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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 02.04.2018, 21:46   #1
männlich Parmonid
 
Dabei seit: 03/2012
Alter: 34
Beiträge: 64

Standard Genealogie der Entgleisung

Ich bin ein Scherbenhaufen, tausende zerschmetterte Fragmente, die nur dem Kunstfertigsten noch Möglichkeiten der harmonischen Zusammenfügung bereithalten. Und selbst dieser wird nicht umhin kommen, massive Leerstellen durch fremdartigste Materialien zu füllen. Doch dieser Meister kann doch unmöglich ich selbst sein. Dieser ruhmlose Meister ist nur eine Wunschprojektion, der in verschollenen Idealen zu Hause ist. Die sogenannte wirkliche Welt muss zwangsweise ohne ihn auskommen. Ich muss ohne ihn auskommen. Kann ich zu diesem Meister werden? Irgendwann? Gewiss. Doch das Licht der Hoffnung ist trüb, durch unzählige milchige Spiegel gebrochen und nur eine dumpfe Ahnung im wüsten Chaos einer anarchischen Landschaft, wo selbst ein optimistisch gestimmter Geist, durch so viele Entbehrungen geschritten, dass jede schimmernde Oase ihn nur müde lächeln lässt. Die Schlaflosigkeit entwickelt sich zu einem Geschwür. Einem Tumor, dessen Existieren auf einer perversen, selbstzerstörerischen und auf so unwahrscheinlichen Irrationalismen beruhenden Dämonenbeschwörung gründet, dass es ein Fest ist. Ein dionysisches Fest brennender Augen und flammender Wut, die schreit und wahnsinnig lacht und mit sich reißt, was sich prahlerisch das Siegel der Stabilität und Ordnung auf die Brust geheftet hat, um dann, mit mörderischer Notwendigkeit und in geradezu lächerlicher Schnelle, ohne Widerstand verschluckt und vergessen zu werden. Was ist der Mensch, wenn er nicht leben kann? Wenn er niemals atmen kann? Ein Gefängnis, das keine Gitter und kein Dienstpersonal braucht. Es braucht nur mich. Ein blindes, um sich schlagendes Panoptikum. Es braucht nur mich. Nur mich. Und jetzt, mein verehrter Traumbewohner… jetzt machen wir Schluss. Man könnte ja noch matt und müde werden und das schöne Fest verderben. Nichts auf der Welt fürchten wir so sehr wie einen solch bebenden Skandal bereitwilligster Eifrigkeit der ewiglichen und uns ach so lieb gewordnen Wiederkehr der Unvernunft einen Streich zu spielen. All das haben wir vorausgefühlt. Was wäre denn noch heilig in der Welt, wenn wir, du und ich zahm und eifrig wären? Was wäre da noch erlaubt? Das taugt doch nichts. Nicht jetzt. Nicht in dieser Zeit.
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