Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Poetry Workshop > Theorie und Dichterlatein

Theorie und Dichterlatein Ratschläge und theoretisches Wissen rund um das Schreiben.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 10.06.2008, 13:12   #1
männlich Schattenfuchs
 
Dabei seit: 03/2008
Ort: Bremen
Alter: 35
Beiträge: 70

Standard Ein billiger Tod

Moin,
Ich hab hier den Anfang einer Geschichte... und ich hätte einfach gerne ein paar Meinungen dazu. Lohnt sich das den Gedanken weiter zuführen?
Was meint ihr?






Guten Morgen
Der Schrei der modernen Welt riss mich aus den Träumen des Friedens. Wie ein vor Geifer triefendes Maul brüllte mich die Geißel der Gesellschaft an meine heile Welt der Träume zu verlassen. Ein Schmerz durchzog meinen müden Leib, als das Licht zwischen den Gardinen auf meine Augen prallte. Als wäre der Schrei der Zivilisation nicht laut genug gewesen, verbrannte mich nun auch noch die Morgensonne. Nach und nach fielen die Tränen der Wünsche aus meinen Augen. Den Kinder erzählte man es sei der Sand des Sandmännchens, doch jeder ehrlichen Seele sollte klar werden, dass es sich um Salz der Tränen handelt, welche vergossen in all den Nächten in denen man von seinen verlassenen Wünschen träumte, in denen man Nacht um Nacht wie ein Geist umher trottet. Wann ein Mensch diese Ruinen verläßt ist leicht zu erkennen. Entweder die Augen des Toten sind geschlossen oder der Lebende bekommt diesen trüben Blick der Realität.
Mit schweren Füßen stolperte ich nun also in die fernen Katakomben des Bades um mich auf die Routine des Sterbens vorzubereiten. Ich rammte mir also die neuste Schwingkopfbürste mit schrägen Borsten auf meine vom Rauchen vergilbten Zähne und schrubte, wie ich es im Kindergarten schon gelernt hatte, meine Kauleiste in schwungvollen Bewegungen. Nachdem der Lebenssaft dank der extra weichen Borsten aus meinem Zahnfleisch schoss, wurde mir auch klar, dass sich diese Investition mal wieder nichtgelohnt hatte. Auch die Pfefferminz-5Kräuter Zahnpasta war auf meiner faulig pelzigen Zunge eher eine Folter als ein Genuß. Nun da ich auf die Welt vorbereitet war, duschen musste ich nicht, ich hatte doch dieses wunderbare Deo mit Sieben-Wochen-Durchmach-Formel gekauft, ging ich in meine Küche und steckte mir eine Zigarette an. Wenigstens etwas wofür sich das Aufstehen lohnte. "Rauchen kann tödlich sein" stand da auf der Packung. Was konnte das nicht? Ich klemmte mir also die zweite hinters Ohr. Wer möchte schon vierzig werden in einer Welt in der man mit dreißig als verfaulende Leiche gilt, aber bis 67 arbeiten soll? Dann lieber einen Cowboytod mit Marlboro, auch wenn erstmal die guten Fairplay ohne Filter im Softcase herhalten musste. Es sollte ja ein Tod sein der zu meinem Leben passte - ein billiger schneller um die Ecke!
Sei´s drum, ich musste mir etwas zu Essen machen, schließlich wollte mein Boss mich ja noch vor Sonnenuntergang auf der Arbeit sehen. HA! als ob hier je die verdammte Sonne aufgehen würde, aber diesem Scherzkeks von Filialenleiter schien die Sonne ja sowieso aus dem Arschloch wie seine funkelnde Rolex. Ich nahm also den Frühstücksdrink "mit allen nötigen Vitaminen und Ballaststoffen" die mein "vitaler" Körper für den "modernen Alltag" brauchte. Himmelherrgott, ich würde für einen Gin Tonic töten. Also Drink eingepackt und auf ging’s.
Wie nicht anders zu erwarten war stank es in der Straßenbahn heute verstärk nach Urin, menschlichen Ausdünstungen und der wohl verdienten Prise Eau de toilet in Form einer gigantischen Gaswolke. Sitzplätze gab es zu Hauf -jedoch nicht für mich. In meiner tiefen Agonie versunken stand ich nun zwischen den geschätzten siebenhundert anderen Arbeitnehmern ohne Auto dafür aber mit viel Frust in der Strapazenbahn auf dem Weg ins Büro, als dieser Berufsarbeitslose in die Bahn einstieg. Aber dies machte er nicht wie ein normaler Mensch, nein, nicht heute...
Seine mit Klettverschluss geschlossenen Schuhe setzten mit einem saugenden Quietschgeräusch auf dem Boden auf und sogen sich fest, sodass sie sich mit einem schmatzenden Ton bei dem nächsten Schritt lösten. Und wie es kommen musste wollte dieser einen Meter neunzig große Silberrücken natürlich an mir vorbei. Das wäre ja in Ordnung gewesen, aber die Bahn war voll.
In meinen Gedanken zählte ich schon mit... "Drei, zwei, eins und ... jetzt!" "EY DU KLAPPSPARTEN. GEH MIR AUSM LICHT, SONST KANNSTE DIR GLEICH DIE RADIESCHEN VON UNTEN ANSEHEN! " Ähm, ja.. tschuldigung, aber es..." "ABER WAS, MANN SACH MA HAB ICH NULL GEWÄHLT, ODER WAS!" Nun war diese Personifizierung einer Comicfigur voll und ganz in ihrem Element. Es ist doch erstaunlich, wie man mit einem so eingeschränkten Wortschatz über so viele verschiedene verbale Ausschweifungen verfügen kann. Nachdem er seinem Ärger über mein Stehen Luft gelassen hatte, stellte sich wieder diese Ruhe in der Bahn ein, wie man sie kannte - HipHop vom Handy. Die von mir freundlich als "Nachwuchs der bildungsfernen Schicht und potenzielle Nachwuchsberufsarbeitslose" bezeichnet Handygeneration zeigte, zu was ihre mobile Telefonzelle im Stande war.
Ich würde mich ja gar nicht über diesen Zustand beschweren, er ist ja Alltag, aber das was danach kam setzte dem Ganzen die Krone auf. Mein Arbeitsplatz.



LG
Schattenfuchs
Schattenfuchs ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Ein billiger Tod

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.