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Alt 28.03.2012, 16:07   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
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Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Standard Cowboyengel's Erzählung

Vor Jahren bin ich mal einem Edel-Desperado begegnet, einem Cowboyengel.

Der saß irgendwo in einem Saloon zwischen Erdgeburt und Weltuntergang mit grauem Schnauzer in weißen Fransenklamotten am Tresen, zweifelsohne ein Geisterreiter, einer von der Sorte die mal hier mal da auftauchen und nach dem Rechten sehen, das hat wohl im Entfernten was mit Engeln zu tun, dazu kann ich nichts sagen, weil diesbezüglich noch keiner an mich herangetreten ist. Die Engel sind ja nicht lebensmüde, meines Wissens kennen die das gar nicht.

Jedenfalls erzählt mir der alterslose Fellow eine Geschichte, im Hintergrund spielte eine Combo peppig spritzige Songs dazu, der erzählt mir also die Story von einem Desperado, der in die friedensbewegten Protestaktionen der Kriegswirren verwickelt war und sich seitdem in gemächlichem Sinkflug befand, und seinem bärbeißig bulligen Kumpel, einem Veteranen, dem im Grauen des Kriegs was durcheinander geraten war in der Birne, dass er nie mehr so richtig wegbekam. Ihr Tagwerk verbrachten die beiden mit Kegeln, ansonsten ergänzten sie sich auf geniale Weise.

Eines Tages bekamen die zwei Helden ziemlichen Stress, weil ein paar irre Geldeintreiber den Desperado mit irgendwem andern verwechselten und ihm auf seinen kostbaren zerschlissenen Perserteppich pinkelten. Es ging um die vorgetäuschte Entführung einer verwöhnten Gör, die nie was anderes gelernt hatte außer im Geld zu schwimmen und es mit beiden Händen zum Fenster rauszuschmeißen, wovon sie grade deshalb nie den Kragen voll bekam, und die irgendwo Halligalli machte und nicht aufzufinden war.

Das hatte sie wohl von ihrem Dad, einem alten fetten machtbesessenen Geldsack, der die Leute noch vom Rollstuhl aus tyrannisierte und ihnen Hemd samt Hose auszog. Und der hieß zufällig genau so wie der Desperado, den natürlich keiner so nannte, der hatte seinen ganz eigenen Spitznamen wie alle seiner Sorte. Auf alle Fälle hatte der Mogul einen Erpresserbrief bekommen, der stammte von drei völlig durchgeknallten Bandidos, die eigens für diesen Zweck und um ihre Argumente glaubhaft zu unterstreichen ihrer mitgeführten etwas unterbelichteten Braut den kleinen Zeh abgeschnitten und den liebevoll verpackt an den Krösus verschickt hatten.

Und wie’s der Teufel so will, gerieten die beiden Vollzeitkegler zwischen die Fronten. Der genaue Hergang und Verlauf der Geschichte entzieht sich sowieso den Gesetzen von Logik und Reihenfolge, es ist also müßig ihn wiederzugeben, zu guter Letzt löste sich jedenfalls alles in allgemeines Wohlgefallen auf und die alte Erde drehte sich weiter, als sei nichts gewesen.

Mit dem einzigen Wehrmutstropfen, dass ihrem Kumpel, dem Dorftrottel, den sie so nebenher mitlaufen hatten gutmütig wie die beiden nun mal waren, der ganze Stress und Durcheinander zuviel wurde für sein empfindsames Herz, das darauf seine Pumpen einstellte und zum unverhofften Stillstand kam.

Als nun die Beiden auf einer Klippe standen und aus finanzpolitischen Erwägungen die Asche ihres verstorbenen Kumpels ins Meer streuen wollten, wobei der Veteran beim Öffnen der Urne eine pathetische Rede zum Ruhme seiner gefallenen Kameraden hielt, was dem Desperado etwas aus dem Zusammenhang gerissen schien, wehte der Wind, der unberechenbar ist und sich nicht um verlorene Trauergemeinschaften schert, dem Desperado, der hinter dem Veteranen stand, die Asche mit voller Breitseite mitten ins Gesicht.

Diese Episode der episodenreichen Geschichte hat mir ganz besonders gut gefallen, weil da so verdammt viel Wahrheit drinsteckt, du bekommst die Asche deiner toten Brüder ins Gesicht und wirst sie dein Lebtag nicht mehr los, es gibt immer wieder Tage, an denen die dir schmerzhaft in den Augen brennt.

Der Desperado war ein richtiges Vorzeigeobjekt seiner Zunft, ich meine, wenn einem beim Rumreiten der Glimmstängel zwischen die Beine fällt –was immer da drin geglüht haben mag- und zu schmoren anfängt, der Reiter peinlich berührt die Zügel herumreißt, sein Gaul bockt und wild zu springen anfängt, bis beide in geschlossener Eintracht in der Müllkippe sprich den Essensresten des Saloons landen- so was will von langer Hand vorbereitet und geprobt sein, das kannst du nicht einfach so mir nichts dir nichts aus dem Stand, dazu bedarf es jahrelanger intensiver Übung.

Wenn andrerseits der Veteran bei einer missglückten Geldübergabe in voller Fahrt vom Kutschbock springt, sich geübt abrollen lässt, dabei den Fuß verstaucht und sein Schnellfeuergewehr verliert, so dass dieses seine Spannung im Dreck der Strasse entlädt und seine geballte Ladung wild in die Gegend abfeuert, wobei es sich durch den Rückstoß rasend im Kreise dreht, kann man sich in etwa vorstellen, warum die Rebellen ihren Krieg verloren haben.

Oder wenn er schäumend vor Wut darüber, dass ihn ein frecher Rotzlöffel auflaufen und abblitzen hat lassen, die frisch lackierte Edelkarosse vor dessen Elternhaus in Kleinholz zerlegt und verwandelt, bis ein Typ von gegenüber angelaufen kommt und dem Tobsüchtigen zu erklären versucht, dass der eben noch schnittige ziemlich lädierte Einspänner ihm gehört und hier nur zufällig in der Gegend rumsteht- kann man sich ungefähr ausmalen, wie so ein entschlossener Gegenangriff der damaligen Aufständischen im Einzelnen ausgesehen haben mag.

Die Story hat mir so sehr gefallen und das Herz geöffnet, dass ich sie mir jedes Mal von dem Geisterreiter erzählen ließ, wenn ich ihm wieder mal über den Weg lief, so um die vier fünfmal wird das schon gewesen sein.

Einem alten Kämpfer und Gewerkschafter, dem ich sie begeistert weiterreichte, kam sie hingegen weniger erbaulich ja ziemlich niederschmetternd vor, was ich aus seiner Sicht nun auch wieder verstehe, weil sie ja nun wirklich nicht gerade ein ermutigendes Paradebeispiel erfolgreich durchgezogenen Widerstands und gelungener Daseinsbewältigung abgibt. Einen Desperado wie mich indessen bestätigt sie auf der ganzen Linie.

Aber mach das mal jemandem verständlich.
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