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Tanka-, Haiku- & Senryu-Gedichte Ursprünglich japanische Gedichtformen mit wachsender Beliebtheit.

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Alt 27.10.2017, 21:06   #34
männlich Sonnenwind
 
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Ich hatte mal geschrieben:

So rot blüht der Mohn.
Über wogendem Weizen
Zwitschert die Lerche.

Abgesehen vom überflüssigen Füllwort "So" am Anfang, der Alliteration "wogendem Weizen" (Reime hätten in einem Haiku nichts zu suchen, auch keine Alliterationen), der Tatsache, dass "Mohn" stets "rot" blühe,

wurde der -blühender Mohn, -wogender Weizen, die -zwitschende Lerche als dreifacher Jahreszeitenbezug kritisiert.
Sonnenwind ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2017, 21:35   #35
wolfgang
 
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Man kann Reime schreiben, die Assonanz etwa ist ein gängiges Mittel. Alliterationen ebenfalls.

Beim Thema Mohn bin ich überfragt, wenn es den nur in rot gibt, kann man sich das rot sparen, das stimmt leider. Du würdest ja auch nicht zum Beispiel das "nasse Wasser" schreiben - oder?

Mein Problem ist eher anders: Du hast ein reines Naturbild geschrieben. Es fehlt mir eine klare Aussage.

Ich stelle mir gerade Bauern vor, die Weizen ernten.

Der Mähdrescher ruht.
Über wogenden Weizen
zwitschert die Lerche.

Das wäre, in meinen Augen, ein astreines Haiku.

Wer erhebt Einsprüche?
wolfgang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.10.2017, 09:26   #36
männlich Sonnenwind
 
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Hallo wolfgang,

da muss ich mich wohl echt noch einmal intensiv mit der Thematik auseinandersetzen. Was mich immer wieder rausbringt, sind die Widersprüchlichkeiten in den Ausführungen über Haikus.

Im Kopf hatte ich zum Beispiel auch, dass ein Bezug zur Kultur, dazu würde für mich schon ein Mähdrescher gehören, nicht gesetzt werden sollte.

Dann kommen generelle Zweifel - inwiefern kann eine Gesellschaft (wie die Deutsche Haiku-Gesellschaft) verbindlich festlegen, wie ein Haiku auf Deutsch zu definieren sei. Oder handelt es sich nur um Empfehlungen?

LG
Sonnenwind
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Alt 28.10.2017, 18:40   #37
wolfgang
 
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Haikus sind Gedichte. Es mag Besonderheiten geben, das aber ändert nichts an ihrer grundsätzlichen Eigenschaft als Gedichte.

Wenn Dich Haikus interessieren, schreib doch. Mal ehrlich: Was interessiert die Meinung anderer? Sie müssen doch Dir gefallen.

Was heute ein Haiku ausmacht, lässt sich nicht genau auf den Punkt bringen, da wir heute anders schreiben, als noch Basho, der immer als Vater des Modernen Haikus genannt wird. Doch selbst Basho hat nicht so geschrieben, wie es zu seiner Zeit üblich war. Damals war das Haiku noch der Anfangsvers eines größeren Gedichts. Basho löste aber das Haiku vom größeren Gedicht und etablierte es als eigenständige Form. Und nicht nur das, er lehrte Schüler, ihm zu folgen. Heute schreiben wir Haikus, das ist für uns normal. Zu seiner Zeit war es das nicht. Damals fühlten sich einige vor den Kopf geschlagen, weil sie meinten, Basho dichte "falsch".

Hat Basho nun "richtig" oder "falsch" gedichtet?

Wenn Du Haikus schreiben willst, frage Dich einfach, was genau Du ausdrücken willst? Dein Haiku hatte keine klare Aussage. Warum das so war, kann ich Dir nicht sagen. Vielleicht wolltest Du Dich nicht festlegen. Du wolltest offen und vielsagend sein. Das ist kein schlechter Ansatz, aber überlege bitte, wäre es so einfach, könnte man auch schreiben: Doris öffnete die Tür und erschrak, weil ... Und jetzt kann jeder selbst überlegen was hinter der Tür ist. Das ist offen und vielsagend, aber ist es ein Gedicht? Ist es Kunst? Ist es überhaupt irgendwas? Ich mache es einfach: Es ist nichts. Wer glaubt, so funktioniere Kunst, der glaubt auch, ein Bildhauer haue einfach nur Stücke aus Marmor heraus, bis eine Figur übrig bleibt.

Ein Haiku ist ein Gedicht, es braucht einen Anfang und ein Ende. Und es braucht eine Aussage. Ist das logisch? Was ist jetzt so kompliziert an einem Haiku? Offenbar die Tatsache, dass es aus Japan stammt. Haben Japaner drei Arme? Haben Japaner zwei Gehirne? Sind Japaner überhaupt von der Erde? Das klingt jetzt absurd, hört man, wie über das Haiku gesprochen wird, könnte man all das annehmen. Irgendwie sind Japaner anders, also muss es auch das Haiku sein. Ich kann Dich beruhigen: Japaner sind auch nicht anders als wir Europäer. Oder überhaupt als andere Menschen. Und das Haiku ist ebenfalls nicht "anders" es ist ein Gedicht.

Mal nebenbei, ich kann mich nicht erinnern, dass Japaner ein solches Theater aufführen, wenn sie, sagen wir, Epigramme besprechen.

Es liegt wohl an uns Deutschen, dass wir vom Drang besessen sind, alles "korrekt" machen zu müssen. Darum sagt man auch, Pünktlichkeit sei eine deutsche Eigenschaft. Pünktlich, sauber, korrekt - der typische Deutsche.

Ok, ich glaube, Du hast jetzt verstanden, dass man selber denken muss, wenn man Gedichte schreiben will?

Dann lass uns anfangen.

Welches Thema? Das ist egal, aber nehmen wir, weil passend, den Herbst.

Was macht man jetzt mit dem Herbst? Ich mache daraus einen Regentag.


In eine Pfütze
scheint der Zipfel der Sonne -
dann wieder Wolken


Oje, wir haben kein Kigo! Drama! Weltuntergang! Man reiche mir ein Samuraischwert, damit ich - Zwiebeln schneiden kann! Oder hat jemand gedacht, ich stoße es mir in den Leib? Hahahaha!

Das war nun ein Haiku. Wir hatten ein Thema: Regentag und haben dafür einen Anfang und ein Ende gefunden. War das jetzt schwer?

Aber was ist mit dem Jahreszeitenwort? Ohne Jahreszeitenwort haben wir doch keinen Haiku! Richtig.

Erstens: Wenn mir das Haiku gefällt, lasse ich es und kümmere mich nicht darum, was andere denken. Punkt.

Zweitens: Wenn zu dem, was ICH sagen will, kein Jahreszeitenwort passt, lasse ICH das Jahreszeitenwort weg. Denn es ist MEIN Gedicht. Punkt.

Ja, aber wir sind in Deutschland und müssen doch alles sauber, pünktlich und korrekt machen!

Und genau da beginnen dann die Probleme. Nein, wir müssen nicht. Wir müssen, wenn überhaupt, nur sterben.

Ok. Und wie wäre der Haiku mit Jahreszeitenwort?

Dazu müssten wir uns überlegen, was genau den Herbst symbolisiert. Regen allein kann zu jeder Jahreszeit fallen, er ist also nicht typisch für den Herbst. In der Regel wird diese Frage damit beantwortet, dass man sagt: Nimm eine Aster! Richtig, die Aster symbolisiert den Herbst. Und es gibt viele schöne Haikus mit Astern. Aber erstens: finde ich Astern langweilig, zweitens: wenn jemanden zu dem Thema nicht mehr einfällt, dann soll er bitte keine Haikus schreiben und drittens: was ist, wenn dass, was ICH sagen will, nichts mit Astern zu tun hat?

Gut, dann überlegen wir uns, was noch alles mit Herbst zu tun hat. Also, da wären: Laub, das von Bäumen fällt. Igel, die sich für den Winterschlaf vorbereiten, Zugvögel, die gegen Süden fliegen. Und ... Und ... Und ... Es ist also nicht so, dass unsere Auswahl begrenzt ist. Aber mach das Astern-Freunden klar! Lass uns den Igel nehmen.

Der Wecker klingelt -
mein Igel bettet sich für
seinen Winterschlaf.



Ja, das ist gut, weil überraschend, man hätte denken können, das ich etwas über mich schreibe, zum Beispiel, wie ich mit einem Schwert Zwiebeln schneide. Stattdessen kommt was über einen Igel. Ein Haiku sollte immer etwas überraschendes bieten. Irgendwas, was man so nicht erwartet hätte.

Und was braucht man alles dazu? Ein Thema, ein Anfang und ein Ende.

Ich hoffe, ich habe genug Verwirrung gestiftet. Wenn nicht, geht Zwiebeln schneiden!

Bis dann!
wolfgang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.10.2017, 21:37   #38
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Zitat:
Zitat von Unar die Weise Beitrag anzeigen
[I]


P.S. Was war denn bei *gelöscht*, was hast du dich denn da wieder nicht getraut. Du weißt, ich kann das ab was du schreibst.
Nein mein Schatz, ich hab dein Gedicht in meinem Gehirn gelöscht.

Fremde Stimme:

Unar hat ein Gedicht über Grautöne geschrieben.

Gem:

Echt jetz?

Gem

Gemini Gedichte, wenn du keine Mutter hattest, hast du sie dann.
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Alt 28.10.2017, 21:42   #39
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Standard An den einzig wahren Gem.

Wieso, ist das so unwahrscheinlich?
Ich, und das Grau?
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Alt 28.10.2017, 22:32   #40
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Unar, Wolfgang hat schon ganz recht, auch wenn er jetzt zu philosophisch wird. Ein Gedicht, egal wie du es verfasst, wird immer nur eine kleine Geschichte sein, mit einem Anfang und Ende. Der Impuls muss aus deinen Zeilen kommen. Ein extrem verkürztes Gedicht erfordert ausgesprochen viel Erfahrung in Assoziationen.
Du bedienst dich ja bei extrem kurzen Gedichten mit einer Bildsprache. Wenn ich es so lesen soll wie du es geschrieben hast, hat es keine Logik. Du hast irgendwann einmal aufgehört zu dichten.
An meiner Kritik erkennst du, dass ich tiefer in das Gedicht gehe und Verbindungen von Grau zu Weiß suche. Auf so einer Ebene zu schreiben ist extrem schwierig.
Je kürzer das Gedicht umso besser die Aussage.
Je weniger du schreibst, desto mehr Gewichtung liegt in den Worten.
Du hast es so geschrieben:

Wiki Haiku

Das kann ich auch

Nein kannste nicht.

Gem
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Alt 28.10.2017, 22:36   #41
weiblich Unar die Weise
 
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Standard An Gem.

Nehme ich so zur Kenntnis, Schatz.
Aber, mir war danach.
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Alt 28.10.2017, 22:41   #42
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Zitat:
Zitat von Unar die Weise Beitrag anzeigen
Nehme ich so zur Kenntnis, Schatz.
Nun weißt du, jedesmal wenn eine Frau so etwas zu mir gesagt hat, endete es mit einem blauen Auge.
Für mich.
Na komm, Kritik muss schon mal sein Unar.

Gem
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Alt 28.10.2017, 22:44   #43
weiblich Unar die Weise
 
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Standard Für Gem.

Ich bin doch harmlos.
Ich hab nichts gegen deine Kritik, ist ja deine!
Nein, jetzt im Ernst. Ich habe dich verstanden.
Habe Wolfgang gegenüber ja schon eingeräumt, dass ich mich ehr darauf einlasse, dass es ein Spruch ist.

Unars Gute-Nacht-Gruß für dich.


Übrigens, danke an Wolfgang, für die ausführlichen Erklärungen.
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
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