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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 15.04.2021, 18:38   #1
weiblich seren
 
Dabei seit: 04/2021
Ort: Winterthur
Beiträge: 15

Standard Es wird Nacht

Es wird Nacht
Die Dunkelheit erstickt
den Mut des Tages
die Augen offen
starren wir ins Nichts

Die Sonne schien für uns
wir bliesen Seifenkugeln
und glaubten, dass uns nichts geschieht
solang der Fluss nur strömt
die Schiffe fahren
und die Menschen lachen

Jedoch genügt
die eine schwarze Fliege
mit einem Schatten grösser als sie selbst
und alles was im Fluss ist
kommt ins Stocken
das Lachen stirbt
und Schweigen schwärzt das Land
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Alt 17.04.2021, 04:58   #2
Trembalo
 
Dabei seit: 03/2014
Beiträge: 756

Willkommen.
Gruß
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Alt 19.04.2021, 01:09   #3
männlich Saturnia
 
Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 23

Hallo Seren!

Formal:
3 Strophen, 5-zeilig, 6-zeilig, 7-zeilig, Zeilen unterschiedlich lang, reimlos.
Immerhin ließe sich ein rhythmisches Grobmuster mit zwei Änderungen (Verlängerung von S1 Z3 und Kürzung (...) von S2 Z1) herausarbeiten, damit wird zum rhythmischen Schema von S1 in S2 eine lange Z3 neu hinzugefügt und in S3 noch eine kurze Z5:

Es wird Nacht
Die Dunkelheit erstickt
den hellen Mut des Tages
die Augen offen
starren wir ins Nichts

Die Sonne schien (...)
wir bliesen Seifenkugeln
und glaubten, dass uns nichts geschieht
solang der Fluss nur strömt
die Schiffe fahren
und die Menschen lachen

Jedoch genügt
die eine schwarze Fliege
mit einem Schatten grösser als sie selbst
und alles was im Fluss ist
kommt ins Stocken
das Lachen stirbt
und Schweigen schwärzt das Land



Inhaltlich:
Die erste Strophe erscheint als Einleitung und Zusammenfassung dessen, was folgt. Die zweite Strophe schildert den "Mut des Tages" und die Sorglosigkeit. Die dritte Strophe erscheint als Negation der zweiten unter dem "Schatten" der seltsam unheilvollen "schwarzen Fliege". Dieses Bild ist zugleich rätselhaft und doch eindeutig, zumal die Negation des Vorangegangenen damit begründet wird. Eine Fliege ist eigentlich klein, und doch ist ihre Wirkung hier umfassend und fatal. Das erinnert mich an die "Schwarze Spinne" von J. Gotthelf, in deren Gestalt sich der Teufel als Mal auf der Wange der Protagonistin einbrennt und in der Folge Verderben über das ganze Dorf bringt. Was die "Schwarze Fliege" in deinem Gedicht jedoch genau verkörpert, lässt du offen. Ich finde das macht es umso unheimlicher und wirkungsvoller. Trotzdem fragt man sich, was dieses konkrete Bild konkret versinnbildlicht. Da wäre ein kleiner Wink mit dem Zaupfahl vielleicht doch nicht verkehrt. Also, was ist es?

FG
Saturnia
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Alt 19.04.2021, 03:12   #4
weiblich seren
 
Dabei seit: 04/2021
Ort: Winterthur
Beiträge: 15

liebe Saturnia
kommt dir nicht spontan noch was anderes in den Sinn als die schwarze Spinne?
Gibt es im kollektiven Bewusstsein, man könnte auch sagen in der Zeitgeschichten nicht gerade ein Beispiel, dafür, dass ein winziges Wesen alles ins Stocken bringt? Ich wollte es nicht benennen , weil ich finde, da steckt eine Bedeutung dahinter, die über Covid 19 hinausgeht und uns Menschen immer wieder ein ungeliebtes Spiegelbild vorhält.
Ich danke dir herzlich für deine Auseinandersetzung mit meinem Gedicht und vor allem auch für die Vorschläge zur Verbesserung!

seren
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Alt 19.04.2021, 13:37   #5
männlich Saturnia
 
Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 23

Hallo seren!

An das Coronavirus habe ich auch kurz gedacht, empfand dann aber die Assoziation mit der "schwarzen Fliege" nicht deutlich genug, so dass ich diesen Gedanken nicht zuende gedacht habe. Jetzt wo du es sagst, erscheint es mir nicht mehr so abwegig. Vielleicht war meine andere Assoziation einfach nur stärker.
Dennoch stelle ich mir die Frage, ob es richtig ist, dem unsichtbaren, aber nicht gesichtslosen Virus (wir wissen, welche Gestalt es hat, die ist schließlich namensgebend) eine völlig andere Gestalt zu geben. Dafür spricht scheinbar die darin zum Ausdruck gebrachte Heimtücke, Häßlichkeit, Unkontrollierbarkeit, das Parasitäre der Fliege. Für das Virus gilt allerdings, dass es zwar parasitär und bisher kaum kontrollierbar, aber gerade nicht häßlich und sichtbar ist, sondern wohlgeformt und so winzig, dass es unsichtbar wird, und gerade auch aus diesen Eigenschaften seinen Erfolg schöpft. Das macht es so unheimlich. Soll heißen, das Wesen des Virus geht nicht in die entgegengesetzte, aber doch in eine etwas andere Richtung.
Trotzdem gefällt mir dein Gedicht.

FG
Saturnia
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Alt 19.04.2021, 17:27   #6
weiblich seren
 
Dabei seit: 04/2021
Ort: Winterthur
Beiträge: 15

Liebe Saturnia
Du hast in jeder Hinsicht recht!
Ich will auch gar nicht behaupten, ich hätte dieses Gedicht geschrieben aufgrund unserer Erfahrungen mit Covid. Es entstand 2018, da war die Pandemie noch weit weg. Aber im Laufe des Pandemiejahres geriet es mir wieder in die Hände und ich empfand es als aussagekräftig auch für das, was wir jetzt erleben. Es drückte für mich genau diese Lähmung ( im Gedicht heisst es "Stocken") aus, welche unsere Gesellschaft erfasst hat.

vielen Dank für deine Gedanken!

seren
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Alt 21.04.2021, 00:09   #7
männlich Saturnia
 
Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 23

Hallo seren!

Jetzt wird´s interessant! Wenn ich dich richtig verstehe, hast du das Gedicht schon lange vor der Pandemie unter dem Eindruck verfasst, dass es mit der Welt und der Ordnung der Dinge bergab geht, oder zumindest ein großes Unheil unsere Welt verheert - um es mal etwas salopp in den Raum zu werfen. Als Bild für dein diffuses Empfinden hast du die sehr konkrete "schwarze Fliege" gewählt. Da stellen sich gleich mehrere Fragen:
1. Was hat dich dazu bewogen, ausgerechnet die parasitäre Fliege als Bild zu wählen? Das unangenehme Gefühl, das man damit verbindet, also seine "stechende" Wirksamkeit? Oder ein konkreter Bezug? Wenn ja welcher? Vielleicht ein konkretes Ereignis, oder eine konkrete gesellschaftliche Entwicklung?
2. Wenn es eher ein unkonkretes Unwohlsein angesichts der allgemeinen Entwicklung unserer Welt ist, vielleicht wegen einer Vielzahl unguter, bislang unvorstellbarer Ereignisse, die eine Tendenz spüren lassen (z. B. Trump, Brexit, rechte Auswüchse in Dtl. und Verfassungskrisen in Osteuropa, Populismus, Shitstorms, Verschwörungstheorien), könntest du sie trotzdem benennen, aufzählen, konkret beschreiben?
3. Wenn es eher eine beängstigende persönliche Erfahrung ist, könntest du sie andeuten?
Entschuldige bitte meine Neugier. Die kommt wohl daher, weil mich das Bild der "schwarzen Fliege" sehr fasziniert. Zumal du es in einem viel größeren Maßstab anwendest, als J. Gotthelf seine immerhin teuflische "schwarze Spinne" - mit der ich ja vielleicht doch nicht so ganz daneben gelegen habe?
Ich frage auch deshalb so penetrant nach, weil es mir beim Beobachten der Entwicklungen der letzten Jahre ähnlich ergeht und ich natürlich auch hier und da versucht habe, das in Gedichte zu fassen. Wenn auch nicht so raumgreifend, wie deine "schwarze Fliege".

FG
Saturnia
Saturnia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.04.2021, 16:55   #8
weiblich seren
 
Dabei seit: 04/2021
Ort: Winterthur
Beiträge: 15

lieber Saturnia

Na du stellst Fragen!

Sie sind zugleich leicht und enorm schwierig zu beantworten. Ich habe eine gewisse Scheu sie anzugehen und will es dennoch tun.

1. Warum ich die Fliege wählte : Das geschah intuitiv, das Bild der Fliege kam mir gelegen,weil es genug vielschichtig und uneindeutig ist. Vielleicht auch, weil ich schon als Kind mit meiner Grossmutter (sie war Bäuerin) Gespräche über Fliegen führte. Sie sah die Fliege als gefährlichstes Tier, weil es einerseits auf dem Miststock anzutreffen war und sich als nächstes auf ihr Butterbrot setzen konnte.
Was das Gedicht betrifft, brauchte ich ein Tier oder ein Wesen, das uns vertraut ist, das überall hingelangt, das uns aber auch unheimlich ist und eklig vorkommt.
Mit ihren 360 Grad sichtigen Augen, ihrer Fähigkeit nach hinten abzufliegen, ihrem Gebrauch der Kapillarwirkung beim Begehen von glatten Flächen, wo sie ja auch das kopfunter Gehen mühelos beherrscht...ist die Fliege ein Tausendsassa in Sachen Welteroberung, wie wir.

2. Schon sehr lange ist mir bewusst, wie anfällig und verletzbar unsere Gesellschaft ist. Es braucht sehr wenig um sie aus dem Gleichgewicht zu hebeln. Gleichzeitig sind wir uns einen alles abfedernden Airbag gewohnt. Risiken, Krankheit und Tod versuchen wir aus unserem Leben zu verbannen und merken nicht, wie wir uns damit auf noch fatalere Gefahren einlassen.
Die Marktwirtschaft mit ihrem Konsumdiktat verspricht uns Erfolg, Popularität und Gesundheit, solange wir uns nur mit den richtigen Konsumgütern umgeben.
In dieser Scheinwelt, in der die Reichen brutal reicher und die Armen noch grausamer ärmer werden, schweben wir in illusionären Wolken, während nicht weit von uns in Ungarn, Polen, in der Türkei (ich kann nicht alle Staaten nennen) sich Diktaturen bilden, totalitäre menschenfeindliche Regimes und sie werden immer zahlreicher. Dazu kommt, dass sich Rassismus und andere „Werte“ der Rechten sich in bis anhin gemässigten Staaten wie Frankreich, USA und Grossbritannien immer mehr verbreiten. Ich will nicht larmoyant klingen, aber die Entwicklungen der letzten 30 Jahre ängstigen mich.

3. Im persönlichem Bereich wurde ich früh auf einen schwierigen Weg geschickt. Im 27. Altersjahr wurde bei mir eine unheilbare, progressive Krankheit diagnostiziert. Mit ihr lebe ich in eienm relativ heilen Umfeld, wobei jeder Tag unheimlich anstrengend ist.

Danke für deine Neugier!
Ich grüsse dich

seren
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Alt 21.04.2021, 17:49   #9
männlich Nöck
 
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Beiträge: 2.662

Hallo seren,

die folgenden Zeilen haben mich angesprochen und neugierig gemacht.

Zitat:
Zitat von seren
Die Dunkelheit erstickt
den Mut des Tages
Nachdem ich deine Erläuterungen gelesen habe, kann ich nur kopfnickend sagen: "100% das Coronavirus!" Erstaunlich, dass dein Gedicht damit gar nichts zu tun hat, sondern die Schräglage unserer Welt beschreibt.

Mit der Fliege als Unheilbringer kann ich mich nicht so recht anfreunden, sie ist mir nicht gefährlich genug.

Willkommen und viel Spaß im Forum.

Liebe Grüße
Nöck
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Alt 21.04.2021, 22:21   #10
männlich Denis Krüger
 
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Alter: 49
Beiträge: 269

Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Hallo seren,

die folgenden Zeilen haben mich angesprochen und neugierig gemacht.



Nachdem ich deine Erläuterungen gelesen habe, kann ich nur kopfnickend sagen: "100% das Coronavirus!" Erstaunlich, dass dein Gedicht damit gar nichts zu tun hat, sondern die Schräglage unserer Welt beschreibt.

Zitat:
Mit der Fliege als Unheilbringer kann ich mich nicht so recht anfreunden, sie ist mir nicht gefährlich genug.
Willkommen und viel Spaß im Forum.

Liebe Grüße
Nöck

Könnte ein Vorbote sein, so las ich es, so nach dem Motto " In der Not frisst der Teufel Fliegen "

Willkommen auch von mir
Denis Krüger ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.04.2021, 23:46   #11
männlich Saturnia
 
Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 23

Hallo seren!

Zitat:
Zitat von seren Beitrag anzeigen
1. Warum ich die Fliege wählte : Das geschah intuitiv, das Bild der Fliege kam mir gelegen,weil es genug vielschichtig und uneindeutig ist. Vielleicht auch, weil ich schon als Kind mit meiner Grossmutter (sie war Bäuerin) Gespräche über Fliegen führte. Sie sah die Fliege als gefährlichstes Tier, weil es einerseits auf dem Miststock anzutreffen war und sich als nächstes auf ihr Butterbrot setzen konnte.
Was das Gedicht betrifft, brauchte ich ein Tier oder ein Wesen, das uns vertraut ist, das überall hingelangt, das uns aber auch unheimlich ist und eklig vorkommt.
Mit ihren 360 Grad sichtigen Augen, ihrer Fähigkeit nach hinten abzufliegen, ihrem Gebrauch der Kapillarwirkung beim Begehen von glatten Flächen, wo sie ja auch das kopfunter Gehen mühelos beherrscht...ist die Fliege ein Tausendsassa in Sachen Welteroberung, wie wir.
Deine Anmerkungen sind sehr aufschlussreich in mehrfacher Hinsicht:
Du hast dein Bild intuitiv gewählt - wie ich es vermutet habe. Umso bewundernswerter, wie gut du es getroffen hast. Die nachfolgenden Erläuterungen verraten aber auch deinen besonderen persönlichen Bezug zu diesem Tier, der sicher nicht nur von Ekel, sondern auch von Faszination bestimmt wird. Ich halte die Einschätzung deiner Großmutter übrigens nicht für ganz falsch. Immerhin heißt es, das gefährlichste Tier der Welt sei die Mücke, weil sie am stärksten an der Verbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten beteiligt ist. Und Mücken sind mit den Fliegen engstens verwandt.
Passend finde ich auch, dass du nach einem vertrauten Tier gesucht, und dich dann für die Fliege entschieden hast. Ich finde, die Fliege ist uns sogar vertrauter als die Mücke. Warum? Weil uns ihr hässlicher Anblick vertraut ist, während die Mücke meistens herumschwirrt, aber selten lange genug sitzenbleibt und sich genau beobachten lässt. Dafür ist sie auch schon fast zu klein. Die Fliege ist als Bild also geeigneter.

Zitat:
Zitat von seren Beitrag anzeigen
2. Schon sehr lange ist mir bewusst, wie anfällig und verletzbar unsere Gesellschaft ist. Es braucht sehr wenig um sie aus dem Gleichgewicht zu hebeln. Gleichzeitig sind wir uns einen alles abfedernden Airbag gewohnt. Risiken, Krankheit und Tod versuchen wir aus unserem Leben zu verbannen und merken nicht, wie wir uns damit auf noch fatalere Gefahren einlassen.
Die Marktwirtschaft mit ihrem Konsumdiktat verspricht uns Erfolg, Popularität und Gesundheit, solange wir uns nur mit den richtigen Konsumgütern umgeben.
In dieser Scheinwelt, in der die Reichen brutal reicher und die Armen noch grausamer ärmer werden, schweben wir in illusionären Wolken, während nicht weit von uns in Ungarn, Polen, in der Türkei (ich kann nicht alle Staaten nennen) sich Diktaturen bilden, totalitäre menschenfeindliche Regimes und sie werden immer zahlreicher. Dazu kommt, dass sich Rassismus und andere „Werte“ der Rechten sich in bis anhin gemässigten Staaten wie Frankreich, USA und Grossbritannien immer mehr verbreiten. Ich will nicht larmoyant klingen, aber die Entwicklungen der letzten 30 Jahre ängstigen mich.
Was die Zersetzungserscheinungen in den freiheitlichen westlichen Gesellschaften angeht, empfinde ich die letzten 30 Jahre ähnlich wie du. Die erste "Todsünde" war der Neoliberalismus der 90er Jahre, verbunden mit der Ignoranz gegenüber der wachsenden Orientierungslosigkeit in Osteuropa. In vielen Punkten hat der Systemwechsel dort wahrscheinlich funktioniert, in manchen aber überhaupt nicht. Die gefährlichen rechtslastigen Entwicklungen der letzten Jahre sind meiner Meinung nach vor allem ein Produkt dieses unvollständig bewältigten Wandels und der jahrzehntelangen westlichen Arroganz im Umgang damit. Jetzt haben wir die rechten Halbdiktaturen schon direkt vor der Haustür.
Dass aber auch der Westen für diese Krankheit wieder sehr anfällig geworden ist, kann man ja schon länger überall beobachten. Der Brexit ist da ein besonderer Fall, weil er auf eine ganz eigene unbewältigte Demütigung verweist, nämlich den Verlust der ehemals weltbeherrschenden Rolle der Briten. Alle größeren europäischen Staaten sind in irgendeinem Moment der Geschichte mal als Großmächte in Erscheinung getreten: Italien unter den Römern, Spanien mit der Eroberung Amerikas, England mit seinen Kolonien, Frankreich unter Napoleon, Deutschland unter Hitler und Russland in Form der Sowjetunion. Aber unter den jüngeren Kandidaten haben es nur die Briten geschafft, diese Stellung auch etwa 250 Jahre lang zu halten. Der Verlust zehrt bis heute und macht die Briten als Gleiche unter Gleichen quasi bindungsunfähig. Daher der Brexit nach 35 Jahren EU-Mitgliedschaft, das war kein Unfall. Also müssen wir aufpassen, dass es uns mit unseren geschichtlichen Traumata nicht ähnlich ergeht. Wie jedes Land Europas.

Zitat:
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3. Im persönlichem Bereich wurde ich früh auf einen schwierigen Weg geschickt. Im 27. Altersjahr wurde bei mir eine unheilbare, progressive Krankheit diagnostiziert. Mit ihr lebe ich in eienm relativ heilen Umfeld, wobei jeder Tag unheimlich anstrengend ist.
Diese Last habe ich persönlich nicht zu tragen, allerdings erlebe ich als engster Angehöriger täglich, was es heißt, schwer und vielleicht unheilbar krank zu sein. Wenn eine Person ernsthaft krank wird, leidet die ganze Familie. Und für viele solcher Familien bedeutet das, dass ein "normales" westliches Leben mit regelmäßigem Urlaub, entspanntem Familienalltag, Sport, Hobby, Ausgehen, Freunden, Verwandtschaft und Familienfesten etc. entweder kaum, oder gar nicht stattfindet. Da herrscht quasi schon seit Jahren ein permanenter Lockdown. Es hängt natürlich stark von der Erkrankung und ihrem Stadium ab, welche Dinge noch funktionieren, und welche nicht.

ich merke, dass sich in deinem Bild von der "schwarzen Fliege", sei es bewusst oder eher intuitiv, eine ganze Menge an Eindrücken allgemeiner und sehr persönlicher Natur widerspiegeln. Die Fliege als Krankheitsüberträger ist dabei aber wohl nicht erst seit der Pandemie eine passende Metapher. Die vielen anderen grassierenden Krankheiten inklusive deiner eigenen hast du ja aufgezählt. Das ist dir also gut gelungen.

FG
Saturnia
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