Verdorbene Rache bei Poetry.de

Fridolin · 16.02.2011, 18:52

Verdorbene Rache

Ein Mensch erlitt einst großen Schaden
durch einen falschen Kameraden,
schwor Rache und sah schon im Geist,
wie er den Kerl in Stücke reißt.

Doch um es listig zu beginnen,
ließ er erst etwas Zeit verrinnen,
um dann mit doppeltem Genuss
zu setzen den finalen Schuss.

Klammheimlich baute er die Hürde,
woran der Erzlump straucheln würde,
und blieb, die Rache auszukosten,
fortan geduldig auf dem Posten.

Nachdem er lang genug gewartet,
schien es ihm Zeit: „Jetzt wird gestartet.“
Doch ach, kaum dass er dies verkündet,
die Lunte, listgelegt, gezündet,

ward seine Rache ihm verdorben –
sein Kontrahent war grad gestorben!
So stand es schwarz, in großen Lettern,
am Morgen in den Tagesblättern.

Der Mensch, der Rache schnöd beraubt,
flucht: "Was der Hundsfott sich erlaubt!
Jetzt hat der Schurke über Nacht
mich um die Rache noch gebracht!"

Er stürzt betrübt ins Seelentief...
Doch dann bekommt er einen Brief:
Der Unmensch, der ihn einst verletzt,
hat ihn als Erben eingesetzt,

um so dem Menschen Dank zu sagen,
dass der ihm nie was nachgetragen.
Der Mensch, bei so viel Edelmut,
hält sich schlussendlich selbst für gut.

Aquaria · 20.02.2011, 00:38

Eine runde Geschichte in einem sauberen Reim. Schön!

Grüße,
A.

Thing · 20.02.2011, 09:01

Halli Hallo, Fridolin!

Wie kommt es nur, daß ich bei vielen Deiner Gedichte - vor allem wegen der Moral von der Geschicht - an Wilhelm Busch denken muß?
Er war doch ein Misanthrop!

Wieder sehr gelungen.

Thing

Fridolin · 20.02.2011, 21:01

Hallo Aquaria,

ich danke für deine lobenden Worte auf meine Reimerei.

Lieber Thing,

wenn du bei meinen Versen an Wilhelm Busch denkst, ehrt mich das, auf der anderen Seite ist es mir auch ein wenig peinlich, zeigt es doch, dass ich leider noch keinen eigenen Stil gefunden habe und meine Verse immer noch etwas epigonenhaft wirken. Aber bei dieser Geschichte habe ich mir mehr von Eugen Roth inspirieren lassen.

Vielen Dank
Liebe Grüße
Fridolin

Thing · 20.02.2011, 21:04

Halli Hallo, Fridolin -

ich sprach auch nicht explizit vom Stil (Du hast Deinen eigenen!), sondern von der MORAL der Geschichte(n).

Lieben Gruß
von
Thing

Ex-Schamanski · 20.02.2011, 21:07

Ich habe hier auch eher Eugen Roth als Wilhelm Busch assoziiert. Wilhelm Busch ist in seinen Gedichten lakonischer, und zu dem Einstieg "Ein Mensch..." muß weiter nichts gesagt werden.

Trotzdem haben wir hier einen authentischen Fridolin, keinen Roth-Epigonen.

Fridolin · 21.02.2011, 21:18

Hallo Thing und Schamansky,

wie es auch sei, es scheint, dass mir mit dieser Reimerei ein guter Wurf gelungen ist.

Liebe Grüße
Fridolin

Ilka-Maria · 21.02.2011, 21:45

Das ist nicht nur ein guter, sondern auch ein großer Wurf!

LG
Ilka-M.

16.02.2011, 18:52	#1
Fridolin Dabei seit: 04/2010 Beiträge: 1.026 Meine Gedichte	Verdorbene Rache Verdorbene Rache Ein Mensch erlitt einst großen Schaden durch einen falschen Kameraden, schwor Rache und sah schon im Geist, wie er den Kerl in Stücke reißt. Doch um es listig zu beginnen, ließ er erst etwas Zeit verrinnen, um dann mit doppeltem Genuss zu setzen den finalen Schuss. Klammheimlich baute er die Hürde, woran der Erzlump straucheln würde, und blieb, die Rache auszukosten, fortan geduldig auf dem Posten. Nachdem er lang genug gewartet, schien es ihm Zeit: „Jetzt wird gestartet.“ Doch ach, kaum dass er dies verkündet, die Lunte, listgelegt, gezündet, ward seine Rache ihm verdorben – sein Kontrahent war grad gestorben! So stand es schwarz, in großen Lettern, am Morgen in den Tagesblättern. Der Mensch, der Rache schnöd beraubt, flucht: "Was der Hundsfott sich erlaubt! Jetzt hat der Schurke über Nacht mich um die Rache noch gebracht!" Er stürzt betrübt ins Seelentief... Doch dann bekommt er einen Brief: Der Unmensch, der ihn einst verletzt, hat ihn als Erben eingesetzt, um so dem Menschen Dank zu sagen, dass der ihm nie was nachgetragen. Der Mensch, bei so viel Edelmut, hält sich schlussendlich selbst für gut.

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20.02.2011, 00:38	#2
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20.02.2011, 09:01	#3
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20.02.2011, 21:01	#4
Fridolin Dabei seit: 04/2010 Beiträge: 1.026 Meine Gedichte	Hallo Aquaria, ich danke für deine lobenden Worte auf meine Reimerei. Lieber Thing, wenn du bei meinen Versen an Wilhelm Busch denkst, ehrt mich das, auf der anderen Seite ist es mir auch ein wenig peinlich, zeigt es doch, dass ich leider noch keinen eigenen Stil gefunden habe und meine Verse immer noch etwas epigonenhaft wirken. Aber bei dieser Geschichte habe ich mir mehr von Eugen Roth inspirieren lassen. Vielen Dank Liebe Grüße Fridolin

20.02.2011, 21:04	#5
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Halli Hallo, Fridolin - ich sprach auch nicht explizit vom Stil (Du hast Deinen eigenen!), sondern von der MORAL der Geschichte(n). Lieben Gruß von Thing

20.02.2011, 21:07	#6
Ex-Schamanski abgemeldet Dabei seit: 12/2010 Beiträge: 2.884 Meine Gedichte	Ich habe hier auch eher Eugen Roth als Wilhelm Busch assoziiert. Wilhelm Busch ist in seinen Gedichten lakonischer, und zu dem Einstieg "Ein Mensch..." muß weiter nichts gesagt werden. Trotzdem haben wir hier einen authentischen Fridolin, keinen Roth-Epigonen.

21.02.2011, 21:18	#7
Fridolin Dabei seit: 04/2010 Beiträge: 1.026 Meine Gedichte	Hallo Thing und Schamansky, wie es auch sei, es scheint, dass mir mit dieser Reimerei ein guter Wurf gelungen ist. Liebe Grüße Fridolin

21.02.2011, 21:45	#8
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.089 Meine Gedichte Meine Favoriten	Das ist nicht nur ein guter, sondern auch ein großer Wurf! LG Ilka-M.