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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 02.05.2014, 14:10   #1
weiblich Skaana
 
Dabei seit: 11/2013
Alter: 29
Beiträge: 6

Standard Das Chamäleon

Zu Anfang möchte ich Ihnen eines sagen:

Ich bin wandelbar und anschmiegsam wie ein Chamäleon.
Ich habe ein tiefes Gespür dafür, was die Menschen sich wünschen:
Worte, Blicke, Geschichten, Gesten. Hier ein erschrockener, zum o-geformten Mund, da eine hochgezogene Augenbraue, die Interesse zeigt und dann wieder ein stummes, verständnisvolles Nicken.
Ich habe meine Mitmenschen studiert, seit frühester Kindheit.
Und bei Gott, das musste ich auch. Als Kind war diese Fähigkeit für mich unentbehrlich, fast schon überlebenswichtig.
Die meisten Menschen sind so vorhersehbar, dass es mich anwidert. Sogar ihre Wandel kann man ziemlich genau erahnen. Aber am meisten widere ich mich selbst an : Ich trage diese Züge nämlich genauso.
Wie ich früher (und auch jetzt noch) die ,,Anderen’’ studiert habe, habe ich das irgendwann auch bei mir getan. Nun denke ich, dass ich jedes Gefühl, jeden Gedanken, jeden Schritt den ich als nächstes mache, vorausahnen kann. Wenn einem die Fähigkeit abhanden kommt, sich selbst zu überraschen, dann ist das tragisch.

,,Ich kenne mich’’- früher nahm ich dies als eine lapidare Tatsache hin, weil man eben weiß wer man ist, was man so tut und so weiter.
Aber was das wirklich bedeutet - sich zu kennen oder gar zu erkennen – kann furchtbar sein. Nämlich dann, wenn man gezwungen ist, seinen Abgründen, den Dämonen, den erbärmlichsten Teilen eines selbst ins Gesicht zu schauen. Ich habe gesehen, wie verzweifelt ich mich selbst belog, wie ich meine eigene Intelligenz dazu benutzte, mich zu überlisten.

Ehrlich, sich selbst auf die Spur zu kommen kann sehr spannend und aufreizend sein. Zumindest bevor man in die Tiefe eindringt. Wenn man irgendwann aufhört – weil man aufhören muss -, fühlt man sich nackt und schmutzig. Als hätte man sich vor jemandem ausgezogen, von dem man dachte, man sei etwas besonderes für ihn. Man gibt sich ihm ganz und gar hin – aber nach dem Verkehr sieht er einen kaum noch an, sondern ergötzt sich lediglich daran, dass er befriedigt ist. Und plötzlich hat man das Besondere verloren, man spürt es ganz genau.
Ich kann Ihnen nicht beschreiben, warum es sich so anfühlt, aber das tut es. Für mich jedenfalls. Hätte ich einen Wunsch frei, dann wäre er ganz simpel : Ich wünschte, ich hätte manche Teile von mir lieber im Verborgenen gehalten. Denn mein Ich ist brüchig, und vieles davon, was es verzweifelt zusammenhält, ist wie Jahrzehnte alter Klebstoff: zäh und übelriechend.
Skaana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.09.2016, 19:13   #2
männlich dr.Frankenstein
 
Benutzerbild von dr.Frankenstein
 
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.467

Ja das ist es wohl. Der Jahrzehnte alte Klebstoff ist aber bei jedem vorhanden.
Wird es Zeit für ein Bad im Lösungsmittel.
dr.Frankenstein ist gerade online   Mit Zitat antworten
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Stichworte
analyse, identität, psychologie

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