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Sonstiges Gedichte und Experimentelles Diverse Gedichte mit unklarem Thema sowie Experimentelles.

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Alt 05.05.2010, 17:24   #1
weiblich Aquaria
 
Dabei seit: 02/2010
Alter: 42
Beiträge: 521

Standard unsere Farben

Ein Weilchen kehrten wir splitterndes Glas
wüst verstreut auf der Lebensstraße
wir kehrten auf beiden Wegen
um später nicht mehr zu stolpern

Du hast einen Mixer befüllt
mit unseren Scherben und Wasserfarbe
daraus nähte ich Kleider

Jetzt schillere ich vor deinen Farben,
vor meinen Augen: Bunte Feuerbälle
Lichtdurchflutete Lebenslust
Aquaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2010, 00:56   #2
männlich Glasauge Bill
 
Dabei seit: 07/2007
Alter: 34
Beiträge: 494

Hallo Aquaria,

Deine schönen Zeilen sind schon fast im Gedichtesturm dieses Fleckchens Internet verschwunden, also wird es Zeit sie wieder freizulegen. Ich hatte schon längst vor, hier meine Gedanken fliegen zu lassen, musste sie aber die letzten Tage an kurzer Leine halten und komme nun erst jetzt dazu.

Ich muss mich Entschuldigen, denn ich habe ohne zu fragen in deinen Werken gewühlt, sie gelesen, zerknickt und zerissen, ohne auch nur einen einzigen Wortfetzen von mir zu geben - bis ich in einer Schublade dieses unberührte Gedicht von dir fand, was so aus den andren hervorsticht und mir deswegen zielstrebig vor die inneren Augen glitt.

Es ist dieses Szene eines Neuanfangs, eigentlich nichts außergewöhnliches, aber hier durch sehr schöne und äußerst prägnante Bilder arrangiert. Dieses splitternde Glas, als Symbol für etwas zerbrechendes; Auseinandergehen. Durch das kehren kommt für mich eine innere Hoffnung auf; Außerdem assoziiere ich damit einen "Polterabend". Lyrich und Lydu räumen in ihrem (gemeinsamen) Leben auf, schaffen beidseitig(kehren auf beiden Wegen) Probleme (Scherben) aus der Welt um dadurch die Bahn für ein erfülltes Leben zu ebnen (um später nicht mehr zu stolpern). Damit ist eigentlich in der ersten Strophe alles gesagt. Auch die beiden anderen fügen dem nichts mehr hinzu außer: eine Bildlichkeit, die mich absolut überzeugt. Besonders gefällt mir das Zusammenspiel aus Scherben, Mixer, Wasserfarben und Kleidernähen! Auf dieses möchte ich auch gar nicht weiter eingehen, denn sie stehen für sich alleine sehr gut!

Jetzt kommt ein kleines aber: Nach der tollen zweiten, überzeugt mich die dritte Strophe nicht mehr so wie ich es gerne hätte. Sie ist so lalala, aber nicht KaBoom. Hinzu kommt, dass mich der Parallelismus ein wenig stört: vor deinen Farbe/vor meinen Augen. Auch das Wort "Feuerbälle" will sich nicht in das Gesamtbild einfügen, schade. Wohingegen die Alliteration "Leuchtdurchflutete Lebenslust" eine würdige Schlusszeile darstellt.

Im gesamten hat es mir aber sehr gefallen. Besonders hervorzuheben ist der zweite Leseeindruck. Denn scheint die Thematik beim ersten Lesen in schwarz-weiß zu sein, so strahlt sie beim zweiten Mal in voller 64 Bit -Farbtiefe,bravo!

Yeah, das war schön zu lesen und zu kommentieren, so sollte es immer sein!

Sagt Glasauge Bill und wünscht ne gute Nacht.
Glasauge Bill ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2010, 13:23   #3
weiblich Ex-phönixe
abgemeldet
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 401

Hallo Aquaria,
ich finde den Schluss nicht gelungen und schreibe dir meinen Vorschlag,
denn mir ist es zu farblos für einen Abschnitt, ( Leben) der doch wohl hoffentlich den Versuch - das Besondere- hervorheben sollte
( Lebensstrasse und Lebenslust sind mir schon zu schlicht)

--------------------------------

jetzt schillere ich Farbgesprenkelt
über glühende Augen
lichtduchflutender Lust

--------------------------------

fände ich angemessener
( so wäre für mich deutlicher dass es sich um 2 Individualisten handelt- die nicht zu einer Unifarbe verschmelzen)
Ex-phönixe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.05.2010, 16:23   #4
weiblich Aquaria
 
Dabei seit: 02/2010
Alter: 42
Beiträge: 521

Hallo ihr Lieben,

erst mal ein sorry für die späte Antwort, war ein Weilchen abwesend und habe eure Kommentare erst jetzt gefunden.

Bill,

bitte gerne weiter in meinen Gedichten herumwühlen, aber nicht gleich zerreißen, sondern lieber mal kräftig mit dem Rotstift drüber Dieses Gedicht war tatsächlich Neuland für mich und entspricht eigentlich nicht meinem Stil, weil ich versucht habe formlos aussagekräftige und starke Methaphern zu einem runden Ganzen zusammenzufügen, inspired by ?
Hier bin ich aber blutiger Anfänger...
Deine Interpretation trifft es größtenteils, allerdings beschreiben die Strophen schon eine Entwicklung zwischen zwei Menschen:

S1) beschreibt das Aufräumen im eigenen Leben und dem des Anderen. Ich dachte an ein Gespräch mit einem Fremden, vielleicht nach einer durchsoffenen Nacht, wenn man sich, wenn es gerade hell wird, mit einem wildfremden Jemand in einem Häusereingang mit Blick auf die scherbenübersäte Straße wiederfindet, sich das letzte Bier teilt und anfängt zu erzählen... So entstand das, natürlich nicht neue, Scherbenbild bei mir.

S2) Hier beginnt ein neuer Anfang. Die Scherben zweier Individuen, die man ja nicht leugnen oder einfach wegwerfen kann, werden zusammen mit Wasserfarbe (mit Impulsen, Perspektiven und Eindrücken) des anderen in einem Mixer kleingehäckselt, bis man sich nicht mehr an ihnen schneiden kann. Daraus entsteht ein funkelnder, farbenprächtiger Stoff, mit dem sich beide neu einkleiden können, aber auch (durch dessen Bestandteile) die Lasten des Anderen mittragen. Die Arbeitsteilung bei diesem Prozess sollte den Eindruck verhindern, dass beide dadurch ihre Individualität einbüßen.

S3) Hier erfolgt ein Zeitsprung. Wir sind im hier und jetzt. Ich wollte eigentlich erzählen, dass die gemeinsamen Kleider, die in S2 ja erst mal ein lockerer Überwurf waren, ein Hoffnungsschimmer, ein Stück weit zur Persönlichkeit beider geworden sind. Die beiden sind sich ähnlicher geworden, sind zusammengewachsen, haben sich intensiv kennengelernt und die Beziehung ist stabile Realität geworden. Aber es stimmt, besonders gelungen ist mir das nicht. Den Parallelismus finde ich allerdings immer noch schön, erst einmal wegen der Sprachvariante mit vor: vor deinen Farben (instrumental: durch deine Farben, durch dich) dann: vor meinen Augen (lokal, du vor mir). Es sollte zeigen, dass beide Teile von sich selbst im anderen wiederfinden, sie stehen sich gegenüber und sehen im anderen auch sich selbst. Die bunten Feuerbälle sind der falsche Ausdruck, die sind zu laut und zu bedrohlich, das stimmt auf jeden Fall. Werde noch mal drüber nachdenken.

Danke dir für den ausführlichen Kommentar, einen Farbklecks für dich aufs Glasauge,
Aquaria



phönixe,

Zitat:
jetzt schillere ich Farbgesprenkelt
über glühende Augen
lichtduchflutender Lust
farbgeprenkelt finde ich einen tollen Ausdruck, aber die glühenden Augen lichtdurchfluteter Lust sind mir zu erotisch angehaucht, das ist nicht, was ich ausdrücken möchte.


Zitat:
so wäre für mich deutlicher dass es sich um 2 Individualisten handelt- die nicht zu einer Unifarbe verschmelzen
Ja, da triffst du einen wunden Punkt. Die Individualität behalten und trotzdem mit dem Partner irgendwie verschmelzen können. Es ist mir nicht ganz geglückt das so zu beschreiben. Ich weiß es noch immer nicht besser

Danke für die Vorschläge und für das aufmerksame Lesen!

Aquaria
Aquaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.06.2010, 01:02   #5
männlich Glasauge Bill
 
Dabei seit: 07/2007
Alter: 34
Beiträge: 494

Liebe Aquaria,


Vielen Dank für deine näheren Ausführungen!
Neuland zu betreten ist - wie man sehen kann - nicht unbedingt schlecht. Dir ist es gelungen deine Intensionen geschickt umzusetzen, anfängerhaft wirkt da nichts. Die Entwicklungen, die du beschreibst sind mir beim Lesen nicht direkt bewusst geworden, auch wenn ich sie nun klar sehe - aber so ist es nun mal, wenn man die Gedanken des Autors kennt.
Die Beschreibung der Arbeitsteilung die die damit verbundene Einbehaltung der individuellen Charakterzüge gefällt mir unter diesem Gesichtspunkt um so mehr!

Beim Lesen mit Abstand finde ich den Parallelismus auch wesentlich besser als noch beim letzen Mal!

Ich habe mal mit meinem farbverklecksten Auge traurige Realität weitergesponnen. Gute Nacht, Glasauge Bill.


Ein Weilchen tanzten wir in unsren Kleidern,
der frühen Nachluft entgegen um
kühles Mondlicht zu trinken.
schillernder Stoff auf brüchiger Haut,

Ich ließ die Hüllen fallen
und knäuelte meine Farben in die Ecke
wo sie zerbrachen.

Jetzt stehe ich nackt vor dir,
vor deinen Augen: erloschene Flammen,
Fleckige Hilflosigkeit.
Glasauge Bill ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.06.2010, 11:31   #6
weiblich Aquaria
 
Dabei seit: 02/2010
Alter: 42
Beiträge: 521

Oh, das ist aber schade, da habe ich sie zurück ins Leben geholt und du lässt sie scheitern

Aber gut, wenn es sein muss . Die erste Strophe ist sehr schön, der Gegensatz zwischen dem geschmeidigen, schillernden Stoff und der brüchigen, unvollkommenen Haut darunter. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und zücke selbst den Rotstift. Ich hätte es so gemacht:

Ein Weilchen tanzten wir in unsren Kleidern,
der frühen Nachluft entgegen um
im Mondlicht zu schillern
schmeichelnder Stoff auf brüchiger Haut,


In der S2 fehlt mir der Gewaltakt. Wenn es eine Art Fortsetzung ist, dann sind beide mit ihren Kleidern nach einiger Zeit verwachsen. Sie können sie nicht einfach ablegen, sie stehen ja für Teile beider Persönlichkeiten mit denen sich der andere längst identifiziert hat. Das Ablegen, oder besser Herunterreißen der Kleider wäre dann, wie am Ende zu sagen:"Es ist aus!" Aber der Trennungsprozess fängt dann ja erst an, so als ob Fetzen der Kleider in der Haut zurückbleiben, die alle einzeln rausgepult werden oder rauseitern müssen, oder so. Und genau das ist das Schmerzhafte, wenn man auseinandergeht. Oh ha, ich steiger mich vielleicht auch ein bisschen zu sehr in diese Metapher...

Ich ließ die Hüllen fallen
und knäuelte meine Farben in die Ecke
wo sie zerbrachen.



S3 gefällt mir wieder gut, fleckige Hilflosigkeit ist gut. Man denkt an Haut, die lange bedeckt war, blass und fleckig und das um so mehr im Kontrast zu den schillernden Farben der Kleider.

Jetzt stehe ich nackt vor dir,
vor deinen Augen: erloschene Flammen,
Fleckige Hilflosigkeit.

Na dann, tick-du bist dran

A.
Aquaria ist offline   Mit Zitat antworten
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