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Alt 12.04.2012, 15:04   #1
männlich Ex-Luef
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Standard Wilde Wurzeln und gespaltene Gurkerl

Hallo liebe Leute,

hier eine kurze Geschichte die ich für eine Freundin geschrieben habe weil sie ihre Hausübung für die Pädag. Schule nicht machen wollte. Vorgabe waren 4 A4 Seiten, vorkommen sollen die Wörter Indianerhäuptling, Sonnenuntergang und Fächergurkerl. ...

Da ich nur knapp zwei Stunden Zeit hatte ist das Ende ein wenig hingepfeffert. Anachronismen möge mir man deshalb bitte auch verzeihen.



Wilde Wurzeln und gespaltene Gurkerl

Als der Wecker klingelte, öffnete Wolfgang erst die Augen, nachdem er ihn ausgeschalten hatte. Eine Bewegung, die er so oft ausgeführt hatte, dass er den Wecker im Schlaf ausstellen konnte, was er leider auch hin und wieder tat. ‚Ich oder mein anderes Ich.‘ dachte er. Er setzte sich langsam auf und seufzte, ein weiter Tag wie jeder andere. Er stand auf und ging lustlos zum Küchentisch, auf dem ein Trog voll Wasser stand, welches er in einen kleinen Bottich schüttete um seine Morgentoilette zu beginnen.

Er wusch sich gründlich das Gesicht sowie den Oberkörper und begann Tee aufzusetzen. Während er wartete bis das Wasser kochte, drehte er sich eine Zigarette mit lateinamerikanischem Tabak, den ihm ein Gast geschenkt hatte. Sein Name war Sigmund Freud oder so ähnlich, von Ihm hatte er auch die Idee mit dem anderen Ich, war schon ein seltsamer Kerl dieser Freud. Sein Neffe Edward Bernayse hatte ihm den Tabak aus den Staaten geschickt und als Zeichen seiner Anerkennung an Wolfgang weiter verschenkt. Wolfgang war Koch im „Schwarzen Kamel“ und Freud Stammkunde. Schmeckt ihm nirgendwo besser, meinte er. Als der Teekessel zu pfeifen begann, stand er hastig auf und goß den kräftigen Schwarztee aus Indien auf.

Während der Tee so vor sich hin zog, zog er sich an. Genauestens kontrollierte er vor dem Spiegel sein Erscheinungsbild. Jeder Knopf mußte sitzen, die Hose faltenfrei sein. Als er sein Werk im Spiegel betrachtete, seufzte er noch einmal, heute war der 15. November 1913, sein Geburtstag. Aber anstatt sich zu freuen, dachte er nur daran, dass es wohl noch ein paar mehr werden mußten, bevor er sich in den Ruhestand zurückziehen konnte. Er war durchaus zufrieden mit seinem Job, aber irgendetwas fehlte ihm oder vielleicht waren es auch einfach nur die Menschen in dieser Stadt. „Allesamt geldgierig und falsch“ dachte er sich. Eigentlich durfte er sich privilegiert nennen, er hatte die Anstellung nur bekommen, weil er fließend Englisch und Französisch sprach, was er seiner Mutter zu verdanken hatte. Jene hatte ihn zwar nicht mit Liebe oder Zuneigung, aber dafür mit Bildung überhäuft und so konnte er sich einen kleinen Vorteil verschaffen.

„Herrgott! Schon so spät!“, murmelte er in seinen gepflegten Oberlippenbart, von seinen Kollegen liebevoll „Rotzbesen“ genannt. Er nahm einen hastigen Schluck von seinem Tee und brach umgehend auf.

Er hatte zwar nicht weit zu gehen, da er sich aufgrund seiner Anstellung im besten und teuersten Kaffeehaus der Stadt ohne Probleme eine bescheidene Unterkunft in einer Seitengasse der Kärnterstraße leisten konnte, aber trotzdem schaffte er es immer wieder zu spät zu kommen.

Im Schwarzen Kamel angekommen, rannte ihm sein Chef Robert aufgeregt entgegen, als er ihn durch die Tür kommen sah. „Wolfer’l das glaubst nicht! Rat mal wer gestern Abend noch zu uns kam!“ „Hm kei…“, „Wurscht! Errätst sowieso nicht. Ein Abgesandter von seiner Majestät, dem Kaiser.“ Jetzt war Wolfgang wirklich verblüfft, das Etablissement genoss zwar einen guten Ruf in der Stadt, aber das hatte er nicht erwartet. „Ham‘ wir was angestellt oder wollte der Franzl mal was G’scheits zu essen haben?“ Seinem Chef viel fast die Kinnlade runter „PASS AUF WAS DU SAGST! Die Wände haben Ohren und außerdem überleg ich’s mir sonst vielleicht noch anders.“ Wolfgang stutzte: „Was überlegen Sie sich vielleicht noch anders?“ Robert nahm seinen Koch an der Schulter und führte ihn zum Stammtisch, wo er ihn sanft aber bestimmt in den Sessel drückte. „Also Wolfer’l… RITA! Zwei Stamperl vom 4ten! JETZT! … Also Wolfer’l, der feine Bückling kam gestern ins Hinterzimmer und brachte eine Anweisung des Kaisers mit sich. Stell dir vor, er, also der Kaiser, will, dass wir die Gäste bei einem internationalen Treffen in den Staaten bewirten! … Wir! Hah ist das nicht großartig? Dort werden viele hohe Tiere und lauter feine Herren aus aller Herrenländer sein und wir werden sie bewirten! Was für ein Aushängeschild für das Kaffeehaus!“ platzte es mit einer Mischung aus Stolz und an Panik grenzende Aufregung aus ihm heraus. Robert überlegte kurz und meinte leicht lakonisch: „Na das freut mich sehr für Sie Herr Chef, aber was hat das denn mit mir zu tun?“ „Na du wirst natürlich kochen oder denkst du vielleicht, dass ich fahren werde? Ich muß mich um das Lokal kümmern, deshalb wirst du fahren.“ Bevor Wolfgang antworten konnte, kam Rita und brachte den beiden zwei Stamperl vom 4ten, benannt nach dem K.u.K Panzerkreuzer Karl IV., da ein Glas ungefähr dieselbe Wirkung hatte wie eine volle Breitseite des Schlachtschiffes… früher oder später ging man unter (…den Tisch).

Wolfgang war dankbar für die Ablenkung, denn er wußte nicht, was er sagen sollte, er hatte keine Lust eine so große Reise anzutreten, aber er konnte seinem Arbeitgeber den Gefallen nicht Abschlagen, wenn er seine Arbeit behalten wollte. Nachdem er das Glas mit einem Schluck geleert hatte und sein Gesicht unwillkürlich eine Grimasse zog als wäre er ein sizilianischer Fischverkäufer, dem man erzählt hatte Zitronen wären wie Orangen nur süßer, revidierte er seinen Gedanken. ‚Nein, für ein Bier wäre ich dankbar gewesen!‘
Er seufzte innerlich und sprach „Nun gut Herr Woroszylo, ich möchte gerne tun, was sie von mir verlangen, wann soll denn dieses Treffen stattfinden?“ „Du wirst heute Abend noch aufbrechen, mit dem Zug nach Venezien und von dort aus mit einem großen Luxusschiff weiter in die neue Welt. Bezahlen tut der werte Herr Kaiser! Das ist doch was, oder?“ lachte Robert. Wolfgang schluckte, noch am selben Abend? Das war doch schon ein wenig fix, dachte er, doch bevor er seinen Einwand geistig formulieren konnte, fuhr sein Arbeitgeber fort: „Deshalb bekommst du heute Frei, pack deine Sachen, nimm sie mit und sei um kurz vor Vier wieder hier, dann werden wir den Rest besprechen.

Gesagt getan, als Robert das Kaffeehaus verließ, war ihm ob der Neuigkeiten fast ein wenig schwindelig. ‚Wieso ich?‘ fragte er sich selbst ohne wirklich eine Antwort zu erwarten ‚Wieso unbedingt die Staaten, warum um Himmelswillen ein Schiff! Was für eine Geburtstags-Überraschung!‘ dachte er sich und zog die Schultern ein um den äußerst herbstlichen Wind ein wenig abzuschwächen.
Er brauchte nicht lange um seine wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken und machte sich bereit sofort wieder zu gehen. Wozu sollte er auch bis Vier warten? Er ging los mit dem festen Vorsatz wenigstens noch ein paar heimische Weine zu kosten, bevor er ins Land der Wilden und Unsittlichen pilgern mußte, wenigstens eine schöne Erinnerung wollte er mitnehmen.
Der Wein floß und der Abend kam, schneller als es Wolfgang lieb war. Sein Chef und ehemaliger Lehrmeister gab ihm, neben ein paar Stammtischweisheiten und Hotelinformationen, noch eine Warnung mit auf dem Weg. Er solle die Monarchie und das Kaisertum, aber vor allem natürlich das Kaffeehaus, würdig vertreten und ihm keine Schande machen. Er stieg in die Kutsche, die schon vor dem Lokal wartete und machte sich auf den Weg.

Die Reise mit dem Zug war bedeutend schöner, als die Überseefahrt. Da Wolfgang schon bei schippernden Donaufahrten übel wurde, verbrachte er die meiste Zeit der Reise quer durch den Blauen Ozean damit über der Reling zu hängen und scheinbar interessierten Delphinen seinen kümmerlichen Mageninhalt zu präsentieren.
Als er nach, wie es im vorkam, Jahren wieder festes Land unter den Füssen hatte, war er so glücklich, dass ihm Tränen der Freude in die Augen schossen und er den staubigen Boden mehrmals stürmisch küßte. Einige der in der nähe stehenden Cowboys sahen ihn mit einer Mischung aus leichter Geringschätzung und diebischer Schadenfreude dabei zu, während manche der vorübergehenden Damen ihre Männer in die Seite kniffen und Sätze wie „Wann hast du mich denn das letzte mal so leidenschaftlich geküßt?“ von sich gaben.
Um seinen Weg zum Hotel oder in die richtige Stadt mußte er sich keine Sorgen machen, da bereits im Vorhinein vom kaiserlichen Hof alles arrangiert worden war und er nur mehr auf die Kutsche warten mußte, die ihn an sein Ziel bringen sollte. Da ihr Schiff ziemlich planmäßig eingelaufen war, mußte er nicht allzulange warten und schon 3 Stunden später stand er vor seinem Hotel in der Nähe Houstons in Texas.

War die Reise an sich schon eine beträchtliche Überraschung für ihn, so war das was ihn im Hotel erwartete noch unerwarteter. „BEI DEN WILDEN?!“ brach es aus ihm hervor, als seine Augen aus den Höhlen zu kullern drohten. „Es tut mir wirklich sehr leid, Sir. Aber es gab einen Fehler bei der Reservierung, wir haben einfach kein Zimmer mehr frei und allzu viele Hotels gibt es nicht in der Stadt. Sie können natürlich auch auf der Straße schlafen aber das rate ich ihnen nicht. Dies ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und das betrifft auch Subjekte wie Diebe oder Wegelagerer. Seien Sie jedoch unbesorgt, wir unterhalten einen guten Kontakt zu den Einheimischen und es wird ihnen sicher an nichts fehlen. “ „Sie.. Sie sind wohl… wie sagt man … ein bisserl „deppat“? Ich schlaf doch nicht bei den Wilden, wer weiß, was die mit mir anstellen? Wissen sie überhaupt in wessen Namen ich komme? Im Namen des Kaisers!“ plusterte er sich auf. „Ja Sir, ich weiß schon, dem Kaiser von Australien, nicht wahr“ gab sich der Hotelier wenig beeindruckt. „Wie gesagt, Sir, entweder sie verbringen die 2 Tage bei dem Stamm der Maronen oder sie schlafen auf den Strassen Houstons, ihre Entscheidung. Guten Tag!“ und damit ließ er Wolfgang stehen. Außer sich vor Zorn gab er schließlich nach und suchte nach einer Kutsche die ihn zu diesem Maroni Stamm bringen sollte.

Auf dem Weg aus der Stadt fiel ihm auf, wie sehr sich die Landschaft veränderte, sah Houston noch aus wie eine primitive europäische Kleinstadt mitten im Staub, so war die Landschaft außerhalb viel befremdlicher, rote Felsblöcke getürmt wie mißlungene Bauklötze, aber hoch wie der Stephansdom ragten hie und da aus dem kargen Boden und ab und zu sah er einen Zug in der Ferne vorbeischnellen. Es war schon knapp vor dem Dunkelwerden, als sie in die Nähe des Indianerdorfs kamen. Auf halbem Weg kam ihnen ein dreiköpfiger Reitertrupp entgegen. Auf den unbesattelten Pferden saßen Indianer. Von der Sonne gegerbte Haut und Gesichter wie aus dem roten Felsen gehauen, sahen ihn neugierig an. Der Mittlere von Ihnen gab ein Handzeichen zum Gruß und kam ohne umschweife zum Thema. „Du Diener von Häuptling über dem großen Wasser?“ fragten er ihn, während er mit dem nackten Finger auf ihn deutete. „Was? Welcher Häuptling?“ „Sir, wenn Sie mich fragen, meint er wohl ihren König, Sir.“ brachte der Kutscher hilfsbereit seinen Beitrag zu dem Gepräch ein. „KAISER!“ krächzte er, langsam wurde ihm alles zu viel, erst jetzt wurde ihm klar, dass er mitten im Nirgendwo völlig auf sich allein gestellt war und die feine Gesellschaft und das gediegene Dinner schienen in unüberwindbare Ferne gerückt zu sein. Niedergeschlagen bejahte er die Frage schließlich und sie wurden mit einem berittenen Begleitschutz in das Dorf gebracht.

Er war kaum abgestiegen, da kamen sofort zwei Frauen und nahmen sein Gepäck ohne sein Anschaffen oder gar seine Einwilligung an einen unbekannten Ort. „Wartet mal! Das gehört mir! Ihr könnt doch nicht...“ „Keine Sorgen, Squaws gut achtgeben auf Sachen. Du sofort Häuptling sprechen“, sagte der Anführer der Drei in gebrochenem Englisch, welcher, wie sich herausgestellt hatte, der jüngste Sohn des Stammesführers war und übersetzt wohl Zweiwassertanz hieß. Er wurde durch eine Reihe von Zelten geführt und befand sich in völliger Orientierungslosigkeit vor einem, im Vergleich zum Rest, riesigen Zelt wieder. Die Matte, die die Eintrittsöffnung verbarg. wurde auf die Seite geschlagen und Zweiwassertanz führte in herein. Das Innere des Zeltes war erstaunlich geräumig und schlicht, aber stilvoll, eingerichtet. In der Mitte vor einem kleinen Feuer saß der Häuptling. Unschwer zu erkennen an seinem Beachtlichen Federschmuck. Er machte eine Geste, die neben sich am Feuer zeigte, doch Wolfgang verstand nicht sofort und Zweiwassertanz nahm in wie ein kleines Kind an der Hand und setzte ihn hin. Danach verschwand er aus dem Tipi.

Der Häuptling sah ihn lange an, sagte jedoch kein Wort. Als Wolfgang schon dachte, er könnte sich überhaupt nicht artikulieren, begann der Häuptling mit tiefer Stimme in glasklarem Englisch zu sprechen: „Nun, wie heißt du und woher kommst du?“ Erstaunt stotterte er ein „Wolfgang… aus dem Österreich-Ungarischem Kaiserreich… Eure … Majestät?“ heraus. Unbeeindruckt quittierte er seine Antwort nur mit „Noch nie davon gehört. Hat dein Name eine Bedeutung?“ „Nun ja, wörtlich bedeutet es wohl ‚geht wie ein Wolf‘, aber eigentlich ist es nur ein Name“. Jeglicher Ärger war inzwischen verflogen und Wolfgang fühlte sich verunsichert, wie ein Kind, das vor dem Vater steht und nicht genau weiß, was es falsch gemacht hat. Der Häuptling stopfte sich in aller Ruhe eine Pfeife, entzündete den Tabak mit einem Holzspan und nahm einen genüßlichen Zug, bevor er weiter sprach „Ein guter Name, aber er paßt nicht zu dir, jemand der wie ein Wolf geht. wäre stolz auf seinen Namen. Abgesehen davon, dass dein Gang eher einem verängstigten Wiesel gleicht.“ Als Wolfgang ihn mit großen Augen ansah, begann der alte Mann zu lachen und reichte ihm die Pfeife weiter. Erst jetzt sah er, wie alt der Häuptling wirklich war, sein zerknittertes Gesicht wirkte fest und auch wenn die Sorgen vergangener Tage tiefe Furchen hinterlassen hatten, so bemerkte er doch, dass es das Gesicht eines Mannes war, der in seinem Leben viel gelacht hatte. Wolfgang entspannte sich und nahm einen Zug. Der Tabak war scharf und sehr stark, er prustete los und gab ohne Umschweife die Pfeife zurück. “Erzähle mir was über deine Heimat.“ Wolfgang überlegte kurz: „Da gibt es nicht so viel zu erzählen, die Menschen sind griesgrämig und launisch, die Berge schön aber weit weg von der Stadt, in der ich lebe. Naja, wenigstens das Essen ist gut.“ Der Häuptling nickte, wohl einem inneren Dialog folgend und sagte „Ja, du bist ein Koch nicht wahr?“ Wolfgang bejahte die Frage und sie sprachen noch eine Weile über die Heimat, das Essen und die Unterschiede der beiden Kulturen. Als die Pfeife nur noch schwach glühte, war Wolfgangs Nervosität vollkommen dahin und er war begeistert von den Eindrücken, die hier auf ihn zukamen und die Erfahrungen, die er noch machen würde. Als es schon spät wurde, rief der Häuptling nach seinem Sohn, der vor dem Eingang gewartet hatte und bat ihn seinen Gast zu seiner Lagerstätte zu begleiten, doch zuvor äußerte er noch eine Bitte: „Du bist zwar unser Gast und wirst auch wie ein solcher behandelt werden, aber wir würden uns trotzdem freuen, wenn du unserer Gastfreundschaft danken würdest, indem du für uns ein Gericht aus deiner Heimat kochst.“ Gerne wollte Wolfgang die Bitte des Stammesoberhauptes erfüllen und überlegte sich auf dem Weg zu seinem Nachtquartier, was er den am nächsten Morgen kochen sollte.

Am nächsten Morgen wachte er gerädert auf, er hatte zwar nur auf einer Strohmatte gelegen, aber der Grund für seine Müdigkeit war, dass er die ganze Nacht wach gelegen hatte um sich ein Gericht einfallen zu lassen, dass er hier würde zubereiten können. Schlußendlich blieb ihm nur ein Gulasch, denn Fleisch gab es hier sicherlich, Kartoffeln natürlich auch und Paprikapulver sowie andere Gewürze hatte er vorsichtshalber mitgenommen. Als er den Entschluß gefaßt hatte, machte er sich gleich auf die Suche nach Zweiwassertanz um ihn um die notwendigen Zutaten zu bitten. Als der Sohn des Häuptlings zurück kam, begann Wolfgang sogleich sein Werk. Er briet das Fleisch an mischte eine Brühe aus Paprikapulver, Pfeffer, Salz, Kümmel und Tomatenmark bei, bevor er noch gekochte Kartoffeln hineinschnitt.

Nachdem er fertig war, verfeinerte er jeden Teller noch mit ein paar lokalen Kräutern von denen er dachte, dass sie möglicherweise gut dazu paßten. Nur beim Häuptling machte er eine Ausnahme, er war von dem alten Mann so beeindruckt gewesen, dass er sich verpflichtet fühlte, die Portion des Oberhaupts hervorzuheben. Da fiel ihm ein, dass er noch ein Glas Essiggurken in seiner Reisetasche hatte. Er holte eine Hervor und betrachtete sie. Einfach drauf legen? In zwei Hälften schneiden? Das war alles nicht sehr besonders, dachte er sich. Als er sich nach einer Inspirationsquelle umsah, erschien ihm vor seinem geistigen Auge der pompöse Federschmuck des Häuptlings und da wußte er, was er tun würde. Er schnitt das Gürkchen fächerförmig auf und drapierte es in der Mitte des Tellers, darauf verteilte er dann noch vorsichtig geschlagenen Milchschaum um die Federn zu symbolisieren. Als er fertig war, grinste er, das war eine gute Idee, das mußte er sich merken.

Das Essen war ein voller Erfolg und die Bewohner des kleinen Dorfes freuten sich über die kulinarische Abwechslung. Besonders staunte der Häuptling über den süß-sauren Federschmuck auf seinem Teller. Nach dem Essen wurde noch ein großes Feuer entfacht und bis zum Abend fragten ihn vor allem die Kinder Löcher in den Bauch, gerne beantwortete er ihre Fragen und freute sich über das simple aber ehrliche Interesse and ihm und seiner Heimat. Er lernte sie durch die Augen der Anderen zu sehen und lernte sie wieder mehr schätzen. Als die Sonne begann vom Himmel zu sinken, kam der Kutscher auf ihn zu und teilte ihm mit, dass es Zeit zu gehen sei, wenn sie noch am selben Abend ankommen wollten.

Wolfgang bedankte und verabschiedete sich von allen. Als er schließlich in der Kutsche saß, mußte er lachen. Ein Fächergurkerl, wunderbar, das würde er in Wien einführen, es sollte ihn immer an das hier Erlebte erinnern.

Und das war die Geburtsstunde des Fächergurkerls. Wahre Geschichte.
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