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Alt 07.01.2017, 17:59   #100
gummibaum
 
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Liebe DieSilbermöwe, lieber Curd und lieber AndereDimension,

ich freue mich sehr über eure Worte. Als ich vor Jahren bei poetry.de eintrat, wollte ich eigentlich Prosa schreiben. Aber das Forum reagierte mehr auf Gedichte, und so habe ich gereimt.

LG gummibaum
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Alt 09.01.2017, 13:24   #101
weiblich DieSilbermöwe
 
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Das klingt ja etwas undurchsichtig. Ich bin gespannt, ob sich Teresas beruflicher Lebenslauf noch herausfiltern lässt

Ohne Wäsche, das ist schon sehr unangenehm ...
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Alt 09.01.2017, 17:58   #102
gummibaum
 
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Liebe DieSilbermöwe,

ich habe mich entschlossen, meine letzten beiden Beiträge löschen zu lassen. Es geht also demnächst nach dem Wort „Anwalt“ hier weiter.

LG gummibaum
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Alt 09.01.2017, 18:15   #103
gummibaum
 
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Mehr als die Hälfte meines Urlaubs war vergangen, als wir Daniela verließen, um zu Teresas Haus in Hato Mayor del Rey, vier Stunden entfernt von Santiago, zu fahren. Als wir ankamen, war es schon dunkel.

Nicht weit vom Haus ließ Teresa das Mopedtaxi halten, dass uns die letzte Etappe durch Hato Mayor gefahren hatte. Ich wollte meinen Kindern von einem Internet-Shop aus Grüße senden. In diesem Shop, so hatte mir Teresa nach Deutschland geschrieben, säße sie neuerdings sehr oft, um sich informative Texte fürs Studium auszudrucken. Bücher seien zu teuer. Freitags und samstags wäre sie in Santo Domingo an der Uni del Caribe, und die übrigen Tage schriebe sie daheim an schriftlichen Hausarbeiten. Sie wolle Grundschullehrerin werden, das böte ihr eine Zukunft, anders als der letzte Aushilfsjob in Hausaufgaben-Betreuung, den sie bald wieder verloren hatte. Aber die Informationsbeschaffung im Shop sei umständlich; ob ich ihr nicht ein elektronisches Tablet mitbringen könnte. Ich hatte dazu geschwiegen und ihr keines mitgebracht, nicht nur, weil mein Geld knapp war, auch weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass jemand, der in seinen mails so viele Schreibfehler macht, studieren konnte.

Als wir auf Teresas Haus zugingen, ein etwa 50 Quadratmeter großes Bungalow an einer sauberen Vorortstraße, fielen mir die neuen Gitter vor den Fenstern auf. Weil ich ahnte, dass hier das meiste auf meiner finanziellen Hilfe beruhte, so fragte ich nach dem Grund. Es sei vor kurzem bei ihr eingebrochen worden. Ihr Fernseher und die Mikrowelle wären verschwunden. Daher die Gitter. Das sah ich ein. Ein neuer Fernseher war drinnen zu sehen. Ein größerer Herd ebenfalls. Alles andere, die Dusche, die Betten in den drei Schlafzimmerchen und die schwere Sitzgarnitur im Essraum kannte ich noch vom letzten Jahr. Wie schön sie wohnte im Vergleich zu ihrer Mutter und eigentlich auch besser als ich.

Ich ging davon aus, dass sie das Haus vor zwei Jahren möbliert gemietet hatte, aber nun sagte sie mir, es sei inzwischen fast bezahlt und in sieben Monaten gänzlich das ihre, bzw. auch meines, falls ich hier mit wohnen wollte. Von Miete habe sie auch Daniela gegenüber gesprochen, um ärmer zu wirken. Ihre Mutter habe nie Geld und hielte die Hand gern offen.

Teresas Pflegekind, Haslin, war zurzeit in der Nachbarschaft untergebracht. Das Zimmer der Siebenjährigen war nicht rosa, sondern, ihrem Wunsch entsprechend, blau gestrichen, und an den Wänden klebten Poster mit Kampfmaschinen. Aber vor ihrem Zimmer leuchtete ein großer Schneemann, den Teresa für sie aus unzähligen weißen Partybechern zusammengetackert hatte.

Nun legte mir Teresa ihre gehefteten Hausarbeiten auf den Tisch und zeigte mit dem Finger auf die Benotungen, die auf den Deckblättern standen: Mit 98%, 95%, und 92% alle im Einserbereich. Ich arbeite viel, sagte sie. Erstaunt blätterte in den 30-seitigen, handgeschriebenen Arbeiten. Es war wirlich Teresas Schrift, und ich suchte vergeblich nach den Rechtschreibfehlern.

Die erste Arbeit mit 98% war im Fach Biologie angefertigt. Genaue Zeichnungen der Verdauungs- und Exkretionssysteme, Pfeildiagramme mit Stoffwechselsequenzen, die ATP und NAD umsetzten, ließen mich schon entzückt sein. Nach Grundschule wirkte das allerdingsdings nicht. Die zweite Arbeit im Fach Geschichte befasste sich mit Europa. Die französische Revolution stand im Mittelpunkt. Ich sprang vom Sessel auf und küsste Teresa vor Begeisterung, und sie wollte wissen, ob ich schon mal in Paris war. Auch Italien interessiere sie sehr. Und über Deutschland im Zweiten Weltkrieg ginge ihre nächste Hausarbeit. Da könnte ich ihr doch helfen.

Ich fragte sie, warum sie eigentlich nach Deutschland wolle. Welchen Vorteil das brächte. 2012 war sie weniger als Daniela daran interessiert, dass dieses Projekt vorangetrieben wurde. Sie stutzte auf meine Frage: „Ventaja?“ (Vorteil), fragte sie. „No venteja, Archim! Quiero vivir contigo.“ (Nix Vortei! Ich möchte mit dir zusammenleben.)

Ich fragte nicht weiter. Vielleicht war Europa, waren die USA ihre letzte Jokerkarte gewesen, die sie eher lieblos auf den Spieltisch der Partnervermittlung warf, als die anderen Pläne gescheitert waren. Als sie fünfzehn war, starb ihre Pflegemutter. Als sie siebzehn war, kam es zur Trennung von ihrem Freund. Sie hatte zwei Kinder, aber nur den Schulabschluss. Als die Kinder etwas größer waren, wurde sie Camarera (Kellnerin), aber die Tourismusbranche brach ein, die großen Hotels standen leer und entließen ihr Personal.

Sie lebte bei Verwandten, genug davon gab es ja. Ihr Vater hatte drei Frauen, zehn Kinder, drei mit Daniela. Aber immer bei Verwandten unterkriechen und die Kinder weggeben zu müssen, um arbeiten zu können, war nicht die Erfüllung. Und mit der Treue dominikanischer Männer war es nicht weit her. Ihr Vater wohnte nicht bei Daniela und der Vater von Wanda und Weilin, Teresas Kindern, auch nicht bei ihr. Aber ihre Frauen schlugen diese Männer, wenn ihnen etwas nicht passte.

Diese Option, ins Ausland zu gehen, stabilere Lebensverhältnisse zu haben, blieb trotzdem zweite Wahl. Familie und Kultur zu verlassen, ist schwierig. Als ich Teresa das erste Mal besuchte, wusste sie nicht, wo Deutschland liegt, und es war fast egal. Ein Büchlein mit meinen Gedichten benutzte sie als Notizblock.

Aber nun waren die Kinder lange tot, und seit Jahren hatte immer einer geholfen, der weit weg lebte: Ein kleines Studium im Tourismusbereich und die Beerdigungen der Kinder bezahlt, ein klapppriges Häuschen in Nagua und nun dieses schönere in Hato Mayor auch schon fast, und das jetzige Studium wieder. Deutschland war näher gerückt, und mit Archim zu leben, hier oder dort, vielleicht auch ein Stück Heimat.

Als wir ins Bett gingen, hatte Teresa Kopfschmerzen. Sie klagte öfter darüber, seit einem Mopedsturz vor sieben Jahren. Eine wilde Liebelei würde es in der Nacht nicht geben.
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Alt 11.01.2017, 01:22   #104
gummibaum
 
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Als sie eingeschlafen war, betrachtete ich im Mondlicht ihr liebes Gesicht, und als sie leise zu schnarchen begann, störte es mich nicht. Es verbreitete einen gewissen Frieden.

Am nächsten Tag wollte Teresa mir den Ort ihrer Kindheit zeigen, und wir fuhren nach Samana, wo sie geboren und aufgewachsen war.

Hier hatte ihre Mutter, die eigentlich Lusiana de León heißt, nur immer Daniela genannt wird, sie 1986 zur Welt gebracht. Gleich danach musste die Wöchnerin nach Santiago ins Krankenhaus, wo ihr eine Niere entfernt wurde. Teresa blieb bei Marta, der Tante Danielas, und weil Daniela damals noch keinen Ausweis besaß, wurde aus Teresa keine „de León“. Man trug ihr den Nachnamen des Onkels, Ramirez Zapata, ein, da dieser in Samana schon amtlich erfasst war.

Das Guagua hielt vor einer Meeresbucht an. Der Ort Samana zog sich am Berg hinauf, und gewährte von dort aus Blicke auf das Meer, auf ein fernes Hotel und eine Fußgängerbrücke, die sich lang über die ganze Bucht spannte.

Ich stieg auf Steintreppen hinter Teresa her, blieb mehmals stehen und fotographierte. Dann wieder hielten wir uns an der Hand. Teresa zeigte mir ihre winzige Grundschule, „Colegio Margarita“, wo sie sieben Jahre lang hinging und die weiterführende Schule „Liceo José Gabriel“, die sie fünf Jahre besuchte, um dann mit 16 Jahren, das „cuarto de bachiller“, einen ersten Grad des Abiturs, zu erreichen. Einmal blieb sie an einem Haus stehen, einmal an einem Laden, um Bekannte zu begrüßen, die sie lange nicht gesehen hatten, und die sich freuten, dass sie endlich einmal wieder auftauchte. „Mi esposo“, stellte sie mich vor, und man musterte mich und freute sich offenbar für Teresa. „Es de Alemania“, fügte sie hinzu, und das schien die Freude zu verstärken.

Da wir unangemeldet am Haus des Onkels ankamen, war dieser gar nicht zu Hause. Die kleine, alte Frau, die uns öffnete und nach Martas Tod seine jetzige Lebensgefährtin war, sagte, er sei noch bis Morgen in Santo Domingo bei seiner Arbeit. Offenbar arbeitete der über Siebzigjährige noch in seinem Beruf als Bauinspektor, und er blieb wegen des weiten Weges immer ein paar Tage vor Ort. Die alte Dame kochte uns Kaffee, und Teresa erklärte ihr, dass wir bis morgen bei ihr bleiben würden, um den Onkel zu begrüßen. Danach bat sie mich um Geld und machte einige Einkäufe. Ich blieb derweil zwischen trocknenden Wäschestücken auf der Terrasse sitzen und schaute aufs Meer.

Am Abend gingen Teresa und ich in die Bucht hinunter. Im Yachthafen war eine Bühne aufgebaut und eine Band begann zu spielen. Wir flanierten ein bisschen am Kai, und ich stellte mir vor, wie Teresa hier als Dreizehnjährige den späteren Vater ihrer Kinder kennengelernt hatte, der damals schon über Dreißig war, aus Santiago kam und LKW fuhr. „Meine Mutter war streng“, sagte sie, und sie meinte natürlich Marta, die Tante ihrer Mutter. „Sie ließ mich abends nicht aus dem Haus, und als ich ihr eines Tages sagte, dass ich schwanger bin, hat sie mich verhauen. Aber schließlich hat sie es akzeptiert.“

Nun standen wir direkt an der Bühne und Teresa lachte mit alten Freundinnen, die die gerade getroffen hatte. Einer der Gitarristen wippte so schnell mit seiner Hüfte, als wäre er im Koitus kurz vor dem Höhepunkt, und Teresa kreischte begeistert an meiner Seite.
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Alt 11.01.2017, 17:50   #105
weiblich DieSilbermöwe
 
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Etwas finde ich seltsam bei einer Frau, die schwanger werden möchte: ihre Verweigerung und Ausreden: "wir dürfen Danielas Bett nicht beschmutzen", Kopfschmerzen. Lieber Geld für eine teure Insemination rauswerfen?

Auch das mit dem Studium und den Rechtschreibfehlern klingt nebulös.

Aber spannend. Du verstehst es, das Interesse des Lesers konstant zu halten.
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Alt 13.01.2017, 01:01   #106
gummibaum
 
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Danke, dass du noch immer dabei bist, liebe DieSilbermöwe.

LG gummibaum
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Alt 13.01.2017, 01:02   #107
gummibaum
 
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Plötzlich fragte sie mich, ob ihre weiße Hose hinten fleckig wäre. Sie hätte die Periode bekommen. Aber ich sah nichts. "No rojo“ (nicht rot), beruhigte ich sie. Wir gingen zum Haus des Onkels, wo sie sich eine Binde aus der Handtasche nahm. Offenbar waren diese Unregelmäßigkeiten häufiger, und nun war die Regel schon vor dem Eisprung wieder da. Ich war besorgt.

Gewiss lag hier der Grund, weshalb sie die künstliche Befruchtung brauchte. Doch bei so massiven Störungen schien mir der Erfolg der Behandlung inzwischen fraglich.

Am nächsten Tag kam der Onkel bis zum Nachmittag nicht. Wir konnten nicht länger warten und fuhren nach Hato Mayor zurück. Dort gingen wir früh zu Bett, denn morgen, an meinem Abreisetag, mussten wir um 8.00 Uhr in der Klinik in Santo Domingo sein, und das hieß, um 4.00 Uhr aufzustehen. Ab 2.00 Uhr schon konnte ich nicht mehr schlafen aus Angst, nicht rechtzeitig aufzuwachen. Mein Reisewecker war im Hotel, und Teresa besaß keinen Wecker.

Als uns das Guagua um 5.00 Uhr zusteigen ließ, war es längst überfüllt. „Todos estos van a las clinicas de Santo Domingo“ (Sie alle fahren zu den Kliniken in Santo Domingo), erklärte mir Teresa. Jeden frühen Morgen also war dieser Strom vom Patienten unterwegs, um die Labortermine in der Hauptstadt zu erreichen.

Wir waren eine halbe Stunde zu früh an der Klinik, die Türen noch geschlossen. Ein Lautsprecher schien hier vor dem Eingang zu tönen, doch dann sah ich, dass ein Prediger vor den Stühlen der wartenden Frauen agierte, seinen Zeigefinger energisch zum Himmel reckte, Bibelstellen zitierte und mit überschnappender Stimme und rollenden Augäpfeln Buße und Umkehr forderte.

Wir ließen uns entspannt auf der Gegenseite nieder, und sofort murrten die Zuhörerinnen, denn nun saßen wir im Rücken des heiligen Mannes, was offenbar als beleidigendes Desinteresse gedeutet wurde. Die aufgebrachte Gruppe beruhigte sich erst, als wir uns umsetzten, um den Prediger anzuschauen.

Punkt 8.00 Uhr öffnete die Klinik, der religiöse Rufer sammelte seine Stimme noch einmal zu einem wirkungsvollen moralischen Schlussakkord und räumte dann den Eingang.
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Alt 13.01.2017, 09:04   #108
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
Zitat von gummibaum Beitrag anzeigen
Danke, dass du noch immer dabei bist, liebe DieSilbermöwe.

LG gummibaum
Lieber gummibaum,

ich bin sicher, dass ich nicht die einzige bin Es lesen sicher viel mehr mit; kommentieren nur nicht unbedingt.
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Alt 14.01.2017, 11:24   #109
gummibaum
 
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Das ist natürlich möglich, liebe DieSilbermöwe. Vielen Dank und ein schönes Wochenende.

LG gummibaum
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Alt 14.01.2017, 11:32   #110
gummibaum
 
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Ich hatte 400 Euro in Pesos gewechselt, und Teresa nahm das Geld und legte es zusammen mit dem Auftragszettel der Doctora Pineta auf den Anmeldetresen. Während ich wartete, fielen mir etliche andere Männer auf, die wohl auch ihren Samen abliefern wollten.

Teresa brachte einen Plastikbecher mit und deutete auf die Treppe, die ein Stockwerk höher führte. „No paga esto tu seguro?“ (Zahlt das nicht deine Krankenkasse?), fragte sie. Ich hatte ihr erzählt, dass das Krankenhaus nach dem Unfall für mich bezahlt worden war.

Oben klopften wir bei „Laboratorio“, und als wir die Tür vorsichtig öffneten, saßen zwei auffallend hässliche, alte Laborantinnen am Tisch und arbeiteten stumm weiter. Eine dritte, jüngere Frau erschien und gab uns ein Zeichen, ihr in einen anderen Raum zu folgen. Sie nahm einen Latexhandschuh aus der Packung, zog ihn lang und knotete ihn mir um den Oberarm. Das gestaute Blut rann in die Spritze, und Teresa zwinkerte mir zu und machte ein Schlürfgeräusch, als käme schon der letzte Tropfen.

Nun zeigte man mir eine weitere Tür, die vom Treppenhaus abging, und Teresa gab mir den Becher. Ein schmaler, schäbiger Raum mit abgewetzter Plastikliege und Toilette lag dahinter, und ich zögerte, hineinzugehen. „No quieres acompañarme?“, (Möchtest du mich nicht begleiten?), fragte ich Teresa, doch sie sah mich verständnislos an. Dann machte sie eine kleine Bewegung auf mich zu und fragte: „Te sientes solo?“ (Du fühlst dich einsam?), doch ich verriegelte schon die Tür hinter mir, um ihr die Zumutung zu ersparen.

Ich schraubte den Deckel vom Becher, setzte mich auf den Toilettensitz und begann, gegen meinen Widerwillen anzukämpfen. Wieviel Männer hatten hier schon gesessen? Wie viele saßen hier heute noch? Der nächste wartete bestimmt schon vor der Tür und unterhielt sich mit Teresa. Durch das angekippte Fenster brauste der Verkehrslärm der Straße herauf, und unter mir knarrte rhythmisch der alte Sitz. Ich lehnte mich hilflos an die Wand und war entschlossen, es aufzugeben. Aber mit abwegigeren Phantasien kam dem Ziel endlich näher. Ich zielte in den Becher und sah zu, wie das in zwei Monaten Zusammengesparte reichlich, aber müde hineintropfte. Ich schraubte den Deckel darüber.

Erleichtert schloss ich die Tür auf und machte mir Luft: „Qué feo y antierótico!“ (Wie hässlich und unerotisch!). Teresa erwiderte nichts, nahm den Becher und strebte, ohne den Inhalt zu betrachten, mit ihm ins Labor.

Wir fuhren zum Hotel, um noch zu frühstücken. Ich wollte dabei ein bisschen entspannen. Aber das Frühstück war abgeräumt. Ich sagte Teresa, ich könnte die verbleibende Stunde auch ohne sie auf den Flughafentransfer warten, und so verabschiedeten wir uns dort, wo wir uns eine Wochen zuvor wiederbegegnet waren.

Ich bat sie, mir die Laborergebnisse mitzuteilen und versprach, ich käme in den Sommerferien wieder, da hätten wir länger Zeit für die Insemination. Ab übermorgen wäre ich wegen dem Arm in der Rehaklinik, und wir könnten telefonieren.

Sie erinnerte mich, ich solle auf der Botschaft fragen, ob wir nicht besser heirateten, damit sie ein Visum nach Deutschland bekäme. Ich fragte sie, was dann aus Haslyn würde, und sie sagte, die bliebe bei Daniela.

Nach letzten Küssen winkte ich vor dem Hotel, und Teresa drehte sich mehrmals nach mir um, ehe sie im Verkehr verschwand.

ENDE
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Alt 14.01.2017, 18:03   #111
weiblich DieSilbermöwe
 
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Schon ENDE, das ist schade ....

Ein sehr abruptes und irgendwie unbefriedigendes noch dazu ...

Mir schießt ein böser Spruch in den Kopf: 'Du hast deine Schuldigkeit getan, du kannst nun gehen .."

Nach allem, was der Protagonist auf sich genommen hat, verbringt Teresa noch nicht mal die letzte Stunde mit ihm. Sehr schade.

Geändert von DieSilbermöwe (14.01.2017 um 19:23 Uhr)
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Alt 14.01.2017, 20:50   #112
gummibaum
 
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Liebe Silbermöwe,

der Spruch ist naheliegend. Es gibt Fälle, in denen dominikanische Frauen nach der Eheschließung die Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland bekamen und ihn dann auch aussprachen.

LG gummibaum
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Alt 15.01.2017, 00:55   #113
männlich curd belesos
 
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Standard Ein sehr abruptes und irgendwie unbefriedigendes.......

.....und einem Koitus Interruptus sehr ähnliches Ende

Schade. Sehr schade (wie Silbermöwe bereits schrieb)

LG
CB
curd belesos ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2017, 12:06   #114
gummibaum
 
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Hallo Curd,

das ist schon fast eine Rüge für emotionale Stümperei, aber ich habe mich an die Fakten gehalten. Wenn sich irgendwann später noch neue Horizonte eröffnen, will ich die Enttäuschung gern ausbügeln.

Mit danke und sorry
LG gummibaum
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Alt 15.01.2017, 17:49   #115
männlich curd belesos
 
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Standard fast...

moin moin gummibaum,

nein, ich habe mich nur ob der abrupten Beendigung des Reiseberichtes erschrocken.

Aber das Leben ist eben für einige eine keine Wundertüte und für andere ein großes Füllhorn.

Doch wenn man glücklich ist, spielt die Größe für beide keine Rolle

Dir von Herzen einen lieben Gruß und gute Besserung - weiterhin.

Curd
curd belesos ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2017, 20:11   #116
gummibaum
 
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Danke, Curd.

Das sehe ich auch so. Die Wertung entscheidet über den Wert.

LG g
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