Neigungen bei Poetry.de

Schattenblume · 10.10.2006, 17:40

[font=Fixedsys]sturmbewegt

[font=Fixedsys]ruft gras nach stille

[font=Fixedsys]bäume beugen sich

[font=Fixedsys]in tiefer erde

[font=Fixedsys]ruht der wille

[font=Fixedsys]bis neigung mit dem wind sich bricht

Michael · 10.10.2006, 18:16

Hallo Schattenblume,

ich sehe Bäume, die sich verbeugen und verbiegen, bis nur noch krummes Holz von ihnen übrig bleibt. Das Gras, irgendwo da unten an den Wurzeln der Bäume, protestiert, fühlt sich belästigt.
Die Neigung stemmt sich dem Wind entgegen, und durch ihren Widerstand erweckt sie den Willen, der tot und begraben schien, zur Aktivität. Philosophisch sagst Du damit: erst wenn der Wille auf die Neigung hört, kann er zur Tat werden.
Sprachlich gefallen mir Deine verdichteten Überlegungen sehr gut.
Freundliche Grüße Michael

Schattenblume · 10.10.2006, 18:33

oh! hallo Michael, so schnell bekomme ich bereits eine Antwort auf meine Gedanken-Sandburgen.
das freut mich.

noch mehr freut und überrascht es mich, wie du so treffend erspürt hast,
was ich mit diesem Bild umschreiben wollte. Du hast mich damit schonmal
vor der leidigen Plage einer Interpretationsanleitung bewahrt - so macht mir
das Schreiben und Gelesen werden umso mehr Freude ! danke.

Guardian · 10.10.2006, 18:41

oh, das liest sich wundervoll, ist ein großer lichtblick. nur denke ich, dass die leerzeile nicht zwingend notwendig ist, habe jedenfalls darübergelesen ohne einen bruch zu machen. gefällt sehr.

Schattenblume · 10.10.2006, 18:51

oh. vielen Dank für die lobende Lichtquelle, Guardian! habe schon Einiges von dir gelesen, darum
schätze ich dieses Kompliment grade besonders.

die Leerzeile bringt mich auch ein wenig ins Wanken. Ich wollte ein anderes, feineres Schriftbild verwenden,
in dem die Leerzeile wesentlich besser kommt, doch scheine ich Probleme mit bestimmten Codeanwendungen auf meinem Rechner zu haben. Es läßt sich nicht mehr ändern.
ich nehm ab jetzt einfach wieder den Bleistift...

Ex Darkskin · 10.10.2006, 23:44

Hey,

dein Gedicht ist ein positives Beispiel dafür, wie man die drei Grundvoraussetzungen eines guten Gedichtes erfüllt:

Die Trägerwelle
Die Kohärenz
Das Target

Deshalb gefällt es.

Die Trägerwelle:
ruft gras nach stille
ruht der wille

Die Kohärenz:
bäume beugen sich

in tiefer erde

Das Target:
bis neigung mit dem wind sich bricht

Sehr gut realisiert. Wie aus dem Lehrbuch.
Man merkt es beim Lesen, die Harmonie.

http://home.vrweb.de/cyberbabies/cor...ages/signa.gif

Schattenblume · 11.10.2006, 16:05

ich staune, Darkskin !

ich staune darüber, wie elegant du hier mein Gedicht filetierst, ohne ihm dabei die Haut abzuziehen.
Selten habe ich bisher (leider) derartige Kritikfähigkeit finden können. Mit wenigen, klaren Deutungen hast du mir mehr über das, was ich hier getan habe, bewusst werden lassen, als so manche wohlmeinenden ellenlangen Analysen (ohne diese jetzt völlig nieder machen zu wollen).

Klasse!

p.s.: was bedeuted "tro lai thoi ky nhu tre con; lam cam (nguoi gia)" ?

Ex Darkskin · 11.10.2006, 19:55

Liebe Schattenblume,

ich freue mich sehr über dein Lob und deine Anerkennung

)

Der von dir zitierte Satz ist vietnamesisch und bedeutet:

Einmal wieder eine Sekunde unbeschwerte Kindheit erleben (wie schön)

Das ist im vietnamesischen eine Redewendung oder ein Sprichwort, ich kann es nicht exakt wörtlich übersetzen, dazu sind die Sprachen zu verschieden, aber der Sinn ist genau der.

Liebe Grüsse

http://home.vrweb.de/cyberbabies/cor...ages/signa.gif

Lorelai · 11.10.2006, 20:09

wow...gefällt mir wirklich total gut!
die bilder die du verwendest...schön!
und ja...auf ein lob von guardian kannst du echt stolz sein!=)

liebe grüße,
lorelai

Schattenblume · 12.10.2006, 16:25

ein ´wow´ scheint wohl auf der Läusebefallskala von Darkskin sowas wie ein Lob ´dritten Grades´ zu sein

. danke, Lorelai, für´s Eintauchen in meine Bilder.

mlg

Schattenblume

el Fön · 12.10.2006, 16:48

= wenn wünsche sterben

?

vielleicht:

"beugen bäume sich"

"bis neigung mit dem winde bricht"

würde das ganze möglicherweise extrem romatisieren.

leerzeile ist meiner meinung nach hier ein muß, sonst würde ich automatisch "bäume beugen sich in tiefer erde" lesen.

gern gelesen.

Schattenblume · 12.10.2006, 17:05

hurra,
du hast meine Leerzeilen-Absicht erkannt, Fön !
da bin ich doch diesmal über meine eigene Hartnäckigkeit froh,
denn manchmal greift man ja auch nach geliehenen Erfahrungen und trägt sie dorthin,
wo sie unpassend sind. danke für deinen aufmerksamen Blick.

Zitat:

= wenn wünsche sterben
?

weniger.
eher geboren werden...

m.gruss v.d.

Schattenblume

el Fön · 13.10.2006, 10:40

Zitat:

Original von Schattenblume

[font=Fixedsys]sturmbewegt

[font=Fixedsys]ruft gras nach stille

[font=Fixedsys]bäume beugen sich

[font=Fixedsys]in tiefer erde

[font=Fixedsys]ruht der wille

[font=Fixedsys]bis neigung mit dem wind sich bricht

wo bin ich falsch abgebogen?

in tiefer erde ruht der wille... beziehe ich automatisch auf den baum, also auf dessen wurzeln. weil die wurzeln des baumes in bezug zum gras relativ tiefer liegen.
den "willen" des baumes interpretiere ich als seine lebensfähigkeit, weil er natürlich kein eigenes streben im herkömmlichen sinne hat.

war das so gewollt?

Schattenblume · 13.10.2006, 16:00

Zitat:

Original von el Fön
wo bin ich falsch abgebogen?

?versteh ich jetzt meine eigenen Antworten schon nicht mehr,
oder du meine Fragen nicht, oder meinen wir beide das Gleiche,
ohne es zu wissen ?

wie auch immer...

der wille, der in tiefer erde ruht,
umschreibt die Verwurzelung der Bäume,
und steht auch für das Unbewusste, für Hingabe und Ursprünglichkeit.
der Bruch entsteht durch den Sturm, der oberhalb dieser Wurzeln auf Starres trifft.

isses jetzt etwas klarer ?

Fön, ich muss gestehn, dass mir das Schreiben selbst leichter fällt,
als das Auseinanderdröseln. doch ich geb mir Mühe - das lerne ich schon noch...

lg

Schattenblume

frequenz975 · 24.10.2006, 23:49

Ein sehr rundes Gedicht ist Dir da gelungen!

10.10.2006, 17:40	#1
Schattenblume Dabei seit: 10/2006 Beiträge: 28 Meine Gedichte	Neigungen [font=Fixedsys]sturmbewegt [font=Fixedsys]ruft gras nach stille [font=Fixedsys]bäume beugen sich [font=Fixedsys]in tiefer erde [font=Fixedsys]ruht der wille [font=Fixedsys]bis neigung mit dem wind sich bricht

10.10.2006, 18:16	#2
Michael Dabei seit: 07/2006 Beiträge: 94 Meine Gedichte	Neigung und Wille Hallo Schattenblume, ich sehe Bäume, die sich verbeugen und verbiegen, bis nur noch krummes Holz von ihnen übrig bleibt. Das Gras, irgendwo da unten an den Wurzeln der Bäume, protestiert, fühlt sich belästigt. Die Neigung stemmt sich dem Wind entgegen, und durch ihren Widerstand erweckt sie den Willen, der tot und begraben schien, zur Aktivität. Philosophisch sagst Du damit: erst wenn der Wille auf die Neigung hört, kann er zur Tat werden. Sprachlich gefallen mir Deine verdichteten Überlegungen sehr gut. Freundliche Grüße Michael

10.10.2006, 23:44	#6
Ex Darkskin abgemeldet Dabei seit: 04/2005 Beiträge: 901 Meine Gedichte	RE: Neigungen Hey, dein Gedicht ist ein positives Beispiel dafür, wie man die drei Grundvoraussetzungen eines guten Gedichtes erfüllt: Die Trägerwelle Die Kohärenz Das Target Deshalb gefällt es. Die Trägerwelle: ruft gras nach stille ruht der wille Die Kohärenz: bäume beugen sich in tiefer erde Das Target: bis neigung mit dem wind sich bricht Sehr gut realisiert. Wie aus dem Lehrbuch. Man merkt es beim Lesen, die Harmonie. http://home.vrweb.de/cyberbabies/cor...ages/signa.gif

24.10.2006, 23:49	#15
frequenz975 Dabei seit: 10/2006 Beiträge: 5 Meine Gedichte	RE: Neigungen Ein sehr rundes Gedicht ist Dir da gelungen!

10.10.2006, 18:33	#3
Schattenblume Dabei seit: 10/2006 Beiträge: 28 Meine Gedichte	oh! hallo Michael, so schnell bekomme ich bereits eine Antwort auf meine Gedanken-Sandburgen. das freut mich. noch mehr freut und überrascht es mich, wie du so treffend erspürt hast, was ich mit diesem Bild umschreiben wollte. Du hast mich damit schonmal vor der leidigen Plage einer Interpretationsanleitung bewahrt - so macht mir das Schreiben und Gelesen werden umso mehr Freude ! danke.

10.10.2006, 18:41	#4
Guardian Dabei seit: 12/2005 Beiträge: 597 Meine Gedichte	oh, das liest sich wundervoll, ist ein großer lichtblick. nur denke ich, dass die leerzeile nicht zwingend notwendig ist, habe jedenfalls darübergelesen ohne einen bruch zu machen. gefällt sehr.

10.10.2006, 18:51	#5
Schattenblume Dabei seit: 10/2006 Beiträge: 28 Meine Gedichte	oh. vielen Dank für die lobende Lichtquelle, Guardian! habe schon Einiges von dir gelesen, darum schätze ich dieses Kompliment grade besonders. die Leerzeile bringt mich auch ein wenig ins Wanken. Ich wollte ein anderes, feineres Schriftbild verwenden, in dem die Leerzeile wesentlich besser kommt, doch scheine ich Probleme mit bestimmten Codeanwendungen auf meinem Rechner zu haben. Es läßt sich nicht mehr ändern. ich nehm ab jetzt einfach wieder den Bleistift...

11.10.2006, 16:05	#7
Schattenblume Dabei seit: 10/2006 Beiträge: 28 Meine Gedichte	ich staune, Darkskin ! ich staune darüber, wie elegant du hier mein Gedicht filetierst, ohne ihm dabei die Haut abzuziehen. Selten habe ich bisher (leider) derartige Kritikfähigkeit finden können. Mit wenigen, klaren Deutungen hast du mir mehr über das, was ich hier getan habe, bewusst werden lassen, als so manche wohlmeinenden ellenlangen Analysen (ohne diese jetzt völlig nieder machen zu wollen). Klasse! p.s.: was bedeuted "tro lai thoi ky nhu tre con; lam cam (nguoi gia)" ?

11.10.2006, 19:55	#8
Ex Darkskin abgemeldet Dabei seit: 04/2005 Beiträge: 901 Meine Gedichte	Liebe Schattenblume, ich freue mich sehr über dein Lob und deine Anerkennung ) Der von dir zitierte Satz ist vietnamesisch und bedeutet: Einmal wieder eine Sekunde unbeschwerte Kindheit erleben (wie schön) Das ist im vietnamesischen eine Redewendung oder ein Sprichwort, ich kann es nicht exakt wörtlich übersetzen, dazu sind die Sprachen zu verschieden, aber der Sinn ist genau der. Liebe Grüsse http://home.vrweb.de/cyberbabies/cor...ages/signa.gif

11.10.2006, 20:09	#9
Lorelai Dabei seit: 03/2006 Beiträge: 354 Meine Gedichte	wow...gefällt mir wirklich total gut! die bilder die du verwendest...schön! und ja...auf ein lob von guardian kannst du echt stolz sein!=) liebe grüße, lorelai

12.10.2006, 16:25	#10
Schattenblume Dabei seit: 10/2006 Beiträge: 28 Meine Gedichte	ein ´wow´ scheint wohl auf der Läusebefallskala von Darkskin sowas wie ein Lob ´dritten Grades´ zu sein . danke, Lorelai, für´s Eintauchen in meine Bilder. mlg Schattenblume

12.10.2006, 16:48	#11
el Fön Dabei seit: 08/2006 Beiträge: 345 Meine Gedichte	= wenn wünsche sterben ? vielleicht: "beugen bäume sich" "bis neigung mit dem winde bricht" würde das ganze möglicherweise extrem romatisieren. leerzeile ist meiner meinung nach hier ein muß, sonst würde ich automatisch "bäume beugen sich in tiefer erde" lesen. gern gelesen.