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Alt 06.06.2021, 03:13   #1
männlich Ex-Ralfchen
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Standard Atmen

Atmen

Ihr fetter Arsch hüpft auf und ab. Kein Wunder, die Musik ist taktlos. Eine von diesen verführungslosen Gustav-Mahler-Schindereien. Das retuschierende Rot der Abendsonne verpasst ihr vorübergehend einen gesunden Teint. Sie schaut ihn mit einem eher unordentlichen Blick an, der nach Ordnung ruft. Die kann sie haben, denkt er - erleuchtet.


Während ihre Blicke an ihm haften. wie Fliegen im Honig, stellte er sich die Frage ob sie vielleicht ein Biene ist. Der Mahler hat endlich aufgehört zu mahlen und ihre Zellulite kommt zur Ruhe.

Verstohlen holt er seine Blutdruckmanschette aus der ausgebeulten Jackentasche. Sie hat das Brummen offensichtlich gehört und bewegt sich schwerfällig, aber nicht unlangsam in seine Richtung. Aha: 170 zu 100 und 120 Puls. Schnell greift er nach seinem Fieberthermometer. Nur: Sie ist schneller. Hastig langt sie in ihre Handtasche. Jetzt ist keine Zeit mehr für Temperaturmessungen, die Alte meinte es ernst. Das Wort „Hilfe“ kommt nur stöhnend aus seinen abgespannten Stimmbändern. Die Serviererin kichert hysterisch. Ihm war zum Heulen.

Die schwarze Mündung stiert ihn zitternd an. Im nächsten Moment blendete ihn ein gewaltiges Mündungsfeuer. Es ist eine X21R LedLenser, die ihm mit 1600 Lumens via die vergewaltigte retina sogar die Frontloben ausleucht.

„Rede mit mir Viktor.“

„Vik..Viktor? Ich heiße Sam.“

„Ok, süsser Knabe. Soll ich handeln?


Seine Gedanken rasen etwas langsamer als das Licht der LedLenser. Wie reagiere ich hier am erfolgreichsten, ist sein erster kühner Gedanke. Sein Atmen wird mühsamer und er halluzinierte sehnsüchtig nach einer Lungenmaschine. Scheiße, panikiert er, wo hab ich nur den verdammten Inhalator?

Wie schön wäre jetzt ein flottes auf und davon. Nur: er bleibt wie durch 2 Komponenten geklebt, starr auf dem billigen Plastikhocker. Aber: Die Fettärschige hat sich unvermittelt von ihm abgewandt und ist aus der Cafeteria abgetanzt. Anscheinend hat sie ihn mit Viktor verwechselt. Aber wer war Viktor? Seine Pupillen sind wieder in Normalgröße und die Scheme der Serviererin hat sich vor ihm aufgepflanzt.

„Ich krieg noch nen Zehner vom letzten Mal, du Wichser!“

Er zupft einen Zwanziger aus der Börse und hastete aus dem Kaff. Die Fettmieze steht einen Block weiter und spielt Leuchtturm. Sie dreht den Kopf und bewegt sich ihm mit einigen Schritten entgegen.

„Ich hab dich vorher nicht erkannt Sam. Ich glaube du passt besser zu mir als Viktor.“

Nach diesen Worten dreht sie sich um und richtet die LedLenser auf eines der entgegenkommenden Autos. Der geblendete Fahrer verreisst das Fahrzeug und rast in eine fröhliche Menge von Abendessern im gegenüberliegenden Straßen-Restaurant.

Er starrt sie entsetzt an.

„Komm Sam, lass uns ein paar schöne Augenblicke genießen.“

Sie zieht ihn am Arm. Von der gegenüberliegenden Straßenseite hört man Schmerzensschreie und das Wimmern der Verletzten.

„Komm, ich kenn da nen netten Teich mit einem Froschkönig. Nicht weit von hier, hm?“

„Hey, ich weiß ja nicht mal deinen Namen.“

„Meier, aber nenn mich einfach Delila.“

Dachte ich mir fast, denkt er.

Sie hat hastig die Führung übernommen und schleppt ihn durch ein Labyrinth von Nebengassen. Mensch, sinniert er, ich kenn nicht mal die Stadt in der ich seit zwanzig Jahren lebe.

Der Park ist spärlich von zwei Laternen beleucht, deren Funzelage den Teich wie Olivenöl spiegeln läßt. Aus der Ferne dringen die hysterischen Geräusche der Sirenen der Ambulanz- und Polizeifahrzeuge.

„Möchtest du jezz n‘ paar schöne Augenblicke, oder nich?“

Flüstert Meier und sieht ihn wieder mit diesem unordentlichen Blick an.

„Aber nur wenn wir sie uns teilen.“

„Klar doch Sam, ich nehm dreißig Prozent.“

„70pro klingt gut.“

„Komm, ich mach dich munter.“

Sie krallte ihre Hand zwischen seine Beine.

„Mann, Mensch, was issn‘ das?“

Sie weicht erschrocken zurück.

„Siss‘ mein Penismaster.“

„Dein was?“

„Penismaster, weil er zu klein iss und ich auch zu schnell spritze.“

„Sag willst du mich verarschen?“

Dabei umfasst sie seinen Hals mit ihrer linken Hand. Sie ist ganz nahe an ihn herangerückt und nimmt ihn mit zugekniffenen Augen ins Visier. Das Mondlicht wirft einen bleichen Schimmer auf ihr aufgedunsenes Gesicht.
Mensch, die Alte macht mich, funkt es durch seinen Neokortex. Ich bin aber noch nicht bereit jammert er lautlos in sich hinein.

„Darf ich mal schnell meinen Blutdruck messen?“

Erst jetzt bemerkt er ihren unangenehmen Mundgeruch.

„Willsu nen Bazooka? Mein Hamster liebt den.“

„Atme mal tief durch du Wichser. Ich scheiß auf deinen Kaugummi. Hab morgen nen Mundhygiene-Termin.“

Ihm ist zum Schreien zumute. Vom Weiher hört man das Quaken eines Frosches.

„Iss das der König?“

„Dein Witzeln wird dir noch vergehen.“

Sie hat ihre Handtasche fallen gelassen und ihm flugs den Hosenzipper geöffnet. Mit einem Ruck reisst sie ihm den Penismaster vom Schwanz.

„Was hammwa denn da?“

Sie hält den Penismaster, aus dem Sams bluttropfender Schwanz baumelte, in Augenhöhe. Sam ist ins Schmerztrauma geglitten und fühlt sich angenehm. Wer braucht nen Schwanz denkt er und grinst breit aus sich heraus.

„Du findest das lustig, hey?“

Im nächsten Moment blitz etwas in ihrer fetten Rechten. Als Sammler erkennt Sam die Klinge des Para66. Wie sich die wohl anfühlt?

Sie steht wieder ganz nahe beim ihm. Er zählt mit, acht Stiche:
Rechte Herzkammer, Arterienkonus, Aortenbogen, linkes Herzohr, Herzkranzfurche, linke Schlüsselbeinarterie, Lungenstamm, Lungenvenen. Die Mieze ist präzise.

Die Zeit ist stehengeblieben. Sie läßt das Para fallen und umarmt ihn. Der Frosch quakte einen Refrain zu den Sirenen aus der Ferne. Der Himmel ist voller Sterne und er denkt an die Andromeda. Der Gedanke ist leise und es kommt ihm vor, als würden seine folgenden inhaltslosen Gedanken aus weiter Ferne heranlassen. Von dort woher die Sirenen weinen.

Sie hat sich neben ihn ins verdorrte Gras gelegt. Die Sterne sind nach und nach verschwunden und ihr übler Atem ist dem Duft des Vergehens gewichen.

„Wenn ich gewusst hätte, wie schön sterben ist, wäre ich nicht so oft an dir vorüber gegangen.“

Flüstert er.
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