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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 29.09.2014, 20:34   #1
weiblich ichbinich
 
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Standard Einfach himmlisch

Wasser. 30 Meter unter meinen Füßen. Nur ein Sprung, ein winziger Moment des Loslassens und die Erlösung wird da sein. Der Welt entkommen. Mein ganzes Leben habe ich ihr geopfert. Sie dankt es dir mit keinem Wort, mit keiner Geste. Schon umklammern meine klammen Finger das Geländer nicht mehr. Mein Körperschwerpunkt verlagert sich, mein Körper neigt sich. Erst in die Horizontale und dann immer weiter, bis ich schließlich wie ein Bungee-Springer ohne Seil kopfüber auf das klärende Nass zurase. Und dann das gedämpfte Platschen meiner auf der Oberfläche aufklatschenden Schultern. Letztendlich Stille..............


Plötzlich stehe ich wieder in der Luft, diesmal ohne Brücke unter den Fußsohlen. Sie schweben frei. Nun werden sie mir also gedankt, meine ewig aussichtslos erscheinenden guten Taten. Schwach in der Ferne glitzernd kann ich sie bereits sehen, die Himmelspforte. Meine Füße werden nun wieder von festem Grund getragen, der allerdings fluffig weich ist. Ohne es zu merken, habe ich mich in eine lange Schlange eingereiht. Hinter mir ertönt fröhliches Kinderlachen. Eine junge Mutter steht dort mit ihren beiden Söhnen. Die kleinen stoben übermütig davon und bahnen sich ihren weg durch die Schlange, bis ihre Mutter sie in leicht ungehaltenem Tonfall wieder zu sich ruft. Sobald sie aber angekommen, sind machen sie sich erneut davon und das Spiel beginnt von vorn. An meine Nase dringt nach einer weile ein süß-säuerlicher Geruch. Ich stelle nach einigem Umherschnüffeln fest, dass er seine Quelle wohl unter den Achseln des vor mir stehenden nur mit Unterhemd bekleideten, dickbäuchigen Mannes hat. Aber ich fühle mich nicht durch den Geruch belästigt zu groß ist die Vorfreude auf das hinter dem Tor liegende Wunderland. Es liegt zwar noch viele hundert Meter vor mir aber in der Schlange geht es zügig und beständig voran. Und während ich den hoch frequentierten Stimmen der aktiven kleinen Jungen lausche, male ich mir bereits mein leben im Himmel aus... so in Gedanken versunken bemerke ich gar nicht wie mein Hunger langsam erwacht und immer stärker wird. Erst das laute Grummeln meines Magens holt mich in die Wirklichkeit zurück. Es muss bereits eine lange Zeit vergangen sein. Gleich werde ich den Himmel betreten. Ich blicke auf und stelle fest, dass die Pforte sich noch in der gleichen Entfernung befindet, wie zuvor und auch die auf Einlass wartenden Menschenmassen sind noch nicht geschrumpft. Noch bevor ich mich darüber wundern kann, spüre ich kleine Hände, die unsanft an meinem Shirt ziehen: „Sind wir schon da? Wir müssen mal! Und wir haben Hunger. Besorg uns was zu essen, Onkel!“, brüllen die Kinder mir ins Ohr. Ich versuche ihre Hände wegzuschlagen, doch sie hören nicht auf zu ziehen und zu zerren. „Lassen Sie meine Kinder in Ruhe!“, erzürnt sich da die Mutter. Ich blicke flehentlich nach vorne. Der verschwitzte Mann vor mir dreht sich langsam um. Sein Hemd ist voller Fettflecken. Er verzieht den Mund zu einem Grinsen, seine gold-gelben Zähne blitzen mich an und er lacht aus vollem Halse auf: „Sie dachten doch nicht wirklich, dass es einen Ausweg gäbe?“
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