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Alt 30.09.2012, 16:56   #1
weiblich MuschelIch
 
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Dabei seit: 09/2012
Alter: 63
Beiträge: 309

Standard Ballade vom Dummerhans

Die Ballade vom Dummerhans

Elsa die Weißhaarige schaut voll Geduld
Wolken und Vogelzug; plötzlich Tumult!
Sie lugt über die Brombeerhecken hinaus -
am Strick führt der Pöbel einen oh Graus!

Mit Trommeln, Gezeter führen einen sie vor.
Elsa erkennt ihn: Es ist Dummerhans, der Tor.
Ein Einfältiger, dumm im Kopf, doch im Herzen ganz wach!
Am Kälberstrick da ziehen sie und schleifen ihn nach.

Neben ihm da tollt sein Hund, Flocke der Graue,
laut bellend dass jemand auf dies Unrecht nur schaue!
Dummerjan der Kuhhirte, drei Kühe sie starben;
Lagen verendet heute morgen im Graben.

Diese Mär von der Meute und Dummerhans
ist vielhundert Jahr her, doch sie endet nie ganz.
Noch immer da zerr'n sie am Kälberstrick
den Hans - geben Schuld ihm am Mißgeschick.
Noch immer da zerr'n sie am Kälberstrick
den Hans - geben Schuld ihm am Mißgeschick.


Laut johlend da ziehen sie vors Tor der Stadt,
wo Dummheit und Verderben ein einzig Ziel nur hat:
Den Bruder zu morden, an den Galgen zu hängen;
so meint er der Mob, zu entkommen den Zwängen.

Vier Jahre schlechte Ernte, kein Korn für das Brot.
Und der Zins an den Burgvogt verbittert die Not.
Eisigkalter Winter; Vieh stirbt wie die Fliegen.
Den Verbündeten des Teufels, den werden sei kriegen.

Als Dummerhans endlich sein Leben hat verhaucht,
schleift man ihn zum Berggipfel, wo der Scheiterhaufen raucht.
Verendet ein Leben, geopfert in der Not
Denkt Ihr denn vom Lynchen kommt Euch das täglich Brot?

Diese Mär von der Meute und Dummerhans
ist vielhundert Jahr her, doch sie endet nie ganz.
Noch immer da zerr'n sie am Kälberstrick
den Hans - geben Schuld ihm am Mißgeschick.
Noch immer da zerr'n sie am Kälberstrick
den Hans - geben Schuld ihm am Mißgeschick


Elsa sieht die Wolken, sieht dem Vogelflug zu.
In ihrem Herzen wohnt Frieden, doch sie findet keine Ruh.
Am Himmel da kann die Zeichen sie seh'n
der Zeiten während die Jahrhunderte gehn.

Der Burgvogt von damals trägt ein anderes Kleid;
noch immer hat die Menschheit sich von ihm nicht befreit.
Zahlt Zins an den Herrscher und blutet für Brot
statt endlich zu begreifen, was wendet die Not.

Wie vor vielhundert Jahren leben wir in einer Welt,
wo Menschen and're abfackeln, wie es ihnen gefällt.
Allein daß dies sein könnte ist grausam genug!
Ich brauchs nicht schwarz auf weiss, wie sichs wirklich zutrug.

Diese Mär von der Meute und Dummerhans
ist vielhundert Jahr her doch sie endet nie ganz.
Noch immer da zerr'n sie am Kälberstrick
den Hans - geben Schuld ihm am Mißgeschick.
Noch immer da zerr'n sie am Kälberstrick
den Hans - geben Schuld ihm am Mißgeschick.
MuschelIch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.09.2012, 18:04   #2
männlich Desperado
 
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Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Hallo MuschelIch,

hab's richtig gehört und gesehen, auf Schaubildern präsentiert, Zeigestab zum Strophenvortrag zu Lautenklang und Drehleier, einfach toll!

Bänkelsängerische Grüße
Desperado
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.09.2012, 18:12   #3
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Halli Hallo, MuschelIch -


eine bittere Anklage, die leider begründet ist.
Noch immer werden (nicht nur) harmlose "tumbe Toren" ausgegrenzt und Schlimmeres.
Sie sind die Sündenböcke, weil sie sich nicht wehren oder "ordentlich" artikulieren können.

(Woran sind seine drei Kühe verendet? Hat man sie ihm vergiftet oder hatten sie schlechten Klee gegessen?)

Die Interpunktion ist nicht so ganz zu meiner Zufriedenheit, aber das ist nebensächlich.

Das Gedicht hat erreicht, was es wollte:
Es hat mich betroffen, traurig und niedergeschlagen gemacht.

Lob und Gruß
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.10.2012, 07:44   #4
weiblich MuschelIch
 
Benutzerbild von MuschelIch
 
Dabei seit: 09/2012
Alter: 63
Beiträge: 309

Guten Tag Thing, guten Tag Desperado

mein "Gesang" will aufzeigen und bewußt machen
- ganz sicher niemanden bedrücken, Thing.
Wie oft wird mit den Zeigefinger ins Mittelalter gezeigt und darauf, wie schlecht es den Menschen damals ging -
heutzutage haben wir alles,
können uns die Bäuche vollfressen bis zum Exitus und nach Majorca hoppeln genauso oft .... an was fehlts also?? "Uns gehts ja gut"
Das Lied hab ich übrigens geschrieben, als mal wieder ein Haus von Türken angezündet worden ist bei uns hier in Dtld. Gestern glaub ich war das auch wieder der Fall .....
Woran die drei Kühe starben ist eigentlich Nebensach, denn die Schuld kriegt so oder so der Kuhhirte.
Fändest Du es notwendig, da noch ... genaueres zu schreiben ? Danke Dir für Dein Zusammensitzen mit Hans und Elsa und für Dein Lob!


Bänkelsängerisch zurück grüß ich Dich, Desperado.
Daß mein Lied so lebensecht "rüberkam" freut mich natürlich sehr!
Vielleicht liegt es an Elsa, vor deren Gartentor ich eines Tages stand und "live" mitschreiben durfte, was sie erzählte ...
Hmmmm hmmm .... singen tut sie ja auch gerne, die MuschelIch ... und kennt über ein Eck eine Drehleiernde .... mal nachbänkeln

MuschelIch
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