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Alt 12.09.2017, 12:50   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Wer spielt was - Tina sucht die Liebe, Teil 18

Isabells Bemerkung war so laut gewesen, dass einige Köpfe herumflogen und Tina und Hendrik, die Hand in Hand hereingekommen waren, fast die ungeteilte Aufmerksamkeit der anderen Eleven im Theaterraum auf sich zogen. An einem anderen Tag hätte Tina das vielleicht sogar genossen; momentan waren ihre Gedanken aber noch bei dem Vorfall, der sich kurz zuvor bei ihr zu Hause abgespielt hatte. Auf jeden Fall war sie erleichtert und glücklich darüber, dass Hendrik es ihr wohl verziehen hatte, dass sie ihm hinterher spioniert hatte. Aber ein wenig musste sie auch daran denken, dass sie immer noch nicht wusste, warum Hendrik Christian im Park gesprochen hatte und Hendrik ihr von diesem Treffen nichts hatte erzählen wollen. Vorhin hatte sie sich, nachdem er sie sofort zur Rede gestellt hatte, nicht mehr getraut, danach zu fragen. Sie verschob dies in Gedanken auf später, das konnte jetzt auch noch bis nach der Theaterprobe oder sogar bis morgen warten.

Hendrik reagierte völlig gelassen auf Isabells Bemerkung und die Blicke der anderen. Lässig drückte er nur Tinas Hand ein wenig fester und sie gingen zusammen weiter, bis sie schließlich bei den anderen, die sich schon zur Probe versammelt hatten, stehen blieben. Einige schauten sie neugierig an, andere waren schon wieder in ihre eigenen Gespräche vertieft. Isabell warf Hendrik einen abschätzenden Blick zu, schüttelte dann den Kopf und flüsterte Alina, die neben ihr stand, etwas ins Ohr, woraufhin diese leise kicherte.
Cassie löste sich aus der Gruppe und kam auf Tina zu.
„Seid ihr jetzt zusammen? Das ist ja ein Ding!“ Sie lachte fröhlich.
„Ich bin übrigens auch frisch verliebt, Carsten und ich sind seit Sonntag zusammen. Dann hast du deinen Francois wohl abserviert?“
„Francois?“ Hendrik blickte Tina von der Seite an. Er konnte mit dem Namen nichts anfangen. Tina hatte doch gesagt, sie hätte vor ihm noch nie einen Freund gehabt?
„Das war nur ein Freund aus dem Internet, wir haben nur gechattet“, beeilte Tina sich zu erklären, froh darüber, dass ihr so schnell eine Ausrede eingefallen war. Sie wollte hier nicht öffentlich vor den anderen zugeben, dass sie sich diesen Francois nur ausgedacht hatte und dass dies auch außerdem eher dem Umstand zu verdanken war, dass Kurt sie für verliebt gehalten hatte. Zum Glück plapperte Cassie aber schon weiter in ihrem Mitteilungsdrang und Tina war dankbar, dass sie das Thema nicht mehr verfolgte.
„Also Kurt hat vielleicht eine bescheuerte Idee. Er ist schon da, hat sich aber nochmal verzogen, um zu telefonieren. Irgendso ein Bekannter von ihm, der auch Theaterleiter ist und in vier Wochen nach München kommt, will „Romeo und Julia“ unbedingt sehen und deswegen sollen wir jetzt alles in vier Wochen auf die Reihe bekommen. IN VIER WOCHEN! Dabei wissen wir immer noch nicht wirklich, wer Romeo und Julia spielt.“
Jetzt mischte sich Thomas ein, der bis dahin geschwiegen hatte und sich sogar darauf beschränkt hatte, Hendrik beim Reinkommen nur einen giftigen Blick zuzuwerfen.
„Ich würde mich jedenfalls wundern, wenn der Loser hier ihn spielen würde“, sagte er, aber Hendrik ignorierte ihn einfach und sah durch ihn hindurch, als ob er Luft sei. Thomas wollte noch etwas sagen, wurde aber durch Kurt unterbrochen, der – das Handy noch in der Hand – durch den Seiteneingang vor der Bühne auftauchte.
„So, das wäre geschafft“, verkündete er.
„Wir haben die Bühne für die Vorstellung in vier Wochen, wenn mein Freund aus Amerika kommt. Dem werden wir einen Shakespeare bieten, wie er ihn noch nie gesehen hat.“
Ein Raunen erhob sich, dann ein Jubeln und Klatschen. Kurt verbeugte sich geschmeichelt vor seinen Eleven.
„Danke, danke! Ich habe nicht dran gezweifelt, dass ich mich auf euch verlassen kann. Und jetzt müssen wir uns sputen, damit wir das auch schaffen.“
Kurts Blick flog über seine Eleven.
"So, vier waren ganz vorne in der Abstimmung für den Romeo und die Julia, das waren Hendrik, Thomas, Isabell und Tina. Kommt ihr mal alle her zu mir."
Als alle vier vorne standen, verkündete Kurt: "So, eigentlich wollte ich noch eine Stichwahl machen, nochmal mit geheimer Abstimmung und dem Zettelkästchen wie letztes Mal, aber dazu fehlt uns jetzt die Zeit. Wir machen es jetzt so: Ihr spielt alle eine bestimmte Szene nacheinander und wir entscheiden hier und jetzt sofort, wer Romeo und Julia spielt, per Abstimmung danach. Ihr vier geht dann eben solange raus."
Als Thomas protestieren wollte, winkte Kurt energisch ab.
"Ja ja, wenn wir Zeit hätten, würde ich es auch anders machen, aber die Zeit sitzt uns jetzt im Nacken. So, die erste Szene spielen Hendrik und Isabell: Erster Akt, 5. Szene, auf dem Fest im Hause der Capulets, ab da, wo Romeo zu Julia tritt. Hendrik, fang an mit den Worten:
„Entweihet meine Hand verwegen dich,
O Heil'genbild, so will ich' s lieblich büßen.“
"Das ist die Szene, wo Romeo Julia küsst", schoss es Tina durch den Kopf und ohne, dass sie es eigentlich wollte, platzte sie heraus: "Ich dachte, ich würde mit Hendrik spielen wie die letzten Male!“
"Du hast wohl schon Angst, dein neuer Freund würde mit mir fremdgehen!" rief Isabell belustigt und so laut, dass alle es mitbekamen.
„Kein Wunder, das hätte ich an deiner Stelle aber auch!“
Kurt überhörte Isabells Bemerkungen und auch das leise Kichern einiger anderen Eleven und wandte sich an Tina.
"Das spielt überhaupt keine Rolle, wer mit wem vorher geprobt hat. Wie lange bist du schon hier beim Theater dabei? Das solltest du wirklich wissen. So, und jetzt los, ich hoffe, ihr könnt euren Text. Bei Hendrik jedenfalls habe ich da gar keinen Zweifel.“
Er nickte Hendrik zu und forderte ihn mit einer Handbewegung dazu auf, anzufangen.

Hendrik hatte den kleinen Wortwechsel mit unbewegter Miene verfolgt, obwohl ihm Tinas Protest vor allen anderen nicht sehr behagt hatte. Schließlich hatten sie ja allen demonstriert, dass sie beide zusammen waren – spielte es da wirklich eine Rolle, wer mit wem probte? Und – war sie tatsächlich auf Isabell eifersüchtig, obwohl sie gar keinen Grund dazu hatte?

Er fing an, seinen Text zu sprechen. Isabell fiel an den entsprechenden Stellen ein und war erstaunlich gut, auch sie konnte den Text auswendig. Zweimal musste er sie während dieser Szene küssen, was ihm nicht sonderlich schwer fiel. Als sie mit der Szene geendet hatten, klatschten alle wie wild Beifall, außer Tina, die mit zusammengepressten Lippen da stand und sich nicht rührte. Das würde ihr gerade noch einfallen, Isabell Beifall zu zollen! Dass sie damit auch Hendrik die Anerkennung versagte, fiel ihr in dem Moment gar nicht auf.

„Das war gut, sehr gut! Prima gemacht!“, rief Kurt.
„So, und jetzt spielen Thomas und Tina die gleiche Szene.“

Nachdem diese die Szene gespielt hatten und zwar auch Applaus, aber lange nicht einen solchen Begeisterungssturm wie Isabell und Hendrik vorher geerntet hatten, schickte Kurt alle vier mit den Worten: „So, wir anderen stimmen jetzt ab“ nach draußen.

Sie waren kaum vor der Tür, als Thomas sich an Hendrik wandte und sagte: „Du weißt ja hoffentlich, was du zu tun hast.“
„Wie bitte?“
„Es ist ja wohl klar, dass du auf die Rolle verzichten solltest, selbst wenn du gewählt wirst.“
„Du hast sie doch nicht mehr alle! Ganz bestimmt nicht!“
Hendrik schüttelte den Kopf.
„Na dann – du wirst ja sehen, was du davon hast“. In Thomas' Stimme lag fast so etwas wie eine Drohung.
Hendrik schüttelte den Kopf und ging ein paar Meter weiter, um sich eine Zigarette anzuzünden. Dabei fiel ihm ein, wie Thomas und er hier vor ein paar Wochen nach der Probe zusammen geraucht hatten. Wie viel war seitdem passiert!
Isabell hatte sich auf die Mädchentoilette verzogen und legte dort wahrscheinlich ausgiebig neues Make-Up auf. Tina nutzte die Gelegenheit, Hendrik leise zu fragen: „Findest du Isabell eigentlich hübsch?“
Hendrik sah sie an, erstaunt über die Frage.
„Hässlich ist sie nicht“, sagte er dann und als er Tinas Gesicht sah, fügte er hinzu: „Soooo eifersüchtig? Das ist doch Unsinn. Theater ist Theater, das weißt du doch wohl auch.“
Ehe Tina antworten konnte, kam Isabell zurück und lächelte Hendrik an.
„Du kannst ja gut küssen, Romeo“, sagte sie, „wir als Paar werden bestimmt alle bei der Aufführung umhauen.“
„Es ist noch lange nicht raus, ob du die Julia spielst“, warf Tina ein.
„Ach, meinst du? Na, ich habe jedenfalls noch nie eine pummelige Julia gesehen, also mach dir mal nicht allzu viele Hoffnungen, dass du die Rolle bekommst.“

Von der Tür her ertönte Kurts Stimme:
„So, alle wieder reinkommen! Wir haben abgestimmt!“
Als wieder alle im Saal versammelt waren, verkündete Kurt:
„Also – es war ziemlich knapp. Es sind nur zwei Stimmen Unterschied bei Romeo gewesen – und nun ist es raus: Hendrik hat gewonnen!“
Diesmal johlten und klatschten fast alle, nur Thomas stand mit verbissenem Gesichtsausdruck da und ballte die Fäuste, aber niemand achtete auf ihn.
Dann sprach Kurt weiter.
„Bei der Julia war es nicht ganz so knapp, vier Stimmen Unterschied. Und wegen dieser vier Stimmen mehr gewonnen hat – Isabell!“
„Das darf doch nicht wahr sein“, dachte Tina. Hendrik sah ihren enttäuschten Gesichtsausdruck und neigte sich zu ihr.
„Meine Julia bist du trotzdem“, flüsterte er ihr leise ins Ohr.


- Fortsetzung folgt -

Geändert von DieSilbermöwe (12.09.2017 um 16:56 Uhr) Grund: Eine Satzumstellung
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Alt 13.09.2017, 19:10   #2
weiblich Ilka-Maria
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Hoppla! Jetzt hast du mich überrascht. Es ist genau richtig, an dieser Stelle den Bogen nochmal zu spannen, aber trotzdem habe ich nicht mit dieser Entwicklung gerechnet. Der Leser ist natürlich stocksauer, dass Isabelle das Rennen gemacht hat. Was wird er wohl denken? Wahrscheinlich wünscht er sich, dass sie sich vor der Premiere ... . Ich schreibe es lieber nicht aus, denn falls ich ins Schwarze träfe, wäre dir der Spaß verdorben, die Geschichte genau so weiterzuerzählen.

Also nehme ich mich still zurück und warte ab, was weiter geschieht.

LG
Ilka
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Alt 14.09.2017, 11:51   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Freut mich, dass ich dich doch noch überraschen konnte
Tja, wünscht sich der Leser ein Happy end?
Eigentlich habe ich mir mit dieser Entwicklung auch selber ein Bein gestellt, denn jetzt wird es wesentlich schwieriger, weiter zu schreiben. Ich habe gestern geschrieben und geschrieben, war nicht zufrieden und alles ist wieder im virtuellen Papierkorb gelandet (auf Papier schreibe ich nie). Jetzt habe ich nicht nur den Anspruch an mich selbst, eine Geschichte zu erzählen, sondern eine supergute Geschichte zu erzählen. Gar nicht so einfach...
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