Poetry reading Teil 1

[kati79]

Meine Augen spiegeln die rasch schwindende Glut der Dämmerung. Die Nacht legt ihren samtenen Mantel über das Land ; nach und nach zündet sie kleinen Lampions gleich ihre Sterne über mir an.
Das vorwitzige Licht des ersten Sternes zaubert ein zaghaft verwegenes Lächeln auf meine Züge.
Dennoch friere ich erbärmlich. Die Euphorie der Freiheit erhält nicht selten einen gehörigen Dämpfer durch die Realität. Dennoch versuche ich die brennende Kälte und das leise Gefühl von Unbehagen zu ignorieren. Die Strasse liegt nassglänzend schwarz und wenig einladend vor mir.
Eine warme Hand legt sich beruhigend in meine; ein verschmitztes Lächeln drängt sich zwischen mich und die aufkeimende Furcht. "Du hast doch nicht etwa Angst? " Der beruhigende Bariton klebt an mir wie süßer Honig, beruhigend und beängstigend lähmend zugleich.
"Natürlich nicht! Ist doch nichts dabei, zuhause bin ich oft per Anhalter gefahren!" entgegne ich barsch.
Bin ich natürlich nicht. Das ist auch meinem schwulen Freund spätestens in diesem Augenblick klar geworden. Er beläßt es aber glücklicherweise bei einem angedeuteten Heben der wohlgeformten Augenbrauen.
Eine Stunde später sitzen wir in einem überraschend sauberen Auto Richtung Stadt.
In dem Maße, in dem die Wärme zurück in meine Glieder kriecht, erwacht auch mein Übermut.
Während ich mich wie ein zufriedener Welpe vor dem Ofen strecke frage ich meinen Freund : " Was war denn das Verrückteste, das dir beim per Anhalter
fahren je passiert ist?" "Oh, das war als der Motor Flammen schlug!", lacht mein Freund.
Trotz der Wärme im Wageninneren fröstle ich wieder.
Den Rest des Weges legen wir schweigend zurück. Meter um Meter verschwindet der rissige Asphalt unter der Motorhaube. Die Sterne leuchten auf uns herab. Ähnlich JuleVernes Mondfahrern
treiben wir in unserem Gefährt einsam auf die Lichter der Zivilisation zu.
Je näher wir ihnen kommen, desto weiter scheinen sie sich zu entfernen. Schlussendlich gehen wir wieder Erwarten als Sieger aus diesem Wettstreit hervor.
In fiebriger Erwartung glänzen meine Augen, spiegeln die Lichter der Stadt.
"Wie heisst das wo wir hingehen?" vergewissere ich mich.
"Poetry reading." , lautet die knappe Antwort.
Mit einem mißtönenden Quietschen schlägt die Autotür hinter uns zu. Wir stehen urplötzlich allein, schutzlos in einem Gewirr aus grauen Häusern, Leuchtreklamen, Lärm und Einsamkeit.
Ich atme tief. So viele Gerüche. So viele Laute. So viele Menschen. Nie zuvor habe ich mich so lebendig gefühlt. Adam zieht mich weiter in dies Kaleidoskop hinein. Strasse folgt Strasse. Ampeln. Menschen. Lichter. Endlich werden die Straßen schmaler, der Menschenstrom wird lichter, die Geräusche erträglicher. Zum ersten Mal kann ich innehalten, schauen, atmen.
Ein wenig gruselig ist es hier in den engen Gassen, ein steinernes graues Meer links und rechts.
Adam ergreift meinen Arm: "Es ist nicht mehr weir!"
Wie in Trance lasse ich mich voranziehen auf ein weit entferntes Licht zu. Ein heruntergekommenes altes Industriegebäude ist unser Ziel.
"The Attic" verkündet nicht ohne hintergründigen Charme ein Neonschild. Tatsächlich erreicht man "The Attic" nur über eine fragil erscheinende eiserne Wendeltreppe, die sich in schwindeletregenden Kurven tatsächlich bis unter das Dach des alten Gebäudes zieht.

[Zwieleuchter]

will mehr davon. wo ist part 2?

lg

zwieleuchter

[kati79]

Danke Zwieleuchter :-)
Ich werde mich später noch einmal daransetzen, bin ein eingefleischter Nachtarbeiter ...

[Ex-Peace]

Mit deinen Worten malst du Bilder.

Find ich echt gut. Liest sich schön.
Du könntest doch vielleicht eine Art "Roadmovie" aus deiner Geschichte machen - mit nachdenklichen und witzigen Dialogen.

Liebe Grüße,
Peace

[Zwieleuchter]

oh, liebe kati! bin aus hh zurück und wollte deine fortsetzung lesen...!

lg

zwieleuchter

[kati79]

Hallo Zwieleuchter,

werde daran arbeiten, versprochen ;-)

LG Kati