Ein polnisches Mädchen irrt herum

[Tegro]

Ich bin Halina und ich beiße, wenn ich es muss oder will.
Halina haben mich meine Eltern genannt, weil sie lustig waren. Jetzt nennen sie mich gar nichts mehr, weil sie tot sind. Ich hab sie aber nicht gebissen, es war ein stumpfer Unfall.
Weil irgendwelche Männer vom Amt meinten, ich käme nicht alleine klar, kam ich dann zu meiner Tante.
Dort gefiel es mir gar nicht. Ständig versuchte sie mich in hässliche Kleider zu stecken, damit ich mädchenhafter aussehe.
Vor drei Tagen bin ich dann losgegangen. Ich wollte irgendwie alleine sein. Und weg sein.

Als ich losging, hatte die Sonne geschienen, kalt war es aber trotzdem noch. Ich hatte eine Taschenlampe, einen kleinen Schlafsack, Trockenfleisch und eine Schere dabei. Bis auf den Schlafsack hat alles in meine Hosentaschen gepasst.

Und jetzt bin ich hier an diesem Güterbahnhof. Die Sonne scheint nicht mehr und neben dem Schlafsack, dem Fleisch und der Taschenlampe habe ich auch einen Zahn an so einen Skurwiel im Zug verloren. Ich hab meinen Kopf zu schnell bewegt, aber das Arschloch ist geflüchtet. Er war wohl etwa 17 oder 18 aber sehr schmächtig. Und das Weichei wollte wohl kein Mädchen schlagen. So zimperlich war ich nie.
Aber ich hätte eher die Schere benutzen sollen, weil der Zahn dann doch ziemlich weh tat und ein paar Stunden später herausfiel. Ich hatte ja sowieso nichts zu essen, also war das egal.

Ich sitze hier auf dem Bahnsteig, weil ich mit dem nächsten Zug fahren will. Mittlerweile kenn ich die Richtung. Danzig.
Mein Vater erzählte einmal von einer Statue dort. Es ist eine Hand, die einen Fisch hält. Und als er das erzählte, lachte er laut. Er hörte gar nicht wieder auf. Auf seinem linken Unterarm war sogar ein Tattoo mit diesem Motiv. Und auch wenn immer er seinen bemalten Unterarm betrachtete, fing er an, laut zu lachen. Danzig also.

Das Lachen verhallt in meinem Kopf und ich öffne die Augen. Die Sonne blendet mich nicht. Dort auf den Schienen liegt ein Geldschein. Ich will ihn.