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Alt 15.05.2006, 15:44   #1
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
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Standard Die Todesträume

Die Todesträume

Mia unterdrückte einen Schrei. Ihre Herz schlug dumpf und wild in ihrer Brust. Die Augen hatte sie weit aufgerissen und trotzdem sah sie noch immer das Bild vor ihren Augen. Dieser schreckliche Traum fing sie immer wieder ein, jede Nacht webte er sein finsteres Kleid um ihren Geist und jedes Mal fuhr sie mit Gewalt aus diesen Träumen auf.

Was sie in ihren Träumen sah, war immer dasselbe, es hatte verschiedene Gesichter, doch jede Nacht sah sie ihn, den Tod. Den Tod, wie er langsam durch das Gestrüpp des nahen Waldes kroch, wie er aus den Wolken auf sie nieder brauste oder wie er aus der Erde zu ihren Füßen Gestalt annahm. Wenn er wenigstens sie selber einfangen wollte, aber immer sah sie, wie er einen ihrer Freund oder Verwandten angriff. Jeden Morgen versuchte sie sich damit zu beruhigen, dass es nur ein Traum war, nichts weiter. Ein Traum, der aus ihrer Fantasie entsprang. Ein Albtraum, wie ihn kleine Kinder hatten, doch ihr Herz sagte etwas anderes. Es war mehr als nur ein Traum, es war eine Warnung. Mia schob die Wolldecke beiseite, ihr war unendlich warm. Wie jeden Morgen, wenn sie diesen Traum gehabt hatte, fühlte sie sich, als ob ihr gesamter Körper brennen würde.

Panische Schreie wurden laut, als Mia sich gerade von ihrem erneuten Traumangriff erholt hatte. Sie blieb mitten in der Bewegung stehen. Die Schreie drangen aus einem anderen Teil des Hauses, doch sie waren eindeutig die ihrer Eltern und auch die dunklere Stimme ihres Bruders war zu vernehmen. In Mias Augen spiegelten sich schreckliche Gedanken. Träumte sie etwa immer noch? Verbissen sammelte sie ihren Verstand und schlug sich mit der Hand auf ihren linken Arm. Es brannte höllisch, also träumte sie wirklich nicht.

Aus einem plötzlichen Reflex heraus löste sie sich aus ihrer Starre und öffnete die schwere Holztüre. Schon als sie in den Flur trat stieg ihr der bissige Geruch des Rauches in die Nase. Mia kam sich vor, als wäre sie in einem ihrer Träume, wenn ihr linker Arm nicht so brennen würde, würde sie wieder in ihr Bett schlüpfen um zu warten, dass der Traum enden würde. Erneute Schreie rissen sie aus ihren Gedanken. Sie rannte ohne nachzudenken den Schreien entgegen, dem Rauch entgegen. Die Dielen am Boden nahmen an Wärme zu, doch ihre ohnehin schon geschwitzten Füße bemerkten dies kaum noch. Tränen stießen ihr in die Augen, doch sie wischte sie schnell ab, damit sie ihr nicht die Sicht verschleierten, wie sie es so oft morgens getan hatten.

Die Schreie wurden lauter und Mias Schritte wurden schneller, ein unendlich erscheinender Kreislauf von pochenden Schritten und hilflosen Schreien. Am Ende des Flures sah Mia die schwere Eichentür. Qualm stieg unter dem Türschlitz hervor und Mia hörte erstickendes Husten dahinter. Ohne nachzudenken riss sie die schwere Tür auf und stürmte in den Wohnraum. Eine schreckliche Hintzewelle stieg ihr entgegen, doch sie hatte nur einen Wunsch, sie wollte nicht, dass ihre Träume in Erfüllung gingen. Das Feuer kam von einer dem Wald zugewandten Seite und Mia konnte schemenhaft die gebeugten Rücken ihrer Familie erkennen. Sie hielt sich einen Teil ihres Nachtgewandes vor die Nase und rannte los. Ihre Füße brannten fast, als sie so schutzlos über den heißen Betonboden liefen. Sie krallte sich an ihren Bruder und schleifte ihn mit sich. Ihr Vater tat es ihr gleich und half ihrer Mutter. Mia konnte erkennen, wie schwer die drei nur noch atmen konnten und spürte auch, wie ihre Kehle wie Feuer brannte. Nur noch wenige Meter bis zur Tür.
Mia begann zu rennen und drängte ihre Angehörigen, mit zu kommen. Hustend und mit verbrannten Füßen erreichte sie die schwere Tür. Das Feuer hatte sich schon weiter hinter ihnen her gefressen und würde auch bald die schweren Türbalken verspeisen, doch Mia schloss diese trotzdem mit letzter Kraft. Sie wäre am liebsten erschöpft zu Boden gesunken, doch sie wusste, dass sie hier wegmussten. Ihre Träume hatten ihr gezeigt, wo der Tod hier überall hauste.

Ohne auf die leidenden, nach Atem ringenden Gesichter der anderen drei zu achten, zog sie sie weiter. Ohne Erklärung, aber mit immer schnellerem Drängen. Sie hatten gerade die dunkle Haustür erreicht, als Mia hörte, wie hinter ihnen die Tür unter dem Druck der Flammen zerbarst und von der Decke schwere Balken herunter rieselten. Ihre Eltern keuchten erschrocken, doch Mia hatte es gewusst, jede Nacht hatten sie diese Bilder verfolgt und sie wusste auch, wie sie es geschafft hatte zu fliehen. Doch nun würde sie entweder mit ihrer Familie fliehen oder gar nicht. Entschlossen entriegelte sie die eisenbeschlagene Tür und zog die kühle Morgenluft in ihre verrauchten Lungen ein.

Sie zerrte ihren Bruder immer noch mit sich, als die vier über die weiten Felder ihres Hofes rannten. „Nicht in den Wald.“, stieß Mia gepresst zwischen zwei Atemzügen hervor. Ihr Vater sah sie fragend an, war aber zu schwach, sich ihrem Befehl zu widersetzten und folgte ihr auf einen der nahen Hügel.

Mia rang nach Atem, als sie die kleine Anhebung erreicht hatten. Unter ihr erstreckte sich ihr großes Bauernhaus. Es stand lichterloh in Flammen. Voller Schreck sah Mia die Träume wieder, doch dann sah sie auch ihre Mutter, die gerade vor ihr zum Stehen kam. Sie hatten es geschafft. Der Traum hatte ihr geholfen. Kühle Abendluft beruhigte ihre fast berstenden Lungen und sie schloss erschöpft die tränenden Augen. Ihr Vater unterdrückte ein Husten, aber ansonsten schien ihrer Familie nichts zugestoßen zu sein.
Erleichterung machte sich in Mia breit. Es war schrecklich gewesen, wie in ihren Träumen, doch vielleicht war sie jedes Mal zu früh aufgewacht um das wunderbare Gefühl der Erleichterung und Liebe zu ihrer Familie zu spüren.



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