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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln.

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Alt 24.11.2020, 11:26   #1
männlich Walther
 
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Standard Das Geschenk

Das Geschenk

Der Herr gab die Lippen, die Zunge, die Zähne.
Er schenkte den Gaumen, die Kíefer, den Hauch.
Er gab auch, verzeih mir, dass ich es erwähne,
Das Hirn, den Verstand, uns zum steten Gebrauch.

Jetzt schau nicht so traurig. Es ist ein Geschenk.
Du musst es nicht nehmen. Du kennst das auch lassen.
Du müsstest verzeihen, was ich dann so denk:
Wie kann man nur Gaben so nutzlos verprassen!

Du willst mich ermorden? Mit dieser Pistole?
Ja, kannst du denn schießen, ganz ohne Verstand?
Gestatte, dass ich die Patronen dir hole.
Und halt das Ding fest, denn sonst fällts aus der Hand!

Du willst jetzt nicht lachen? Du willst mich jetzt töten?
Was machst du für Sachen! Und lass das Erröten!

Form: englisches Sonnet in vierhebigem Amphibrachys.
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Alt 24.11.2020, 18:19   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Walther,

ich finde das Gedicht ganz zauberhaft - so etwas erwähnte ich auch schon - aber jetzt ist mir noch etwas aufgefallen: Es erinnert mich an ein Gedicht von Durs Grünbein - von der Form her. Auch das fand ich so wunderschön. Als ich es zum ersten Mal las, rätselte ich, was für ein Reimschema das wohl ist. Dank dir weiß ich es jetzt .

Schöne Grüße
DieSilbermöwe
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Alt 24.11.2020, 19:41   #3
männlich Walther
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Hallo Walther,

ich finde das Gedicht ganz zauberhaft - so etwas erwähnte ich auch schon - aber jetzt ist mir noch etwas aufgefallen: Es erinnert mich an ein Gedicht von Durs Grünbein - von der Form her. Auch das fand ich so wunderschön. Als ich es zum ersten Mal las, rätselte ich, was für ein Reimschema das wohl ist. Dank dir weiß ich es jetzt .

Schöne Grüße
DieSilbermöwe
Hi Silbermöwe,
danke fürs lesen und besprechen. mit Durs Grünbein in bezug gebracht zu werden, ehrt natürlich sehr - ist aber sicherlich ein wenig übertrieben. ein ganz großer, dieser kollege, aber auch sperrig und schwierig. nun, wer ist das manchmal nicht auch ...
ich experimentiere immer wieder gern mit den verschiedenen spielarten des sonetts - das englische oder auch Shakespeare-Sonnet ist eine. es unterscheidet sich vom kontinentaleuropäischen, das über den romanischen sprachraum zu uns gefunden hat. ob es Petrarca war? man weiß es nicht. es gibt später einen weiteren weg über Frankreich.
das sonnet ist ebenfalls in 5-hebigem jambus, aber in kreuzreimen, in drei strophen und einem verspaar zum schluß (die moral von der geschicht). beide formen aber haben 14 verse.
ich habe hier abweichend ein daktylisches metrum (Xxx) gewählt, das den text zum tanzen bringt. das ist der trick. ich denke, daß längere metren eher zur deutschen sprache passen als jambus und trochäus.
lg W.
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Alt 24.11.2020, 21:03   #4
männlich Ex-Ralfchen
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Beiträge: 17.302

Ja –

unser Freund Walter kann Menschen verzaubern, vor allem Damen in jeder Altersklasse, kreiss-saal-jung, kreischend-mittelalterlich, und kreisenhaft-alt.

Aber auch Männer im fortgeschrittenen Zustand der Unbeholfenheit wie etwa mich…

Liebe Grüße
das süße reif chen*)


*)

Das Ralf chen macht mein Diktierprogramm jedes Mal anders
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Alt 24.11.2020, 22:55   #5
männlich Ex-Ghost of a writer
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Beiträge: 44

Moin Walther,

still mitgelesen habe ich bei Dir schon öfter. Und ich war auch bereits auf der Homepage, auf der Du unterwegs bist. Jetzt muss ich allerdings auch mal nen Kommentar hier lassen.
Eben genau, weil ich diese Form des Gedichts sehr mag. Ich habe noch nie von dem Sonnet gehört.

Zitat:
Zitat von Walther Beitrag anzeigen
Das Geschenk

Form: englisches Sonnet in vierhebigem Amphibrachys.
Da bist Du einfach "fachlich" viel mehr im Thema als ich, der im Prinzip alles autodidaktisch zusammen geklöppelt hat. Und ich schätze, da komme ich auch nicht mehr hin, auch wenn ich mich immerhin von den hölzernen unrunden Dingen entfernt habe, die es vor zwanzig Jahren mal waren.
Ich beneide Dich ein bißchen darum, die Geduld und auch den Willen zu haben, so tief in Sprache, deren Gebilde und Strukturen einzutauchen. Das Gute daran ist, dass hier dann auch mal so etwas wie "Das Geschenk" abgebildet wird.
Eine kleine Anmerkung dazu:
2. Strophe, 2. Zeile "Du KENNST das auch lassen"? Ein Schreibfehler, oder ein Wortspiel, hinter das ich noch nicht gestiegen bin?

Möglich, dass ich die Form in den nächsten Tagen oder Wochen mal klauen werde, um etwas in so einem Takt zu schreiben.

Gruß

Marcus
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Alt 25.11.2020, 08:42   #6
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Walther,

Zitat:
. ich habe hier abweichend ein daktylisches metrum (Xxx) gewählt, das den text zum tanzen bringt. das ist der trick.
„Zum Tanzen bringen", genau das es, wodurch der Text so verzaubert. Danke, dass du den Trick verraten hast.

Zitat:
. ich denke, daß längere metren eher zur deutschen sprache passen als jambus und trochäus.
Das ist interessant. Ich kriege es sicher nicht hin, aber ich hätte Lust, es wenigstens mal zu probieren.

LG DieSilbermöwe
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Alt 25.11.2020, 10:48   #7
männlich Walther
 
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Zitat:
Zitat von Walther Beitrag anzeigen
Das Geschenk

Der Herr gab die Lippen, die Zunge, die Zähne.
Er schenkte den Gaumen, die Kíefer, den Hauch.
Er gab auch, verzeih mir, dass ich es erwähne,
Das Hirn, den Verstand, uns zum steten Gebrauch.

Jetzt schau nicht so traurig. Es ist ein Geschenk.
Du musst es nicht nehmen. Du kannst das auch lassen.
Du müsstest verzeihen, was ich dann so denk:
Wie kann man nur Gaben so nutzlos verprassen!

Du willst mich ermorden? Mit dieser Pistole?
Ja, kannst du denn schießen, ganz ohne Verstand?
Gestatte, dass ich die Patronen dir hole.
Und halt das Ding fest, denn sonst fällts aus der Hand!

Du willst jetzt nicht lachen? Du willst mich jetzt töten?
Was machst du für Sachen! Und lass das Erröten!

Form: englisches Sonnet in vierhebigem Amphibrachys.
@all: kleinen fehler ausgebaut ...
Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
Ja –

unser Freund Walter kann Menschen verzaubern, vor allem Damen in jeder Altersklasse, kreiss-saal-jung, kreischend-mittelalterlich, und kreisenhaft-alt.

Aber auch Männer im fortgeschrittenen Zustand der Unbeholfenheit wie etwa mich…

Liebe Grüße
das süße reif chen*)


*)

Das Ralf chen macht mein Diktierprogramm jedes Mal anders
servas reifchen,
paßt doch. draußen liegt reif, und du bist ein wenig überreif.
im ernst: die lobeshymnen bitte einsammeln. das greift den melancholisch-selbst(ver)zweifelnden grundton des poetens an, weil diesem dann flügel wachsen und er zu glauben beginnt, er wäre Pegasus, dabei ist und bleibt er Ikarus. das ist nicht gesund für die poesie und ziemlich ungesund für poeten.
aber danke, mein lieber.
baba W.
Zitat:
Zitat von Ghost of a writer Beitrag anzeigen
Moin Walther,

still mitgelesen habe ich bei Dir schon öfter. Und ich war auch bereits auf der Homepage, auf der Du unterwegs bist. Jetzt muss ich allerdings auch mal nen Kommentar hier lassen.
Eben genau, weil ich diese Form des Gedichts sehr mag. Ich habe noch nie von dem Sonnet gehört.



Da bist Du einfach "fachlich" viel mehr im Thema als ich, der im Prinzip alles autodidaktisch zusammen geklöppelt hat. Und ich schätze, da komme ich auch nicht mehr hin, auch wenn ich mich immerhin von den hölzernen unrunden Dingen entfernt habe, die es vor zwanzig Jahren mal waren.
Ich beneide Dich ein bißchen darum, die Geduld und auch den Willen zu haben, so tief in Sprache, deren Gebilde und Strukturen einzutauchen. Das Gute daran ist, dass hier dann auch mal so etwas wie "Das Geschenk" abgebildet wird.
Eine kleine Anmerkung dazu:
2. Strophe, 2. Zeile "Du KENNST das auch lassen"? Ein Schreibfehler, oder ein Wortspiel, hinter das ich noch nicht gestiegen bin?

Möglich, dass ich die Form in den nächsten Tagen oder Wochen mal klauen werde, um etwas in so einem Takt zu schreiben.

Gruß

Marcus
hi Marcus,

danke für deinen hinweis. der fehler ist bereinigt.

mein erster sonettband ist ein Corona-patient. er liegt beim verlag und braucht beatmung, ist aber der triage zum opfer gefallen. mit dieses art von pösie ist kein geld in die ohnehin leeren kassen eines kleinverlags zu spülen. kurz, er wird vor sich hinsterben. das schöne ist, die sonette werden leben, und wenn es nicht meine sind, sind es andere.

die frage, um die es immer geht, ist: will ich versuchen, so gut wie möglich zu sein. und: ist es dieses hobby, dieses tun generell, bei dem ich die ausübung richtig sportlich, also auch ein wenig ernst, nehme. jeder hat solche tätigkeiten und vorlieben. literatur generell, auch das feuilleton, sind meine vorlieben. neben wein, weib und gesang, selbstredend.

ich bin das lebende beispiel, wie man von "der kann gar nichts, das ist ja entsetzlich" zu brauchbaren ergebnissen kommen kann. man muß es wollen, und man muß konsequenterweise das wichtigste investieren, das wir haben: lebenszeit. diese konkurriert heftig mit dem ganzen anderen, das unser sein bedingt und das leben lebenswert macht. ich habe eine entscheidung getroffen: ich fahre kein ski, surfe und golfe nicht, spiele kein tennis. das spart einen haufen zeit und geld.

danke für die blumen. es wird klappen, wenn man will. aber es kostet, wie alles andere eben auch, zeit.

lg W.
Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Hallo Walther,



„Zum Tanzen bringen", genau das es, wodurch der Text so verzaubert. Danke, dass du den Trick verraten hast.



Das ist interessant. Ich kriege es sicher nicht hin, aber ich hätte Lust, es wenigstens mal zu probieren.

LG DieSilbermöwe
hi,

probieren ist immer der anfang. einfach ein silbenbild unter meins legen. laut vorlesen, mehrfach, damit das innere ohr den klang, den takt, einübt. und dann losschreiben. glückauf

lg W.
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Alt 25.11.2020, 15:16   #8
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
. einfach ein silbenbild unter meins legen. laut vorlesen, mehrfach, damit das innere ohr den klang, den takt, einübt. und dann losschreiben. glückauf
Probier ich gerne einmal aus. Eine blöde Frage: Wenn ich ein Silbenbild unter das Gedicht von jemand anderem lege und dann ein Gedicht genau danach schreibe, dann ist das aber nicht - ganz schlimmes Wort - ein Plagiat? Ich denke nicht, sonst hättest du es nicht empfohlen. Trotzdem wüsste ich das gerne bestätigt.

LG DieSilbermöwe
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Alt 25.11.2020, 16:01   #9
männlich Walther
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Probier ich gerne einmal aus. Eine blöde Frage: Wenn ich ein Silbenbild unter das Gedicht von jemand anderem lege und dann ein Gedicht genau danach schreibe, dann ist das aber nicht - ganz schlimmes Wort - ein Plagiat? Ich denke nicht, sonst hättest du es nicht empfohlen. Trotzdem wüsste ich das gerne bestätigt.

LG DieSilbermöwe
Hi,
du darfst das gedicht rauskopieren und mit einem silbenbild unterlegen.
(nur als deinen text ausgeben darfst du den text nicht. ).
ist das so OK für dich?
lg W.
Walther ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.11.2020, 18:00   #10
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
.(nur als deinen text ausgeben darfst du den text nicht. ).
Ja, das ist klar würde ich auch nie tun. Aber was ich meinte, ist: Wenn ich nach dem gleichen Silbenbild einen Text mit anderen Worten schreibe, ist das erlaubt? Bzw. nicht nur das Schreiben, sondern auch das Einstellen?
(Nicht dass ich das überhaupt hinkriegen würde. Aber bis jetzt habe ich mich hauptsächlich deswegen noch nie damit beschäftigt - aus Angst vor Verletzung des Urheberrechts. )
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.11.2020, 18:24   #11
männlich Walther
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ja, das ist klar würde ich auch nie tun. Aber was ich meinte, ist: Wenn ich nach dem gleichen Silbenbild einen Text mit anderen Worten schreibe, ist das erlaubt? Bzw. nicht nur das Schreiben, sondern auch das Einstellen?
(Nicht dass ich das überhaupt hinkriegen würde. Aber bis jetzt habe ich mich hauptsächlich deswegen noch nie damit beschäftigt - aus Angst vor Verletzung des Urheberrechts. )
aber klar geht das,
lb Silbermöwe!
lg W.
Walther ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.11.2020, 18:32   #12
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Dankeschön, lieber Walther!
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2020, 16:18   #13
männlich Ex-Ghost of a writer
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Moin Walther,

und genau das hab ich gemacht. Lebenszeit investiert. Aber ich hatte auch selten so eine Freude beim Schreiben, auch wenn das Thema ein ernstes ist... Man kann mit der Länge der Verse einfach sehr schön spielen. Und der Takt ist einfach sehr elegant. Danke für die Inspiration.

Gruß

Marcus
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