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Alt 07.01.2008, 22:24   #1
JimJoe
 
Dabei seit: 01/2008
Beiträge: 1

Standard Wolken und Flocken

Schreibe eigentlich nur Gedichte aber habe mich auchmal an die Prosa gewagt. Hatte eine schöne Idee um Weihnachten rum und schrieb sie dann nieder. Vielleicht gibt es ja jemanden etwas. Wäre doch schön. Bis dann.



WOLKEN UND FLOCKEN


Es war an einem Freitag im Winter als die Wolken hoch über der Erde aufbrachen und es zu schneien begann. Was sich lange angekündigt hatte geschah einfach und die dicken, schweren Wolken, welche soviel zu tragen hatten und bereits schwarz angelaufen waren unter ihrer Last, gaben einen erlösenden Seufzer von sich, der mit dem Wind in alle Himmelsrichtungen verbreitet wurde.


" Kenne ich Dich nicht woher? ", fragte eine Stimme.


" Ich denke ich kenne Dich auch. Aber ich weiss nicht woher. Entschuldige das. ", so sagte es eine andere Stimme.

" Auf jeden Fall geht es mir gut! ", summte die eine Wolke zur anderen.

" Ja, mir auch! ", entgegnete diese, " Aber ein wenig traurig bin ich ebenso. "

" Wirklich? Wieso denn? Freust Du Dich denn nicht, dass es Dir leichter wird? Trägst Du nicht lange schon zu viel und zu schwer? So wie ich? Schau nicht so trübe drein, Du bist doch keine Regenwolke! ", neckte die eine die andere.

" Ja, Du hast Recht, meine liebe Schwester. Aber ich habe mich so gewöhnt an das Tragen. Kannst Du das verstehen? Weisst Du noch als wir kleiner waren und leicht wie Vogelfedern? "

Die Wolke nickte und lächelte.

" Aber dann wurde ich schwerer und die Last größer, die ich zu halten hatte, die anwuchs und anwuchs. Was habe ich die zarten und eleganten Schäfchenwolken der warmen Sommertage beneidet, die so einfach und unbekümmert daher kamen."

" Ach, Unfug! ", schimpfte da eine dritte Wolke plötzlich von hinten. " Lasst mir doch die Schäfchenwolken aus dem Spiel! Von denen mag ich nichts mehr hören. Die haben doch keine Form und sehen alle gleich aus; wer ein Gesicht haben will, Schwestern, der sollte anwachsen und groß werden. Und das bedeutet viel tragen zu müssen, wisst ihr das denn nicht? Und jetzt macht mal Platz, Mädels, ich will in den Süden. Der kräftige Nordwind schiebt mich gerade so gut und kitzelt lieb. Aus der Bahn! "

" Du bist uns ja ganz schön dreist! ", donnerte die eine Wolke zurück und ein kleiner aber greller Blitz entfuhr ihr ungewollt und zog sich über den winterlichten Himmel. Aber der Nordwind hatte die freche Wolke schon lange ausser Hörweite gebracht, und sie drehte sich nicht mehr um.

" Ach, ärgere Dich nicht so! ", heiterte die eine die andere auf. " Merkst Du denn nicht, dass Dir leichter wird? "

Da schwieg die andere Wolke kurz, legte ihren Kopf schief und anschmiegsam, so, als würde sie es nachfühlen wollen, ob es ihr schon leichter wäre; als sei noch ein weiteres Gefühl in ihrem Herzen.

" Ja. Ich fühle es, mein Liebes. Leichter bin ich geworden und was ich als Last trug, tragen musste, dass schenke ich nun den Feldern, den Wäldern, den Bergen und den Städten in einer weissen Flockenpracht. Ich sehe es, wie meine Flocken tanzen und spielen, wie vergnügt sie sind und frei. Es freut mich so. So sehr. Aber nun, da ich nicht mehr tragen muss, was wird mir bleiben? Ich fühle mich ganz dünn und habe Angst vor dem, was kommen mag. "

Da lachte die andere Wolke und lächelte freundlich.

" Habe keine Angst. Zittere nicht. Fühlst Du denn noch immer nicht, dass wir wieder leicht wie Vogelfedern sind? Nichts in dieser Welt ist ohne Sinn oder Grund, und niemand soll für immer tragen. Sei also froh, dass Du wirst, was Du warst. Und werde es zusammen mit mir. "


In diesem Moment brachen die Strahlen der ewigen Sonne durch alles Grau und die beiden Wolken lächelten froh, umschlossen sich in Liebe und schauten nach unten zu ihren Flocken. Diese taten sie, bis ihnen alles leichter wurde, als Wind und Luft und Licht jemals an Schwere hätten.



Da tanzten die Flocken und waren frei. Und wieviele am Himmel flogen, dass konnte niemand zählen --- tausende in wilder Fahrt und Durcheinander. Der Wind blies dazwischen, fegte einige wieder empor, wirbelte andere nach unten.
Und es geschah von mal zu mal, dass sich zwei Flocken so nahe kamen, dass sie einander verbanden und zu einer Flocke wurden mit zwei Seelen.

" Ich habe Dich gefunden. ", meinte die eine Flocke zu der anderen herzlich.

" Ja. Durch allen Wirrwarr und Sturm. ", freute sich die andere Flocke. Da lächelten beide und liebten sich und ließen sich nicht mehr los.

" Wir schneien so schnell nach unten, auf die Erde. ", sagte die Flocke etwas traurig zu der anderen.

" Ich halte Dich. Habe keine Furcht. ", so sagte es die andere.



Am Samstag war die Welt mit Schnee bedeckt und ein makelloser Himmel ließ die Sonne strahlen, ließ Kinder Schneemänner rollen aus stolzen Flocken. Was die Wolken gaben als Geschenk, das lag in allen Strassen, Gassen und Höfen und auf allen Dächern, Wipfeln und Gärten. Doch gegen Mittag stieg die Sonne höher und wärmte die Flocken auf. Da rief die erste Flocke zu den anderen:

" Hilfe! Ich muss vergehen "

Und eine zweite fragte:

" Warum? Warum? "

Und eine dritte, vierte und tausendste stimmte mit ein.

Aber jene Flocken, die sich fanden, klagten nicht, sondern hielten einander fest. Solange, bis sie zu zwei glänzenden Tropfen wurden, ganz dicht beisammen.

Und als die Sonne noch weiter stieg, da wurden die großen Pfützen kleiner und kleiner bis sie verschwanden und Tropefen für Tropfen fort schwebte in den Himmel. Ein gutes Auge auf der Erde, hätte die beiden kleinen Wolken wohl ausgemacht, die sich langsam bildeten. Aber das Ohr wäre zu weit weg gewesen, um es zu hören, als die eine Wolke die andere fragte:


" Kenne ich Dich nicht woher? "
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