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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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26.09.2016, 16:40 | #1 |
Dabei seit: 10/2006
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Goebbels und Zarah
Sie saßen am Teetisch so traut beieinander,
der arische Klumpfuß mit lüsternen Blicken, und ihm gegenüber die schwedische Diva, der schillernde Star von der Bühne und ufa. Wie kann ich die Diva auf'm Sofa beglücken? Sie fehlt meiner Sammlung - die Zarah Leander! Die Flasche Champagner entkorkt er mit Kraft, verteilt Komplimente in schmeichelndem Ton; dann kommt er zur Sache mit Schwung und Elan, erklärt der Leander den goebbelschen Plan: "Sie wechseln den jüdischen Namen und schon verleih ich die großdeutsche Staatsbürgerschaft!" Das kommt mir gelegen! Ich nenn mich statt Zarah wie Ihre Gemahlin ab morgen dann Magda. es ging auch noch Karin und Ilse zur Not auch noch Eva, die Hauptsache ist, ich bekomm wie bisher überwiesen ein Drittel der Gage in harten Devisen, und Sie, Herr Minister, Sie nennen sich Bernd, dann sind wir Germanen in Zukunft ganz jüdisch entkernt. |
26.09.2016, 20:09 | #2 |
abgemeldet
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Welches Leid du auch imitierst mehr als die Technik hast du nicht drauf. Sieht man schon an den Konstruktionshilfen die zwischen den Lauten nicht mehr als Metrik uebriglassen.
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26.09.2016, 20:15 | #3 |
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Ich wüsste nicht,dass ich hier irgendein Leid zum Thema gehabt hätte. Aber immerhin,Du siehst etwas, wovon ich keine Ahnung hatte.
Heinz |
27.09.2016, 05:36 | #4 |
R.I.P.
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War da der Goebbels schon von der Lida Baarova getrennt?
Oder kam die später? Die Zarah gefiel weitaus mehr - aus künstlerischen Gründen - dem Dicken. |
27.09.2016, 15:26 | #5 |
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Goebbels hatte durch seinen Job als Minister wesentlich häufiger Kontakte zu Filmschaffenden als "der Dicke". Meine Information über das Gespräch stammt aus einem Buch Zarah Leanders, sowie von einer Schauspielerin, die mit dem Verfasser des Einpersonenstücks "Zarah 47 - wollt ihr das totale Lied" sehr genaue Recherchen angestellt hatte, damit sie sich in dem Stück nicht blamieren. Das Angebot an den seinerzeit großen Star Zarah Leander, die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen zu bekommen, kam nicht von "dem Dicken", sondern von Goebbels (sicher auch, um der Zahlung eines Teils ihrer Gage auf ein schwedisches Konto zu entkommen). In meinem kleinen Ding werden nicht die Liebschaften von Goebbels behandelt, sondern die Raffinesse des "unpolitischen" ufa-Stars Zarah Leanders.
Vielleicht ist es Dir entgangen, dass sie als "Wechselnahmen" die Vornamen der Ehefrau von Goebbels, Göhring, Hess und Hitler vorschlägt - allesamt jüdische Vornamen. Heinz |
09.10.2016, 09:42 | #6 |
Stimmt schon, Zarah L. hatte nichts mit Politik und Deutschland am Hut. Sie war vielleicht so etwas wie die erste Legionärin der Kunstgeschichte. Sie hätte für jeden gespielt und gesungen, der bereit war sie ins Schaufenster zu stellen.
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09.10.2016, 11:19 | #7 |
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Hallo AnDi,
ich glaube, da bringst Du einen falschen Zungenschlag hinein. Es mag für die Nachkriegs-Zarah stimmen, dass sie für jeden gespielt und/oder gesungen hätte, der bereit gewesen wäre, sie ins Schaufenster zu stellen. Ich neige dazu, das für eine falsche Darstellung zu halten. Ihre Lebensdaten, sehr eindrucksvoll dargestellt von einer befreundeten Schauspielerin (Martina Guse) an einem Stuttgarter Theater in der Rolle der Zarah Leander, sprechen eine andere Sprache. Z.L. wurde bereits Anfang der dreißiger Jahre (1929/30) ein Star in Schweden. Mitte der dreißiger Jahre überschlug sich die Kritik in Lobeshymnen in Österreich; verbürgt ist ein Besuch des Operettenkomponisten Franz Lehar (ungarischer Herkunft) bei einer ihrer Vorstellungen mit über sechzig "Vorhängen" (für Theaterunkundige: Über 60 Mal wurde sie vom Publikum nach der Vorstellung auf die Bühne geholt). Erst 1936 kam sie nach Deutschland und wurde bei der UfA der höchstbezahlte Star bis etwa 1942/43. Goebbels bot ihr nicht nur die deutsche Staatsangehörigkeit an, ihr sollte auch die "höchste Ehre" zuteil werden, "Staatsschauspielerin" zu werden (was sie übrigens ablehnte). 1942/43 kehrte sie nach Schweden zurück. 1947 (ich weiß das so genau, weil das Stück, in dem Martina Guse sie spielte "Zarah 47 - wollt ihr das totale Lied" heißt) trat sie in der Schweiz auf. Sie war, was man heute eine "Rampensau" nennt, ihre finanziellen Verhältnisse haben sie aber nie dazu gezwungen, eine "Legionärin" für alles und jeden zu sein. Ihre Nähe zu den Nationalsozialisten - sie war das Objekt der Begierde, um sie scharwenzelten sie herum. Allenfalls kann man ihr vorwerfen, dass sie sich zu wenig oder gar nicht distanziert habe. Das, lieber AnDi, teilt sie mit vielen Sängern und Schauspielern und ich erspare mir hier das Nennen von Stars, die sie auch noch in der Nachkriegszeit waren. Ihren unbestreitbaren Ruhm, den sie in Deutschland genoss, hätte sie auch weiterhin genießen können - trotzdem hat sie 1942 die Koffer gepackt und ist in ihre Heimat (vielfach angefeindet) zurück gekehrt. Was bleibt (für mich): Eine Stimme zwischen dem Säuseln des Frühlingswindes und den Orgelklängen der Toccata von Bach. Liebe Grüße, Heinz |
09.10.2016, 13:00 | #8 |
Hallo Heinz,
ich denke man sollte jeden einzelnen Künstler jener Zeit für sich betrachten. Ob Heinz Rühmann, Luis Trenker, Leni Riefenstahl, Zarah L...oder andere Größen des Films...sie alle haben ihre ganz eigene Geschichte. Die eine wussten alles...andere nur wenig...manche waren auch "aktiv" dabei. Zarah L hatte zwar schon vorher Erfolg, aber Asche machte sie erst mit der Unterstützung der Nazis. Die UFA war damals ... neben Hollywood ... die größte Nummer in der Welt...Zarah L. hatte dort finanziell und künstlerisch alle Freiheiten...die ihr niemand anderes sonst hätten bieten können. Sie war keine volkstümliche Schauspielerin...sondern eine Diva...die nicht wusste was da im "normalen" Leben so abging....im Gegensatz zu einer L.R., die operativer Teil der Propaganda war...und nicht nur instrumentalisiert wurde...wie eine Z.L. Ich bleibe dabei; die war eine Legionärin... die ebenso für die russische Filmindustrie gespielt und gesungen...hätte man ihr die dort gleichen Möglichkeiten geboten. Gruß, A.D. |
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09.10.2016, 13:04 | #9 |
R.I.P.
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Zahra Leander war so klug und vorauschahuend, daß sie darauf bestand, sich einen größeren Teil der Gagen nach Schweden überweisen zu lassen.
Wie gesagt: Klug und vorauschauend. |
09.10.2016, 13:10 | #10 |
Guten Morgen, Heinz!
Ich lese sehr viel Wissen. Vorbereitend zur Ausbreitung Deines Wissens stellst Du einen umständlichen Text in Reimform. Ein Gedicht aber ist nicht zu erkennen. Warum dieser Umweg? Warum nicht nur ein paar interessante Essays? |
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09.10.2016, 13:32 | #11 |
...zitieren wir doch einfach mal die grande Dame
Allein bin ich in der Nacht, meine Seele wacht und lauscht. Oh Herz, hörst du, wie es klingt, in den Palmen singt und rauscht? . Der Wind hat mir ein Lied erzählt von einem Glück, unsagbar schön. Er weiß, was meinem Herzen fehlt, für wen es schlägt und glüht. Er weiß für wen. . Komm, komm. . Der Wind hat mir ein Lied erzählt, von einem Herzen, das mir fehlt. . Am Meer stand ich abends oft und ich hab gehofft, auf was? Ich sah bunten Vögeln nach - ach, mein Glück zerbrach wie Glas. . Der Wind hat mir ein Lied erzählt von einem Glück, unsagbar schön. Er weiß, was meinem Herzen fehlt, für wen es schlägt und glüht. Er weiß für wen. . Komm, komm!... ach. Der Wind hat mir ein Lied erzählt, von einem Herzen, das mir fehlt. Der Wind. |
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09.10.2016, 15:21 | #12 |
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Lieber AnDi,
mit dem Zitieren der Diva ist es aber nicht weit her. Wenn, dann müsstest Du sie zitieren, und nicht einen von ihr sehr erfolgreichen Song aus einem Film. "Der Wind hat mir ein Lied erzählt" ist getextet von Bruno Bale, der Komponist war Lothar Brühne. Wenn ich einen Sänger der neueren Zeit zitiere, dann kann ich doch nicht Hermann Prey (um nur ein Beispiel zu nennen) mit: "Der Vogelfänger bin ja, stets lustig, heissa hoppsassa" zitieren. Neee, so geht das nicht. Aber - dennoch mein Lob: Der eine oder die andere wird jetzt vielleicht bei Youtube die Diva anklicken und sich das Lied anhören. Gruß, Heinz |
09.10.2016, 15:36 | #13 |
Hallo Heinz,
das weiß ich auch, dass dieses Lied ein anderer geschrieben hat - das trifft so auf 90% aller Lieder zu...wo der Texter ein anderer ist als der Interpret. Das Lied wird ohnehin jeder kennen...ohne es vorher youtuben zu müssen. Gruß, A.D. |
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09.10.2016, 15:39 | #14 |
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Hallo fennigfux,
ich habe ein kleines Gedicht über eine kleine Episode aus Zarah Leanders Leben geschrieben. Ein Schlaglicht auf die Diva, die in den Nachkriegsjahren diese Episode in ihrem Buch schildert (und einiges ein bisschen dazu gedichtet, ohne den Kern der Story zu verfälschen. Mein "Wissen" habe ich erst ausgebreitet, nachdem von AnDi ein in meinen Ohren falscher Zungenschlag entstand. Vorbereitet habe ich da gar nichts. "Ein Gedicht", so schreibst Du, "aber ist nicht zu erkennen." Woran erkennst Du ein Gedicht? Ich erkenne ein Gedicht u.a. an der gebundenen Rede, an der Strophenform, an verwendeten Versmaßen, an evtl. verwendeten Reimen, Metaphern. Ich erkläre (nicht im Gedicht) die gewählten "Austauschnamen" für "Zarah", die alle von den Ehefrauen von Nazigrößen stammen und neben "Joseph" die jeweils jüdische Herkunft haben (allerdings, so viel ich weiß, nicht in der von den Nazis aufgestellten Zwangsnamensliste zu finden sind). Ein Gedicht ist nicht dazu da, zumindest sehe ich das so, den Leser mit dem pädagogischen Holzhammer zu bearbeiten, vielmehr anzudeuten. Den Rest der Arbeit zum Verständnis des Gedichts muss der Leser selbst übernehmen. Wenn ich Essays schreiben wollte, würde ich das tun. Wollte ich aber nicht, denn zum gewählten Thema gibt es schon genug und bessere, als ich sie schreiben könnte. Beste Grüße, Heinz |
09.10.2016, 15:57 | #15 |
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Thing,
spät kommst Du, aber Du kommst - allerdings zu spät in diesem Fall. Im Gedicht steht: "ein Drittel der Gage in harten Devisen," und in einer meiner Antworten: "...sondern von Goebbels (sicher auch, um der Zahlung eines Teils ihrer Gage auf ein schwedisches Konto zu entkommen.)" Heinz Nochmal AnDi Du kannst es wohl nicht lassen, - in diesem Fall der Zarah - ein "Geschmäckle" anzuheften: "Ich bleibe dabei; die war eine Legionärin... die ebenso für die russischeFilmindustrie gespielt und gesungen...hätte man ihr die dort gleichen Möglichkeiten geboten." Legionäre sind zunächst einmal in aller Regel Soldaten; heute wird das Wort auch für Sportler (Fußballer insbes.) verwendet, die für ausländische Mannschaften spielen (und natürlich Geld dafür bekommen). Die Soldaten erhielten ihren Sold. Zarah Leander hat wie zigtausend Schauspieler, Sänger, Musikanten als Schwedin zunächst dort, später in Österreich, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in Deutschland, nach dem Krieg in der Schweiz und mindestens einem halben Dutzend anderer Länder ihr Geld - in Deutschland Traumgagen - verdient. Sind für Dich Rudi Carrel und viele andere aus dem Showbusiness, aus der Schlagerbranche (Peter Alexander), Dirigenten usw. alle "Legionäre"? Das kannst Du doch nicht ernst meinen? Gruß, Heinz |
09.10.2016, 16:30 | #16 | |
Zitat:
Und ich hänge der Z.L. kein Geschmäckle an...ganz im Gegenteil...ich veruche ihr das Geschmäckle...welches Du ihr unteschwellig mit ihrer Nähe zu Goebbels angedichtet hast..wieder zu nehmen |
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09.10.2016, 16:46 | #17 |
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Ihre Nähe zu Goebbels?
Ich denke doch, dass ich Zarah als hintersinnige/kluge/humorvolle Frau geschildert habe, die den "Verlockungen" Goebbels auf raffinierte Weise Paroli geboten hat. Gruß, Hein |
09.10.2016, 16:48 | #18 |
na dann sind wir uns doch einig
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09.10.2016, 19:30 | #19 |
Irgendwo schrieb Larkin sinngemäß, dass es Sujets gäbe, die für Gedichte ungeeignet seien.
Ich bin nicht sicher, ob dieser Hinweis auf Deinen Text zutreffen könnte, aber es ist ein guter Hinweis. Was halte ich für ein Gedicht? 1000 Antworten - Welche nehme ich? : Ein Gedicht ist optimierte Realität, eine Kurzgeschichte ohne Redundanzen. Ein Gedicht ist ein Text, der seine (solitäre) Gültigkeit nicht verliert, wenn der Gegenstand der Beschreibung in der Vergangenheit liegt. Ein Gedicht ist keine Endreimmaschine. Das Versmaß gilt auch für die Kongruenz der Strophen zueinander. Bewusste Zäsuren und Emphasen sind nur möglich, wenn Sie als solche - durch die Kongruenz der Strophen - erkannt werden können. Ein Gedicht hat Musik. Die wilden Wechseln der weichen und harten, offenen und geschlossenen Kadenzen wirken kakophon. Die Vokalität ist wichtig. Die Anschlüsse sind wichtig. Die Artikulationsarten sind wichtig. ( https://de.wikipedia.org/wiki/Artikulationsart ) Und ein Gedicht muss mich etwas angehen. Es muss mir etwas heute gültiges mitteilen - alles andere ist Bildungsgehabe. So. Das sollte vorerst reichen, um das Feuer zu halten. |
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09.10.2016, 19:36 | #20 |
Nachtrag:
Ein Gedicht unterhält im besten Sinne! Es ist also immer der Autor, der sich quälen soll; es ist nie der Leser, der zu quälen ist. |
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09.10.2016, 20:18 | #21 | |
abgemeldet
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Zitat:
Gleiches übertrage ich sowohl auf die Lyrik als auch auf die Wissenschaften - die angesprochenen "Konsumqualitäten", die aus einem Gedicht oder einer wissenschaftlichen Arbeit herausgepresst werden können, erfolgen immer Abstriche gegenüber den eigentlichen Prinzipien beider Disziplinen. Ich erweitere diese Kritik auch noch darum, dass ich behaupte, das manche Sachverhalte schlicht zu komplex sind, um als Gedicht verarbeitet zu werden; ich will denjenigen sehen, der Hegels "Phänomenologie" als Gedichtzyklus abarbeiten kann! Die Sache ist die: Ich habe nicht das Gefühl, dass "mein" Hinweis hier Berechtigung hat - ich bin auch nicht qualifiziert, darüber zu sprechen, da ich mich nicht Zarah Leander auseinandergesetzt habe. Ich könnte also nur darüber sprechen, was ich, als Leser, aus diesem Gedicht mitgenommen habe - z.B. die Heuchelei der rassischen Moral innerhalb des Dritten Reiches oder die Notwendigkeit, moralische Prinzipien im Sinne der eigenen Karriere oder wenigstens des eigenen Überlebens zu "verraten" - und in dieser Hinsicht kann ich schlecht behaupten, dass dies Sujet nicht für ein Gedicht geeignet ist. Es kann natürlich sein, dass Heinz mit seinem Gedicht ganz andere Eindrücke oder Gedanken vermitteln wollte - das Recht der Interpretation nehme ich mir natürlich heraus. Aber diesen Kritikpunkt würde ich hier nicht anbringen. Geändert von Ex-Larkin (09.10.2016 um 20:18 Uhr) Grund: Fehlerkorrektur |
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09.10.2016, 22:36 | #22 |
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Lieber fennigfux,
ich weiß nicht, wo Du Deine Kenntnisse her hast, aber willst Du so jemanden erklären, was ein Gedicht ist? Wenn der Verfasser dieser Definition glaubt sagen zu müssen, dass ein Gedicht keine "Endreimmaschine" ist, dann hat er zwar Recht, postuliert hier aber eine Selbstverständlichkeit, die man vielleicht den Zuhörern von Büttenreden (die manche dann für Gedichte halten) sagen sollte. Jeder Lyrikliebhaber weiß nach fünf Seiten eines beliebigen Gedichtbandes, dass der Endreim ein Gestaltungsmittel von vielen ist (für weniger Sachkundige sei der Hinweis erlaubt, dass der Endreim zur Zeit der Kreuzzüge aus dem arabischen Kulturkreis über Frankreich dann auch nach Deutschland kam. Vorher (nicht nur in Deutschland) wurde stabgereimt. Lieber larkin, damit ich nicht alles wiederholen muss, gilt meine Antwort spätesten ab hier für Eich beide. Der "Merksatz" "ein Gedicht muss mich etwas angehen. Es muss mir etwas heute gültiges mitteilen - alles andere ist Bildungsgehabe." Der erste Satz stimmt zum Teil. Aber ist ein Gedicht nicht auch dann ein Gedicht, wenn es mich nichts angeht? Vielleicht geht es Tausenden Menschen was an. "alles andere ist Bildungsgehabe" - dann wären Gedichte in Sonettform (viele Sonette sind ausgesprochene Lehr- und Lerngedichte) Bildungsgehabe? Und was ist mit unseren ältesten Gedichten (von denen wir schriftliche Originale besitzen), die Zauberformeln - meist stabgereimt - beinhalten? Als die aufgeschrieben wurden (als Zeugnisse mündlich überlieferter "Weisheiten" unserer Ururururururur-Großeltern), war das "Bildungsgehabe"? Speziell zu Dir, larkin: Ich würde Adorno widersprechen, wenn er es so gesagt hat, wie Du es aufgeschrieben hast. "Politische Gedichte" - was ist damit gemeint? Ist das "Kampflied der Debora", eines der ältesten Schriftdenkmäler der Bibel, sind die "politischen" Gedichte eines Kästner, Brecht, Biermann, um nur einige wenige zu nennen, keine Gedichte? Wie ist das Goethe-Zitat: "Ein garstig' Lied! Pfui! Ein politisch' Lied" einzuordnen? (Für Faust-Abstinenzler: Das sagt einer der Saufkumpane zum anderen in Auerbachs Keller - es wäre also völlig falsch zu sagen: "Das hat Goethe schon gesagt!" Meine Meinung zum "politischen Gedicht" ist etwa die: Wenn die Kunst, ob Malerei, Bildhauerei, Musik oder eben auch der Lyrik zu parteiischen Zwecken eingesetzt/missbraucht wird, dann entstehen (in der Lyrik) "Gedichte, die mit einer bestimmten politischen Zielrichtung verbunden sind - und insofern lehne ich "politische Gedichte" ab. Ansonsten: Wet kann sich herausnehmen, dem Dichter zu sagen, was er schreiben darf? Adorno, den ich hier überhaupt nicht angreife, soll pars pro toto für andere Geistesgrößen aus der Philosophie und anderer Geistewissenschaften stehen. Ich weiß nicht, ob Aristoteles - in einem anderen Zusammenhang - gesagt hat: "Wenn du wissen willst, ob der Schuh passt, darfst du nicht den Schuhmacher fragen, sondern den Käufer des Schuhs." Damit will ich sagen, dass nicht immer Verlass auf Aussagen "fachfremder" Wissenschaftler (und schon gar nicht auf Wikipedia) ist. Ich habe mit Goethe telefoniert - kleiner Scherz am Rande - und ihn gefragt (er hat ja nicht nur "die Schuhe" produziert, sondern hunderte, wenn nicht tausende fremde und fremdsprachige Gedichte gelesen) was ein Gedicht ist. Was macht der alte Knabe? Verweist mich auf zwei seiner Gedichte (eitel war er wohl gar nicht). Ich setz sie hier mal drunter, weil beide meine volle Zustimmung finden (und schön finde ich sie auch noch): Gedichte Gedichte sind gemalte Fensterscheiben! Sieht man vom Markt in die Kirche hinein, Da ist alles dunkel und düster; Und so siehts auch der Herr Philister. Der mag denn wohl verdrießlich sein Und lebenslang verdrießlich bleiben. Kommt aber nur einmal herein, Begrüßt die heilige Kapelle! Da ists auf einmal farbig helle, Geschicht und Zierrat glänzt in Schnelle, Bedeutend wirkt ein edler Schein. Dies wird euch Kindern Gottes taugen, Erbaut euch und ergötzt die Augen! Die Freuden Da flattert um die Quelle Die wechselnde Libelle, Der Wasserpapillon, Bald dunkel und bald helle, Wie ein Chamäleon; Bald rot und blau, bald blau und grün. O dass ich in der Nähe Doch seine Farben sähe! Da fliegt der Kleine vor mir hin Und setzt sich auf die stillen Weiden. Da hab ich ihn! Und nun betracht ich ihn genau, Und seh ein traurig dunkles Blau. Zum Schluss, lieber fennifux, ein Zitat von Dir (siehst Du, so kommt man Goethe ganz nahe): Ein Gedicht unterhält im besten Sinne! Es ist also immer der Autor, der sich quälen soll; es ist nie der Leser, der zu quälen ist. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Liebe Grüße Euch beiden, Heinz |
10.10.2016, 08:38 | #23 |
Man darf und kann selbstverständlich zu jedem Thema ein Gedicht schreiben. Ist bei den Malern auch nichts anderes...wo schon jedes Thema auf die Leinwand gebracht wurde. Und was hier Lieschen Müller und Hänschen Schmitt zu politischen Themen zu sagen haben...interessiert ohnehin keine Sau. Eine Rolle spielt also nur...wie sich das WIE mit dem WER verhält. "Was gesagt werden muss" von G.G. war harmlos...gleiches oder ähnliches ist jeden Tag zu lesen. Interessant war nur die Konstellation Inhalt/GG
GG war in der Hitlerjugend und ein Linker...gar nicht mal so ungewöhnlich....denn Antisemtismus ist eine Domäne der Linken...kommt ursprünglich von dort und ist da auch heute noch verwurzelt. Viele wissen das gar nicht. |
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10.10.2016, 11:53 | #24 |
R.I.P.
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Der andere GG, der sich angedient hatte, war - wenn ich mich recht erinnere - ziemlich unpolitisch, auf jeden Fall kein Antisemit. Er war ja auch mit der Familie Mann verschwägert.
Wäre er "falsch" politisch gewesen, hätten weder Erika noch M.H. ihn geheiratet. |
10.10.2016, 14:22 | #25 |
Dabei seit: 08/2015
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Alter: 39
Beiträge: 771
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Wow. welch Romane. Ist mir zu, naja...
MfG und Liebe. |
10.10.2016, 14:56 | #26 |
R.I.P.
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Halo Heinz
Du hast hier ein paar sehr bedenkenswerte Äusserungen ausgelöst zum Thema "Was fehlt einem Gedicht, wenn ihm was fehlt?". Besonders schön die Antwort auf deine Meinung, der Leser müsse das Gedicht zum Gedicht machen, nicht der Autor. Du erinnerst dich vielleicht noch an Kajn Kokosknusper? Er hat mal in einfachen Vier Punkten definiert, was ein Gedicht ausmache. Dass AnDi dir ein Lied als Antwort vor die Nase hält, kommt mMn nicht von ungefähr. Ein Gedicht ist immer auf der Schwelle zum Musikstück. Sogar Theaterstücke haben ihre eigene Musik, welche nicht der Zuschauer erst machen muss (Büchners Leonce und Lena, Goethes Faust, Shakespeares MacBeth, Dürrenmatts Alte Dame). Grosses Thema - wild zerredet. Url |
10.10.2016, 16:56 | #27 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Hallo urleberlu,
ich beneide Dich um Dein Vermögen, in wesentlich kürzerer, prägnanter Form das zu sagen, wozu ich immer mindestens eine halbe Seite brauche. Offenbar sind wir einer Meinung über die Nähe eines Gedichts zum Lied (wobei ich nicht immer mit Vertonungen von Gedichten zufrieden bin und schon drängt sich die nächste Frage auf: Was war zuerst - das Lied oder das Gedicht? Immerhin spricht der begriff Lyrik da Bände). Liebe Grüße, Heinz Hallo AnDi, Du schreibst: "denn Antisemtismus ist eine Domäne der Linken..." - das ist starker Toback! Da bricht mir, der ich ein "Linker" zu sein glaube, der Schweiß aus. Wenn dem so wäre, dann frage ich Dich: Warum wurden - oft in denselben KZ - dann die Linken mit den Juden von den erklärten Antisemiten (den Nazis) gleichzeitig umgebracht? (Unter anderem der ganz Linke Ernst Thälmann von paar Nazis, einer davon hieß Otto mit Nachnamen und war kurzzeitig ein Lehrer an meiner Knabenschule und lebte unbehelligt von der von Altnazis durchsetzten deutschen Justiz bis an sein Lebensende in Geldern/Niederrhein? Ich kann so aus dem Handgelenk nicht überprüfen, ob es bei den Linken eine antisemitsche Strömung gab, aber ganz falsch ist zu sagen "ist eine Domäne der Linken". Ich verorte die Domäne der Antisemiten, der Judenhasser und -mörder bei den Rechtsaußen und glaube, damit richtig zu liegen. Die Juden, die ich kannte (die inzwischen gestorben sind) wie z.B. Ralph Giordano, waren Linke, oft in ihren jungen Jahren Kommunisten. Bei den Rechten wüsste ich keinen Juden auszumachen. Gruß, Heinz |