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Alt 23.06.2006, 20:04   #1
HoBee
 
Dabei seit: 06/2006
Beiträge: 9


Standard Bleib Tapfer!

Passend zu dem "Gedicht vom Krebssterben" hier die Kurzgeschichte die einige Monate zuvor entstand.

Bleib Tapfer!

Zimmer 216. Vorsichtig öffnete sie die Türe und trat ein. Blassgelbe Wände, grauer Boden, weiße Gardinen vor dem Fenster. Ein leeres Bett mit sterilen weißen Laken.
Im zweiten Bett lag er.
Wie lange war es her? Drei Tage? Eine Woche? Er schien um Jahre gealtert zu sein, in so kurzer Zeit. Zeit, welch kostbares Gut.
Über ihm an der Wand hing ein Regal. Darin stand nur ein Buch, die Bibel. Daneben hing ein Kruzifix. Was hilft das noch?
Hallo, wie geht es Dir? Oh, nein, das konnte sie ihn nicht fragen. Das durfte sie ihn nicht fragen. Sie setzte sich ihm gegenüber auf den unbequem aussehenden Stuhl. Stumm blickte sie ihn an und versuchte ein liebes Lächeln auf ihre Lippen zu bekommen. Wie es ihm gehen musste konnte man sehen. Seine Augen hatten die Farbe der Wände und auch seine Haut war ganz gelb und hing schlaff über seinen Knochen.
Wo war der große starke Mann der sie immer beschützt hatte?
Ein dünner Schlauch bahnte sich seinen Weg aus seinem Brustkorb zu einem Tropf der links neben ihm hing. Auf dem Nachttisch lagen Tabletten. Seine Augen waren halb geöffnet, doch er schien zu schlafen.
Sie stand auf und ging um das Bett herum und stellte sich neben ihn. Sie streichelte kurz über seine Hand. Eine Hand die einst fest zupacken konnte, die harte Arbeit gewohnt war. Er konnte schon lange nicht mehr arbeiten.
Er öffnete die Augen und krächzte mühevoll ein leises „Hallo“. Sie erwiderte sein Hallo mit unterdrückten tränen in der Stimme. Sie lächelte ihn an. Dann eine lange Zeit schweigen.
Das Schweigen schien unerträglich laut zu werden und ließ zuviel Platz für Gedanken, die sie lieber nicht denken wollte.
Warum sagte er nichts? Wollte er ihr nicht ein Wort mit auf den Weg geben? Irgendetwas?
Schweigen.
Die Uhr tickt. Fünf Minuten können eine halbe Ewigkeit sein. Doch er hat keine halbe Ewigkeit mehr Zeit. Zeit, welch kostbares Gut.
Schweigen.
Ist das jetzt alles? Nach 51Jahren Leben liegt diese kraftlose Hülle, an Schläuche und Kabel gebunden da und atmet die letzten Züge. Wo ist der große starke Mann hin?
Schweigen.
Was wird aus all der Lebenserfahrung? Was willst Du Deinen Kindern und Deiner Frau mit auf den Weg geben, den Du nicht weiter mit uns gehen kannst?
Schweigen.
Vielleicht hat er einfach keine Kraft mehr zum reden und es ist jetzt schon zu spät. Wie lange noch? Tage? Wochen? Monate? Konnte er diese Krankheit nicht besiegen? Konnte er nicht einfach wieder nach Hause kommen? Vielleicht wieder arbeiten? Gab es nicht eine Chance von 1%, das er es schaffen kann? Ihre Gedanken überschlugen sich und kreisten wirr in ihrem Kopf umher. Wie lange noch?
Schweigen.
Sie ertrug es nicht länger. Sie musste weg hier. Sie nahm seine Hand in die ihre und drückte sie sanft. Er schien keine Kraft mehr zu haben. Dann brach sie das Schweigen.
„Ich muss gleich zum Auto und nach den Hunden sehen. Die Hunde sind im Auto.“
„Ja, die Hunde“, sagte er und drückte ihre Hand kräftig, als würde er all seine letzte Kraft in diesen Händedruck legen.
„Ich gehe jetzt und sehe nach den Hunden“
Schweigen. Tränen die ihr heiß in den Augen brannten. Sein Gesicht blieb regungslos. Seine Hand drückte noch immer die ihre.
„Bleib Tapfer!“ schluchzte sie bevor sie seine Hand losließ und ging.
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Alt 02.07.2006, 14:33   #2
firefly
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 4


Hmm , *sichamkinnkratzt*

Momentan würd ich mal sagen interessant !
Auch wenn der Titel nicht meine Wahl gewesen wäre , da dein Schwerpunkt nicht auf der Aussage lag , aber okay.

Die erste Hälfte hast du nur mit der Personenbeschreibung verbracht , diese war aber Abwechslungsreich und von der Menge , wenn man deine Geschichte anschaut in Ordnung.

Du hast sehr gut ihre Gefühle gegenüber ihm und seiner Krankheit geschrieben , damit kann ich mich gut identifizieren , denn ich wusste wirklich auch nicht , wie ich mich verhalten sollte , als mein Opa im Krankenhaus lag ...

Alles in allem , schönes Stückchen
firefly ist offline   Mit Zitat antworten
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