Ötzi

[Rolli]

Es war vor ein paar tausend Jahren,
Ötzi zieht es zur Jagd hinaus.
Er kennt sich aus mit den Gefahren,
verlockend ist ein Gaumenschmaus.

Er stapft durch Schnee nur in Sandalen,
die Kälte an den Kräften zehrt,
zu spät bemerkt er den Rivalen,
der auch denselben Bock begehrt.

Der spannt den Bogen, will ihn töten,
ein Pfeil fliegt lautlos durch die Luft.
Ötzi ist jetzt in größten Nöten,
wird arg getroffen von dem Schuft.

Er bricht zusammen in den Bergen
sein Schicksal liegt in Gottes Hand.
Er weiß genau, er wird bald sterben,
langsam entschwindet sein Verstand.

In Schnee und Eis ist er gefangen,
versperrt der Weg zurück ins Tal.
Der Schütze, der die Tat begangen,
erlöst ihn nicht von seiner Qual.

Gefangen in der Gletscherspalte,
in trister Abgeschiedenheit,
hofft er, dass Eis ihn gut erhalte,
ab jetzt für alle Ewigkeit.

Als sich die Erde stark erwärmte,
wird er aus seinem Grab befreit.
So wurde Ötzi das umschwärmte
Idol der späten Jungsteinzeit.

[Cornelius]

Sehr hübsch!

Wenn der Name "Ötzi" in Strophe 1, Vers 2 und Strophe 3, Vers 3 sich jetzt noch bruchlos ins jambische Metrum fügen wollte, hätte dein Gedicht das Zeug zum Favoriten.

Ich hoffe, es klingt nicht zu doof und du verstehst es als Lob, wenn ich sage, dass ich es gerne selbst geschrieben hätte...

Gruß
Cornelius

[Rolli]

Hallo Cornelius,

Dein Feedback empfinde ich durchaus als Lob und bin mir gleichzeitig der angesprochenen Schwachstellen bewusst.
Ich habe dieses Mal sogar selbst bemerkt, dass etwas nicht passt, aber es wollte mir partout nichts Besseres einfallen. Vielleicht sind die folgenden Ideen passend, denn zeitlich betrachtet wurde mein Protagonist erst recht spät zu "Ötzi".
S1V2
... ,
ein Mann zieht früh zur Jagd hinaus.
S3V3
Der Jäger ist in größten Nöten,
... .

Vielleicht hast ja Du eine noch bessere Idee. An Deinen Gedichten hätte ich nichts auszusetzen, die sind topp.

Gruß Rolli

[Cornelius]

Hallo Rolli,

So wie von dir neu formuliert lesen sich die Zeilen perfekt. Auch inhaltlich liest sich das Ganze jetzt noch runder.

Möchte noch vorschlagen, den letzten Vers in Strophe 4 in "denn langsam schwindet sein Verstand" zu ändern, dann hast du auch hier rhythmisch einen Auftakt (Jambus) wie im ganzen übrigen Gedicht.

Übrigens will ich nicht behaupten, dass ein Gedicht mit einer kleinen metrischen Unebenheit gleich steht oder fällt. Deines wäre auch so zu meinen Favoriten gekommen.

In eigenen Texten können einem solche Feinheiten leicht entgehen, während andere Leser sie eher bemerken...

Gruß
Cornelius

[Rolli]

Hallo Cornelius,

danke für Deinen Tipp. So klingt der Vers tatsächlich viel runder.

Vier Augen oder mehr sind wirklich hilfreich. Das schätze ich an dem Forum, weil man sich in der eigenen Gedankenwelt schnell verzettelt.

Gruß Rolli

[Faber]

Ich habe ihn mal gesehen durch die Glasscheibe in seinem gekühlten Raum. Wenn der gewusst hätte, wie berühmt er einmal sein würde....

Mit den Verbesserungen ist das Gedicht jetzt perfekt. Sehr schön! Ötzi wäre sicherlich sehr angetan.

LG Faber