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Alt 31.05.2021, 19:17   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Ein Sommerurlaub (Thriller)

Juli 1995, an der Costa del Sol


Endlich da! Volker wuchtete den Koffer auf das große Doppelbett und sah sich im Hotelzimmer um. Es bot erstaunlich viel Platz, obwohl neben dem Doppelbett ein Kinderbett und ein Wickeltisch aufgebaut waren. Es gab zwei Nachtschränkchen, einen Kleiderschrank, einen Tisch und den unvermeidlichen Fernseher. Volker hatte sich geschworen, ihn in diesem Urlaub nicht einzuschalten.
Er trat ans Fenster und sah hinaus. Man hatte einen herrlichen Ausblick auf das Meer.
Die Tür öffnete sich, und Agnes betrat das Zimmer, mit der schlafenden Arianna auf dem rechten Arm, ihren Kopf auf die Schulter gebettet. Sie bedeutete Volker, leise zu sein, legte das Kind vorsichtig in das Kinderbett und küsste ihren Mann auf den Mund.
„Ist das herrlich hier!" wisperte sie ihm ins Ohr und schmiegte sich an ihn.
Volker konnte nur nicken. Er hielt Agnes im Arm und ein Glücksgefühl überwältigte ihn. Zwei Wochen Urlaub an der Mittelmeerküste, mit Frau und Kind. Keine Arbeit, keine Sorgen, kein Alltag. Zärtlich drückte er Agnes an sich.

Am Abend lernten sie im Hotelrestaurant Dagmar und Johannes kennen. Volker war nicht begeistert: Er hasste Urlaubsbekanntschaften. Aber was sollte man sagen, wenn ein nettes junges Ehepaar, auch aus Deutschland, fragte, ob an ihrem Tisch noch zwei Plätze frei seien? Volker hatte sich umgesehen, aber alle anderen Tische waren voll besetzt, und ehe ihm eine gute Ausrede eingefallen war, hatte Agnes auch schon mit einem „Ja, natürlich" geantwortet.
Dagmar war sehr redselig. Ehe das Essen serviert wurde, hatten Volker und Agnes erfahren, dass Johannes und sie seit einem Jahr verheiratet waren, Dagmar in einem Reisebüro und Johannes als Erzieher in einem Kindergarten arbeitete und vor allem, dass beide sich sehnlichst ein Kind wünschten. Dagmar schaute die zweijährige Arianna, die in ihrem Kinderstuhl am Tisch saß, mit geradezu schmachtendem Blick an, wie Volker unbehaglich feststellte.
„Was für ein süßes Mädchen!", sagte sie. „Sie sind sicher stolz auf Ihre Tochter."
Volker rang sich ein gequältes Lächeln ab und nickte.
„Wir sind mächtig stolz auf sie", antwortete Agnes.
„Hat das Hotel eine Kinderbetreuung?" wollte Johannes wissen, der bis zu diesem Zeitpunkt kaum etwas gesagt hatte.
„Es wird eine Betreuung angeboten", erwiderte Agnes, „aber wir haben nicht vor, sie in Anspruch zu nehmen. Ich gebe mein Kind nicht so gern in fremde Hände. Wir nehmen Arianna überallhin mit."
„Oh ja, natürlich", stimmte Dagmar zu, „das würde ich ganz genauso machen! Nur schade, dass man abends dann nicht ausgehen kann. Die Kleine muss sicher gleich ins Bett?"
In diesem Moment kam der Kellner mit dem Essen und enthob Agnes damit einer Antwort. Volker atmete auf. Er empfand diese Frau als äußerst aufdringlich. Es ging ihm gegen den Strich, dass eine völlig Fremde über den Tagesablauf seiner Familie informiert werden wollte.
Während des Essens war Dagmar zurückhaltender - ein Glück, dachte Volker gehässig, dass sie mit der Gabel im Mund nicht so viel reden kann - und nach dem Essen verabschiedeten er und Agnes sich schnell.
„Vielleicht sehen wir uns ja morgen!", bemerkte Dagmar und Volker musste an sich halten, um keine unhöfliche Antwort zu geben.

„Ist das eine furchtbare Person!" Er streckte sich auf dem Bett aus und sah Agnes dabei zu, wie sie Arianna fürs Bett fertigmachte. Die Kleine brabbelte vergnügt vor sich hin.
„Sie hat es gut, sie hat das Geschnatter von der Person nicht verstanden."
„Dagmar? So schlimm finde ich sie gar nicht. Hast du mitbekommen, dass sie perfekt Spanisch spricht?"
„Und wenn schon. Wenn sie im Reisebüro arbeitet, wird das wohl zu ihrem Beruf gehören." Volkers Gesicht verdüsterte sich. „Ich hoffe, die versauen uns nicht den ganzen Urlaub."
Agnes sah ihn überrascht an. „Und ich dachte, es wäre toll, Bekannte zu finden. Sie könnten mal auf Arianna aufpassen. Dagmar scheint doch sehr kinderlieb zu sein."
„Kommt überhaupt nicht in Frage! In die Kinderbetreuung im Hotel willst du die Kleine nicht geben, aber ausgerechnt dieser ...dieser Person?"
„Naja, ich dachte nur. Wenn wir einen Ausflug nach Torremolinos machen wollen, ist es mit einem kleinen Kind schon anstrengend, und wir könnten nicht so lange bleiben. Wenn Arianna bei Dagmar bleibt, könnten wir einen richtigen Tagesausflug machen und ich wüsste sie in guten Händen. Die Leute von der Kinderbetreuung im Hotel kenne ich nicht."
„Dagmar hast du heute Abend erst kennengelernt!" Volker sah seine Frau an, als ob er an ihrem Verstand zweifele. „Das kommt überhaupt nicht in Frage!"
„Na schön", Agnes' Stimme klang jetzt eingeschnappt, „dann eben nicht. Aber du wirst mir nicht verbieten, dann mal mit Dagmar einen Tag zu verbringen. Dann bleibst du hier und passt auf Arianna auf."
„Das ist doch kein Problem." Er ging auf Agnes zu und schloss sie versöhnlich in die Arme.

Am nächsten Tag trafen sie Dagmar und Volker am Strand wieder. Es kam, wie es kommen musste: Am Abend waren Agnes und Dagmar die besten Freundinnen und hatten bereits Pläne für gemeinsame Unternehmungen geschmiedet, wie Volker resignierend feststellte. Als ob sie sich gesucht und gefunden hätten, dachte er. Aber solange Agnes Dagmar nicht die Kleine anvertraute, sollte es ihm recht sein. Wenigstens ging Johannes ihm nicht auf die Nerven: Der hatte sich schon nach einer Stunde mit einer gemurmelten Entschuldigugn vom Strand entfernt. „Er verträgt die Sonne nicht so gut", hatte Dagmar erklärt. Immer trifft es die Falschen, dachte Volker und biss sich auf die Zunge, um den Satz nicht laut auszusprechen. Auch wenn er auf Johannes genau so gut verzichten konnte: Er war viel angenehmer als seine Frau. Was Agnes nur an dieser Ziege fand? Volkers Gedanken wanderten zu ihrem beider Alltag: Agnes hatte gar keine Freundin, soviel er wusste. Sie traf sich ab und zu mit ihren Arbeitskolleginnen auf ein Kaffeekränzchen, wie sie es nannte, und diese Veranstaltungen waren Agnes eher lästig. Warum hatte sie keine Freundinnen? Volker fiel auf, dass er nicht viel von seiner Frau wusste, was diese Dinge betraf. Vor vier Jahren hatten sie sich kennengerlernt, vor drei Jahren geheiratet, und Arianna kündigte sich schon zwei Monate nach der Hochzeit an. Das erste Jahr war mit den üblichen Dates vergangen: romantische Abendessen im Restaurant, Kinobesuche, auch im Theater waren sie ein paarmal gewesen. Und vor allem hatten sie viel Sex. Den besten Sex, den er je erlebt hatte. Aber miteinander geredet hatten sie wenig, wie Volker nun urplötzlich klar wurde. Als sich Arianna ankündigte, waren sie beide aufgeregt und voll Vorfreude gewesen. Ab da drehten sich ihre Gespräche fast nur noch um Schwangerschaft, Babys im Allgemeinen und ihr Baby im Besonderen, um Kindererziehung und wie sich das Leben nach der Entbindung gestalten sollte. Nach Ariannes Geburt war es nicht viel anders, stets stand das Baby im Vordergrund. Volker hatte das richtig gefunden. So ein kleines Menschlein hatte ein Anrecht darauf, dass sich hauptsächlich um seine Bedürfnisse gekümmert wurde.
Nun wurde ihm mitten im Urlaub in Andalusien, am Strand der Costa del Sol und ausgerechnet neben der geschwätzigen Ziege Dagmar klar, dass ihr Leben Agens womöglich nicht alles gab, was sie brauchte.

„Torremolinos!", hörte er Dagmar sagen, „super, die Stadt wollte ich unbedingt mal sehen! Hach, ich freu mich - wie wäre es gleich morgen? Wir könnten mit dem Bus um 9 Uhr fahren. Ich hab mir den Fahrplan schon angeschaut."
„Von mir aus gerne!", antwortete Agnes. „Volker hat versprochen, auf Arianna aufzupassen. Und was ist mit deinem Mann, ist das für ihn okay, wenn er alleine hierbleibt?"
Dagmar lachte auf. „Ich glaube, der ist froh, wenn er mal einen ruhigen Urlaubstag hat. Keine Sorge, das geht schon in Ordnung."
Sie wandte sich an Volker. „Du hast doch kein Problem mit unserem Frauentag?"
„Natürlich nicht." Es gelang Volker zu antworten, ohne hörbar mit den Zähnen zu knirschen. Schön, sollten sie morgen ihren Spaß haben! Aber danach würde er Agnes ins Gewissen reden: Es war ihr gemeinsamer Urlaub. Und da ging es nicht an, dass eine Fremde ihnen etwas davon stahl. Der Tag morgen musste die absolute Ausnahme bleiben. Er lief davon und stürzte sich zur Abkühlung seines erhitzten Gemütes ins Wasser.
Der Wecker klingelte um acht Uhr. Agnes stand sofort auf, machte die Kleine frisch, zog sich anschließend an und fragte Volker, ob er noch mit zur Bushaltestelle käme.
„Natürlich", sagte er.
Dagmar wartete bereits und winkte ihnen schon von weiterm zu. „Blöde Kuh", knurrte Volker.
„Jetzt mach mal halblang, sie hat dir nichts getan." Agnes lief auf Dagmar zu, Vollker, mit Arianna auf dem Arm, folgte langsam.
„Mama!" An der Bushaltestellte streckte Arianna die Ärmchen aus, und Agnes nahm sie zärtlich an sich. „Mama macht nur einen Ausflug, Schatz. Ich bin heute Abend wieder da. Papa passt auf dich auf."
Der Bus bog in einiger Entfernung um die Ecke. Agnes wollte Arianna an Volker zurückgeben, aber diese sträubte sich. „Mama!Mama! Mama hierbleiben!" rief sie und stimmte ein lautes Geheul an, als Volker sie auf den Arm nehmen wollte.
„Mammaaaaaaaaa!" Sie zappelte wie verrückt, und auf einmal hatte Volker es gründlich satt. Er drückte Agnes Arianna wieder in den Arm. Sollte sie doch gefälligst da bleiben.
„Volker, was soll das? Ich wollte sie doch nicht mitnehmen."
„Ich weiß. Wie wäre es, wenn du einfach hierbleibst?", erwiderter Volker und mit einem Seitenbllick auf Dagmar fügte er hinzu: „Es ist ja unser Urlaub."
Der Bus hielt, und dann geschah etwas, womit Volker nicht gerechnet hatte: Dagmar stieg ein und Agnes folgte ihr, Arianna fest an sich gedrückt.
„Lass das Kind hier!", rief er ihr hinterher.
Agnes drehte sich um. „Hat doch keinen Zweck, sie will mit mir kommen. Ich hätte keine Minute Ruhe." Sie folgte Dagmar, die für beide bezahlt hatte, auf einen Platz in den hinteren Reihen.
„Aber dann bleib doch hier ... du hast gar nichts dabei ... keine Windeln..."
Sein Protest ging unter, als der Bus mit knatterndem Motor losfuhr. Wütend lief er ein paar Meter hinter ihm her und klopfte an die Fensterscheiben, was der Fahrer ungerührt zur Kenntnis nahm und weiterfuhr. Volker fluchte vor sich hin. Was hatte Agnes sich dabei gedacht, war sie verrückt geworden?

Den Rest des Tages verbrachte er mit Selbstvorwürfen. Er hätte mit in den Bus einsteigen sollen. Er hätte Agnes das Kind einfach wieder aus den Armen nehmen sollen. Er hätte Agnes verbieten sollen, mit dieser Ziege nach Torremolinos zu fahren. Er hätte drauf bestehen sollen, dass sie alle drei zusammenbleiben würden. Zwei Frauen mit einem kleinen Kind in einer fremden Stadt. Einer großen Touristenstadt. Wenn nun jemand Agnes das Kind einfach aus dem Arm reißen und entführen würde? Oder - er gestand sich ein, dass er diese Möglichkeit viel wahrscheinlicher fand - wenn Dagmar die Kleine entführen würde? Sie könnte sich überall durchschlagen, sprach fließend Spanisch ...es wäre ein leichtes für sie, in Andalusien unterzutauchen. So sehr, wie sie und ihr Mann sich ein Kind wünschten .... Was hatte man darüber nicht schon alles gehört. Er lief zum Strand und stieß dort auf Johannes. Auf seine freundliche Begrüßung ging Volker nicht ein. „Weißt du, dass die beiden mit meiner Tochter abgehauen sind?" fragte er stattdessen barsch.
„Wie - nein, weiß ich nicht, woher? Wieso abgehauen?"
Er ließ sich neben Johannes in den Sand sinken. „Sie waren doch heute verabredet ...", begann er.
„Ja, ich weiß." Johannes sah ihn fragend an.
„Die Kleine hat an der Bushaltestelle geplärrt, dass die Mama hierbleiben sollte. Und dann hat Agnes sie einfach mitgenommen. Dabei hat sie nichts dabei, keine Windeln, kein Fläschschen mit Tee oder sowas ..."
„Na gut, aber das ist doch kein Drama. Sie werden nur eher zurückkommen als geplant."
„Meinst du?", fragte Volker zweifelnd.
„Ja - mach dir keine Sorgen. Die Kleine ist doch bei ihrer Mama." Johannes klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern. „Eigentlich sagt man das ja nur Frauen nach, aber ich glaube, du bist eine richtige Glucke. Ist doch gar nix passiert ... wirst sehen, in spätestens ein paar Stunden tauchen alle drei hier wohlbehalten auf."
„Dein Wort in Gottes Ohr." Die beruhigenden Worte taten gut. War seine Reaktion nicht übertrieben? Agnes würde schon auf Arianna aufpassen. Volker streckte sich neben Johannes im Sand aus. „Ich werde hier warten und jede Stunde an die Bushaltestelle nachschauen gehen."
„Eine gute Idee", stimmte Johannes zu.

Um halb neun abends stand Volker zum dritten Mal an der Bushaltestelle. Seine Angespanntheit war echter Sorge gewichen; er konnte sich nicht vorstellen, dass Agnes nicht längst hätte zurück sein wollen, wenn sie die Kleine bei sich hatte. Johannes hatte ihn begleitet. „Die werden schon kommen", meinte er beruhigend.
Was hast du denn zu verlieren, dachte Volker. Eine geschwätzige Frau, sonst nichts. Und ich, und ich? Ich verliere mein Leben, wenn sie nicht auftauchen ... Bitte Agnes, komm zurück ... Ich liebe dich ... genau so sehr wie unser Kind.
Wieder bog ein Bus um die Ecke. Die Tür öffnete sich, und er spuckte drei alte Damen, einen alten Herrn, ein junges Ehepaar mit Kinderwagen - und Dagmar mit Arianna auf dem Arm aus. Volker riß ihr das Kind aus den Händen. „Gottseidank, ich habe mir solche Sorgen gemacht!" Er drückte Arianna an sich.
„Volker ....", erst beim belegten Klang von Dagmars Stimme wurde ihm klar, dass etwas nicht stimmte - „Agnes ist verschwunden. Ich weiß nicht, wie das paasiert ist ..." Dagmar brach in Tränen aus.
„Was heißt das?" Johannes' Stimme klang ungewöhnlich scharf.
„Wir waren in Torremolinos. Haben uns die Stadt angesehen und waren im Restaurant." Dagmar hob mit einer hilflosen Gebärde die Schultern. „Und auf einmal meinte Agnes, dass sie nach Malaga wollte. Ich sagte wie, das wird doch zu spät. Sie sagte, nein, da wollte sie unbedingt hin. Sie müsse vorher noch kurz auf die Toilette. Sie gab mir Geld und sagte, ich solle das Essen bezahlen und fragte, ob ich solange auf die Kleine aufpassen könnte. Klar, sagte ich. Aber sie kam nicht wieder. Nach einer halben Stunde ging ich nachsehen. Sie war nicht da." Dagmar schaute Volker in die Augen. „Es tut mir so leid, Volker. Ich habe noch stundenlang nach ihr gesucht. Ich wollte sogar nach Malaga fahren. Dann gab ich es auf. Ich dachte, ich müsse ja die Kleine erstmal zu dir bringen. ..." Sie wurde von Schluchzen geschüttelt.
„Jetzt beruhige dich mal", sagte Johannes. „Du kannst doch nichts dafür. Agnes ist erwachsen. Vielleicht hat sie den falschen Ausgang von der Toilette aus im Restaurant genommen, ist auf der Straße gelandet und hat sich verlaufen. Wirst sehen, sie taucht schon wieder auf."
Volker hatte wie erstarrt zugehört. Wo war Agnes?

Agnes tauchte nicht auf. Nicht an diesem Tag, nicht am nächsten und auch nicht am übermächsten. Volker ging zur Polizei und gab mit Dagmars Hilfe eine Vermisstenanzeige auf. Wie gut, dass sie fließend Spanisch sprach!
Dagmar und Johannes reisten in der nächsten Woche ab. Dagmar gab ihm „für alle Fälle" ihre Telefonnummer. „Falls du Hilfe brauchst." Volker steckte sie kommentarlos ein.
Er verlängerte seinen Aufenthalt um zwei Wochen, in der Hoffnung, dass Agnes auftauchen würde. Vielleicht war alles nur eine blöde spontane Idee gewesen, die sie inzwischen bereute. Er würde ihr alles vergeben und alles vergessen. Wenn sie nur wieder da wäre!
Agnes blieb verschwunden.

August 2000
„Ja, Liebling. Dann bis später."
Volker legte auf und besah sich sein Handy. Wären diese Dinger nur früher erfunden worden... Vielleicht hätte er Agnes am Tag ihres Verschwindens noch erreicht.
Er lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück. Sein Blick fiel auf das gerahmte Foto von Ariannas Einschulung im letzten Monat. Stolz hielt sie ihre Schultüte in den Händen. Hinter ihr stand Dagmar und lächelte verschmitzt.
1998 hatte er Agnes für tot erklären lassen. Wegen Formalitäten mit den spanischen Behörden wandte er sich damals an Dagmar. Sie hatte sich prompt um alles gekümmert. So erfuhr Volker auch, dass Johannes vor einem Jahr an einer rätselhaften Erkrankung verstorben war.
„Das tut mir sehr leid." Außer dieser Floskel fiel ihm nichts ein.
Dagmar schien es nicht leid zu tun. Sie flirtete auf Teufel komm raus mit ihm, und ehe er sich versah, landete er mit ihr im Bett, ein paar Monate später in einer gemeinsamen Wohnung und schließlich vor dem Standesamt. Gestern hatte Dagmar den Vorschlag gemacht, Arianna zu adoptieren.
Nun, warum auch nicht.
Volker schlug seine Buchhaltung auf und begann zu arbeiten.

Geändert von DieSilbermöwe (31.05.2021 um 22:31 Uhr)
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Alt 01.06.2021, 07:04   #2
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Hm ... ein bisschen viel Beschreibung, was man durch Handlung hätte herausarbeiten können. Von Thrill ist nicht viel vorhanden, die Story driftet stattdessen ins Mystische ab. Der Leser kann sich selbst zusammenreimen, was passiert sein könnte und weshalb Volkers Haltung zu Dagmar eine derartige Kehrtwendung macht, dass er sie so sogar heiratet. Heftiger Flirt und sexuelles Abreagieren in einer psychisch belastenden Situation ist dafür ein bisserl wenig, wenn man Volkers vorherige, kompromisslose Abneigung gegen Dagmar auf die Waagschale legt. Heiratet ein Mann, der für ein Kind alleinerziehend verantwortlich ist, eine Frau ohne Muttererfahrung, ohne sie näher zu prüfen? Genügt dazu wirklich nur eine Bettgeschichte?

Das abrupte, rätselhaftge Ende der Geschichte ist möglicherweise beabsichtigt, aber sicher bin ich mir nicht. Vielleicht ist ihr auch nur die Luft augegangen.

Sollte Dagmar ein skrupelloser Charakter sein, in dem Volker Begehren ausgelöst und ein Motiv zu perfiden Taten ausgelöst hat, wäre es interessant, die Story aus ihrer Sicht zu erzählen. Man könnte aus ihr eine gute Schauspielerin und Psychologin machen, die Volker mehr und mehr einwickelt. Und was wäre, wenn er eines Tages merkte, dass er zu ihrem Spielball geworden ist? Welche Konsequenzen hätte das für alle Beteiligten?

(Ich beziehe mich auf die erste, noch nicht abgeänderte Fassung.)
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Alt 01.06.2021, 12:28   #3
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Hallo Ilka,

danke für dein Interesse.

Die Luft ausgegangen ist der Geschichte nicht, ich hatte mir den Schluss vorher überlegt.

Zitat:
. die Story driftet stattdessen ins Mystische ab.
Stimmt, das war beabsichtigt. Ich wollte den harmlosen Titel aber nicht ohne einen kleinen Hinweis stehenlassen. Dann eben mystischer Thriller

Zitat:
.Heiratet ein Mann, der für ein Kind alleinerziehend verantwortlich ist, eine Frau ohne Muttererfahrung, ohne sie näher zu prüfen? Genügt dazu wirklich nur eine Bettgeschichte?
Also vorstellen kann ich mir das schon. Wenn man sich Hals über Kopf verliebt, dann wirft man alle Bedenken über Bord. Und es sind schon viele zusammen gekommen, die sich beim Kennenlernen nicht ausstehen konnten.

Ich habe hier mal ein bisschen herum experimentiert. Ich wollte mehr plotgebunden schreiben, nicht so sehr auf Charakterzeichnung eingehen. Es sollte eine sommerliche Unterhaltungsgeschichte mit Gruseleffekt werden.

LG DieSilbermöwe
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