Was von der Liebe bleibt

[Ilka-Maria]

Eine neue Liebe ist wie ein neuer Teppich.

Ausgerollt bleibt er an seinen Enden störrisch, will sich nicht in ganzer Länge aufgeben. Es dauert Tage, bis er sich entspannt und mit dem Boden, den er bedeckt, anfreundet. Füße huschen nackt über ihn hinweg, denn ihn mit straßenbeschmutzten Schuhen zu betreten wäre ein Frevel. Nichts darf ihn beflecken, deshalb trägt man die Kaffeetasse und das Glas Rotwein um ihn herum. Jeder Fussel, jedes Körnchen, jedes Härchen wird mit spitzen Fingern von ihm gepickt. Sorgsam achtet man darauf, dass er sich nicht verschiebt, sondern parallel zum Mobiliar liegt, und dass seine Fransen wie gekämmt aussehen.

Schließlich hat man sich lange genug dafür gekrümmt, ihn sich leisten zu können. Diesen einen Teppich mit dem unverwechselbaren Muster, für den man gehofft hat, schnell genug sparen zu können, ehe ihn jemand anders nach Hause trägt.

Nun hat man ihn und ist ihm verpflichtet. Zunächst schmeckt die Pflicht noch süß. Doch allmählich wird, was ein Wunsch gewesen ist, zur Last. Irgendwann vergisst man, die Schuhe auszuziehen. Aus der randvollen Kaffeetasse schwappt die braune Brühe über. Man stolpert besoffen mit dem Glas in der Hand und vergießt den Rest Rotwein. Und eines Tages zieht man Bilanz.

"Wie alt bist du eigentlich? Zehn oder schon fünfzehn Jahre? Wenn ich dich genau ansehe, bist du viel älter. Die Flecke kriege ich nicht mehr aus dir raus, du scheinst dich regelrecht an ihnen festzukrallen. Und du stinkst!"

Zusammengerollt wiegt der Teppich erstaunlich viel schwerer als damals bei seinem Ausrollen. Mit seinem ganzen Gewicht landet er auf dem Sperrmüll neben einer Matratze. "Wurdest du auch einmal geliebt?", fragt sie ihn mit brüchiger Stimme. "Das ist lange her", antwortet er. "Bleiben wir beide jetzt zusammen?"

Hände reißen sie auseinander. "Davon ist nichts zu gebrauchen. Alles nur versifftes Zeug. Mach dich nicht dreckiger, als es sein muss." Ein Fußtritt lässt aus dem Teppich Staub hochfahren, letztes Zeugnis eines ehemals für sinnvoll gehaltenen Daseins. "Bist du noch da?", ruft ihm die Matratze zu. "Ja, alles gut. aber mir wird heiß."

[Eziotar]

Ein origineller Vergleich! Gerne gelesen.