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Alt 07.12.2005, 21:08   #1
feuerelfe
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 4


Standard Ich will nicht ohne dich

Genüsslich gähne ich und strecke die Beine von mir. Was will man mehr, als sich auf der Bank zurück zu lehnen und sich die sommerlichen Sonnenstrahlen faul ins Gesicht scheinen zu lassen? Um mich herum unser einmaliger und wunderschöner Stadtpark. Grüner sauberer Rasen… Spazierwege, bestreut mit kleinen Kieselsteinen, die bei jedem Schritt ein angenehmes Knirschen von sich geben… Und der See, dessen himmelblaues Wasser im Schein der Sonne geheimnisvoll schimmert…
Ich beobachte die vielen Menschen, die an mir vorbeispazieren. Sie sehen glücklich aus. Aber sind sie es wirklich? Oder ist es eine der vielen Masken des Alltags? Wer kennt einen eigentlich wirklich? Und schon wieder fange ich an vor mich hin zu philosophieren. Ich grinse und strecke mich. Ja, ich bin wieder einmal unglaublich faul. Und eigentlich müsste ich nach Hause und Hausaufgaben machen. Aber wie soll man sich bei dem schönen Wetter auf irgendwelche Sinussätze konzentrieren? Ich weiß, mit meiner Einstellung komme ich nicht weit, aber einen Tag lang kann man ja mal aussetzen.
„Na, du faules Mäuschen?“
Erschrocken zucke ich zusammen und zwinge mich in die Wirklichkeit zurück. Vor mir steht mein Klassenkamerad und bester Freund Michael. Er lässt sich erschöpft neben mir auf der Bank nieder. Ihm ist anzusehen, dass er einen langen Lauf hinter sich hat.
„Du sollst doch nicht so viel auf einmal laufen!“, murmele ich und sehe in ein blassen Gesicht, aus dem mich zwei unglaublich braune und fröhliche Augen anlachen.
„Hey, ich muss doch wieder fit werden. Mein Ziel ist die Schulmannschaft.“, lacht er und lässt seinen Blick über den Park schweifen.
Ich hätte ihn am liebsten angefaucht. Er musste sich doch noch immer von der letzten Operation erholen! Immerhin hatte man ihn am Herzen operiert, nachdem er zusammengebrochen war und die Ärzte einen Herzfehler entdeckt hatten.
Aber ich kenne Michael nun schon so gut, dass mir sein Sturkopf nur allzu bekannt ist. Also halte ich mich zurück – ich versuche es zumindest. Und doch habe ich unglaubliche Angst um ihn. Was, wenn er einen Rückfall bekommt? Was, wenn er…. Es schaudert mich bei diesem Gedanken und ich verbanne ihn in die hinterste und dunkelste Ecke meines Gedächtnisses. Michael sitzt doch gesund und munter neben mir! Was also mache ich mir für Sorgen!?
„Was hältst du davon wieder mal ins Kino zu gehen? Nur wir zwei. Ich lad dich ein.“
Überrascht blicke ich ihn an.
„Mein Ernst. Also?“
„Klar, gerne.“ Ich muss lächeln. Er will tatsächlich mit mir alleine ins Kino! Am liebsten hätte ich einen Luftsprung vollführt.

Noch am Abend muss ich daran denken. Ich weiß ja selber nicht, was mit mir los ist. Warum bin ich so aufgedreht deswegen? Ich werde doch nur etwas mit meinem besten Kumpel unternehmen. In diesem Augenblick klingelt unser Telefon. Meine Mutter nimmt ab, ich höre wie sie kurz mit jemandem redet und dann auch schon auflegt. Seltsam… Sonst telefoniert sie doch auch immer eine halbe Stunde lang oder länger.
Als sie dann an meiner Zimmertür klopft und ich ihren besorgten Gesichtsausdruck sehe, weiß ich, dass etwas nicht stimmt.
„Das war… Frau Praia.“, beginnt sie. „Michael… ist zusammengebrochen. Er wird gerade operiert.“
Der Stift, den ich gerade noch in der Hand hatte, landet auf dem Boden. Oh mein Gott, Michael!
„Fährst du mich ins Krankenhaus?“
Meine Mutter nickt sofort.

Eine viertel Stunde später laufe ich durch die langen weißen Gänge des mir bekannten Krankenhauses in Richtung der Operationsräume.
„Was ist passiert?“, fragte ich atemlos und umarmte Frau Praia, Michaels Mutter. Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und versucht ihre Stimme so ruhig wie möglich zu halten.
„Wir wollten zu Abend essen.“, erklärt sie leise. Ihre Augen sind voller Angst und sie zittert am ganzen Leib. „Er ist einfach zusammengebrochen.“ Sie sieht mich verzweifelt an. Auch mir treten die Tränen in die Augen. Ich beiße mir schmerzhaft auf die Zunge. Verdammt, warum!? Es ging ihm doch so gut. Er hatte sich wunderbar erholt. Oder war der heutige Lauf doch zu viel gewesen? Wird er es schaffen?
Wir müssen warten, um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen. Sekunden werden zu Minuten, Minuten zu Stunden. Und dann endlich – nach über fünf Stunden – erlischt das Licht über der Tür des Operationssaales und einer der Ärzte tritt langsam zu uns hin. Gespannt und angsterfüllt zugleich sehen wir den Mann an. Mein Herz pocht schneller und schneller. Und dann, als er zögernd den Kopf schüttelt und erklärt, dass Michael wahrscheinlich nur noch eine Stunde leben wird, bricht für mich eine Welt zusammen. Warum!? Verdammt, warum!? Mir fallen die verschiedensten Flüche ein. Doch es hilft nichts. Die Tränen rinnen meine Wangen nur so hinab.
Eine Schwester führt Frau Praia und mich in Michaels Zimmer und lässt uns mit ihm alleine. Gott, mir ist so schwer ums Herz. Am liebsten würde ich einfach raus laufen. Aber ich kann nicht. Ich werde bei ihm bleiben. Bei ihm, meinem Michael, meinem besten Freund.
Er liegt unglaublich schwach und blass in dem Bett. Müde öffnet er die Augen, als seine Mutter sich weinend an sein Bett setzt. Wo ist das fröhliche Leuchten geblieben? Es ist weg.
„Mum….“ Dieses eine Wort scheint ihm so unendlich schwer über die Lippen zu kommen. Es ist beinahe nur ein Hauch. Frau Praia blickt auf und nimmt seine Hand.
„Es tut mir leid.“
Die Frau sieht ihren Sohn liebevoll an und schüttelt den Kopf.
„Da ist nichts, was dir Leid tun könnte oder sollte, hörst du, mein Liebling?“
Ein leichtes Grinsen entsteht auf Michaels Gesicht.
„Liebling? Oje.“ Er lacht leise. Dann bleiben seine Augen auf mir haften. Ich schlucke und trete näher an das Bett heran.
„Aus dem Kino wird wohl leider nichts…“ Er sieht mich entschuldigend an, was nur zu noch mehr Tränen führt. Ich kann nichts sagen. Es schnürt mir einfach die Kehle zu. Und dann nimmt er auch noch meine Hand und zieht mich leicht zu sich herunter. Unsere Lippen treffen sich.
„Das wollte ich schon lange mal machen.“ Michael lächelt und sogar seine Augen lächeln. Das fröhliche Leuchten ist in sie zurückgekehrt. Doch nur für kurze Zeit. Seine Lider werden schwer, der Druck auf meiner Hand leichter.
Nein, ich will nicht ohne dich!
feuerelfe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2005, 13:44   #2
TobiL.
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 280


Boah... super Geschichte!

Vor allen Dingen, dass sie so fröhlich beginnt und man keine Ahnung hat, wie sie weiter geht und dann so ein Ende...

Danke, mach weiter so ;-)

Gruß, Tobi.
TobiL. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2005, 16:16   #3
feuerelfe
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 4


hey vielen dank für deinen kommentar:-)
freut mich, dass dir diese geschichte gefällt
lg
Ania
feuerelfe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.12.2005, 19:15   #4
Yve
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 756


Mir gefällt die Geschichte auch gut. Ziemlich traurig. Ich mags wenns traurig wird
Yve
Yve ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.12.2005, 20:45   #5
Askeron
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Traurigschön. Alles beginnt so normal und man denkt erst, dass es nur eine weitere dieser Liebeleien werden könnte und dann so ein Ende. Wirklich gefühlvoll und authentisch. Fast so als hätte man es selbst erlebt...
Askeron ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.12.2005, 23:13   #6
himbeere
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 27


Wunderschön, wie du schreibst!
Du hast das so gefühlvoll geschrieben, man leidet richtig mit!

Allerdings habe ich am Anfang nicht gedacht, das wäre eine fröhliche Geschichte. Nicht, nachdem man das mit der Operation erfahren hat, die er hinter sich hatte. Da war es ziemlich vorraussehbar, dass etwas passieren würde.
Trotzdem: Mir hat es nichts ausgemacht, weil du es so super umgesetzt hast mit dem Kino und dann dem Zusammenbruch ... himmlisch!

Gruß aylady
himbeere ist offline   Mit Zitat antworten
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