den Verlauf des Abends durch. Vorbereitung ist das A und O im Umgang mit Menschen. Seine dann und wann sehr kritische Art der Betrachtung des menschlichen Wesens, raubten ihm jegliche Spontanität. Der nicht im Ansatz talentierte Schriftsteller weiss genau was er sagen will und mit wem er reden möchte, sein Bild im Kopf war bereits vorhanden als er wusste worauf er sich eingelassen hat. Die Sehnsucht zerrt an ihm und die Vernunft besänftigt seine Fallhöhe. Das Bier erleichter vieles und so öffnet er bereits ein nächstes. Es macht seine Gedanken klarer und seine Wahrnehmung unschärfer, seine Gesprächsbereitschaft wächst und sein Selbstwertgefühl spielt für kurze Zeit nur eine untergeordnete Rolle. All dies hat er bereits durchgedacht, als er am Bahnhof einer mittelgrossen westeuropäischen Stadt angekommen ist. Er steigt aus und läuft, mit der aus dem Zug aussteigenden Masse in die Richtung der hell erleuchteten Geschäfte. Das fast schon sakrale Licht einer Tabakwerbung, erinnert ihn an seine Nikotinsucht und verleitet ihn sich eine zweite Packung Zigaretten zu kaufen. Nur für den Fall, wenn er sich alleine in einer von Dunkelheit beseelten Ecke eines Nachtklubs verlieren sollte, was ganz nebenbei gesehen, ein ziemlich warscheinliches Szenario darstellte. Diese Erkenntnis beunruhigte ihn aber nur wenig, seine liebenswürdige, verschobene Wesenheit, lies ihn diesen Gedanken in romantisierter Einsamkeitsepik vorstellen. Nachdem er sich die etwas mehr als acht Franken Lungenkrebspartikel gegönnt hatte, machte er sich auf um sich in Gesellschaft angenehmer Panoramaoptik am See zu beduseln. Seinen Weg säumten unzählige fröhlich gestimmte Individuen, meistens in Gruppen unterwegs. Hübsche Frauen mit braungebrannten Beinen und Vollspasten mit Technofrisuren, Penner, Polizisten und andere Hurensöhne. Einige Augenkontakte und schiefe Blicke später hatte er einen einigermassen ruhigen und schönen Ort für sich in Anspruch genommen. Gedanken der Unfreiheit weichen dem Blick aufs Firmament während der Produktion einer gut portionierten Tüte. Multitaskingfähigkeiten eines Verträumten Verlorenen. Im Moment des dekadenten Konsums, im Anblick der Sterne ,fragt er sich was er hier eigentlich soll. Sollen müsste er ja eigentlich gar nichts nach seiner bescheidenen Meinung. Überhaupt ist seine Meinung nicht bescheiden sondern radikal um nicht zu sagen revolutionär um nicht zu sagen dumm, denkt er zu sich selbst. Wie kann man auch zu jemandem anderen denken, dachte sich der nicht im Ansatz talentierte Schriftsteller. Als dieser Gedanken gedacht war begannen die Selbstgespräche. Als aussenstehender sah es wohl nach Persönlichkeitsstörung oder Schizophrenie aus, als Insider war es Unterhaltung unter Gleichgesinnten, die auf der Suche nach der Essenz der Existenz, die Einsamkeit wählten. Das er sein Selbst von seinen verschiedenen Ich Fromen unterscheidete, machte ihn speziell, um es liebevoll zu formulieren. Das Geniale ist, dass er sich dessen bewusst ist und die Ich Formen im Subselbst keine Persönlichkeitsstörungen implizieren sondern Einzigartigkeit. Der Drang zur Wahrhaftigkeit des Seins, trieben ihn nach dem kleinen Zwischenstopp am See in die Gassen der Innenstadt. Seinen Alkoholdurst gedachte er zu stillen in einer nicht ganz so nach Hipsterfloskeln riechenden Seitenstrassenkneipe. Als er die etwas heruntergekommene, nach abgestandenem Rauch duftende Spelunke betrat, fühlte er sich am richtigen Platz. Obwohl der vollbesetzte Stammtisch, argwöhnisch den ganz normal scheinenden, nicht im Ansatzt talentierten Schriftsteller beliebäugelte. In einer nicht ganz so toll beleuchteten Ecke, setzte er sich und nippte durstig an einem Bier und einem doppelten Jonny Walker. Bereits beim ersten Schluck musste er sich fast übergeben, trotzdem dachte er es würde sein Erscheinungsbild ein wenig klassischer machen, mit einem schlechten Glas Whiskey in einer schlecht beleuchteten Ecke einer heruntergekommener Bar zu hocken, als nicht im Ansatz talentierter Schriftsteller. Die Uhr zeigte bereits auf Mitternacht als der komische Kautz in der Ecke sein drittes grosses bestellte. Ursprünglich wollte er seine durch die soziophobe Lebensart verursachte Einsamkeit in der Masse betäuben, nun aber stellt er sich die Frage ob es nicht möglich wäre, die gesamelten Eindrücke in Sätze zu pressen und sein nicht vorhandenes Potential zumindest ein klein bisschen zu fordern. Er freundet sich immer weiter an mit dem Gedanken zu schreiben was er fühlt,ist,denkt,wahrnimmt und glaubt aber erstmal einen bauen. In der Zeit wird er aber immer unsicherer und kriegt von einem seiner bösen Ich Formen Vergältungsschläge in Form von kurzen Gammablitzen gegen seine elektrostatischen Reize. Der torkelnde Gang nachhause wird in kürze gekommen sein. Sein Gehirn spielt mit Futur zwei die Kausalität des Determinismus durch. Kaum noch interessant sind die nicht zustande gekommenen sozialen Kontakte. Was könnte sein wenn der Zustand der vorherrscht zu einem besseren Zustand führen würde?! Scheisse passiert auch einfach so, der Spast ist fast Zuhause als er auf die Idee kommt über die Strasse zu laufen...
Antropodefectum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.02.2016, 13:33   #2
männlich Gylon
 
Dabei seit: 07/2014
Beiträge: 4.269

Lieber Antropodefectum,
dein nicht im Ansatz talentierter Schriftsteller hat mich als völlig untalentierten Leser doch talentiert unterhalten Gern gelesen!

Liebe Grüße Gylon
Gylon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.02.2016, 15:44   #3
männlich Antropodefectum
 
Benutzerbild von Antropodefectum
 
Dabei seit: 01/2016
Ort: Lokale Gruppe
Beiträge: 68

Danke, freut mich wenns gefällt.
Antropodefectum ist offline   Mit Zitat antworten
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