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Alt 02.09.2008, 19:48   #1
Kimura
 
Dabei seit: 09/2008
Beiträge: 8


Standard Schachmatt

Julia blickte gelangweilt aus dem Fenster.
Der Unterricht war mal wieder ätzend.
Frau Dux - Bergfeld , bei allen Schülern nur als “die Dux” bekannt, nervte einmal mehr mit englischer Grammatik und arroganten Allüren.
Plötzlich öffnete sich die Tür und ein schmächtiger, unscheinbarer Junge trat herein. Die Blicke aller richteten sich auf ihn.
Julia musterte ihn kurz. Er hieß Marc und war das Gespenst der Klasse.
Marc hatte keine Freunde, redete nie mit jemanden und wirkte stets schüchtern und zurückhaltend.
Er war einer dieser Gothic -Typen, die gerne völlig in schwarz rumlaufen.
Dafür war seine Haut umso heller, was durch das schulterlange, schwarze Haar noch betont wurde. Julia lächelte ihn gedankenversunken an.
Bei richtiger Aufmachung hätte er wahrscheinlich ganz niedlich ausgesehen. Er hatte keine schlechte Figur, ´ nen süßen Arsch und auch vom Gesicht her war er alles andere als unattraktiv. Mal abgesehen von seinen kajalstiftumrandeten Augen und den Piercings durch Augenbraue und Unterlippe. Er brauchte bloß mal ´ne richtige Typberatung.
Die Dux schüttelte verständnislos den Kopf. “Du bist schon wieder zu spät. Das dritte Mal bereits diese Woche. Diesmal zwei Stunden.”
Marc senkte seine Augen, trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.
Julia stutzte. Etwas an ihm war anders als sonst. Er wirkte angespannt und übernächtigt.
Die Dux trat auf ihn zu. “Welche Entschuldigung hast du heute? Komm schon, erzähl es uns. Deine Ausreden haben immer höchsten Unterhaltungswert.“
Vereinzelt kicherten ein paar Schüler.
Die Dux schüttelte den Kopf. “Deine Einstellung zum Unterricht ist wirklich katastrophal. Hast du diesmal wenigstens deine Hausaufgaben?”
Marc schluckte. Sein Kopf sank noch tiefer.
“Ach, konnte der Herr sich wieder nicht bequemen? Wie soll denn dein Zeugnis aussehen? Glaubst du mit den Noten bekommst du irgendeine Ausbildungsstelle? Meinst du, die warten heutzutage noch auf jemanden wie dich? Die Betriebe können sich Hunderte von Bewerbern aussuchen. Da haben Typen wie du gar keine Chance.”
“Das dürfen Sie nicht!” fuhr Julia hoch. “Sie haben kein Recht, ihn vor der Klasse so...”
Marc blickte überrascht auf.
“Habe ich dich um eine Stellungnahme gebeten?” fuhr sie das Mädchen an. “Setz dich wieder hin.“ Dann wandte sie sich erneut Marc zu, der sofort den Kopf wieder senkte.
“Ich habe mir das Recht verdient, so mit dir zu reden. Was hab ich mich um dich bemüht in den letzten Jahren. Versuchte dich zu fördern, weil ich an dich glaubte. Ich weiß, dass du nicht dumm bist. Hättest du dich nur etwas angestrengt...”
Sie klang wütend. “Aber wenn du gerne als 1 Euro-Kraft enden möchtest... Willst du das? Soll das deine Zukunft sein?”
Marc hob seinen Kopf. Er grinste.
Dann zog er blitzschnell etwas hinter seinem Rücken hervor.
BAAMMM! Er feuerte der Dux voll ins Gesicht.
Ihr Kopf zerplatzte wie eine überreife Melone. Gehirnmasse, Blut und Fleischfetzen spritzten bis auf die vorderen Schülerpulte. Ihr Körper fiel polternd zu Boden.
Einige Schüler schrieen entsetzt auf.
“RUHE!” schrie Marc und stieg über die Leiche der Dux hinweg, um die sich eine riesige Blutlache bildete.
Sofort verstummten alle, starrten ihn verängstigt an.
Der Junge genoss sichtlich die plötzliche Macht über seine Mitschüler.
Zufrieden grinsend setzte er sich auf den Stuhl am Lehrerpult.
Er legte seine Füße auf den Tisch, musterte die teils ängstlichen, teils erstarrten Gesichter seiner Schulkasse, eines nach dem anderen. Manch einer wirkte, als würde er fieberhaft überlegen, welchen Ausweg es aus dieser Situation gab.
Aber keiner wagte nur ein Wort zu sagen.
“Jetzt, da ich eure ungeteilte Aufmerksamkeit habe, möchte ich mich gerne vorstellen.
Mein Name ist Marc Andreas Richter. Ich bin fünfzehn und seit drei Jahren euer Mitschüler. Vielleicht erinnert ihr euch nicht. Ich bin der, den ihr immer ignoriert habt.“ Seine Stimme klang merkwürdig, gleichzeitig ganz ruhig und sehr wütend. Es war furchterregend. “Ich kam mir manchmal vor wie der Unsichtbare. Als Lästerthema war ich allerdings beliebt...” Er lächelte kalt.
“Doch von diesem Augenblick an, bin ich für euch Gott. Ab sofort liegt euer erbärmliches Leben allein in meiner Hand.”
Marc blickte sich freundlich lächelnd in der Klasse um. “Irgendwelche Fragen?”
Keiner rührte sich. Viele der Schüler wichen seinem suchenden Blick aus. Andere starrten auf ihr Pult oder weinten lautlos.
“Nicht so schüchtern. Ich will mich unterhalten, versteht ihr?”
Sein Lächeln verschwand. “Ich werde jetzt bis drei zählen. Wenn dann immer noch keiner das Maul aufmacht, gibt´ s die nächste Leiche!”
Einige Schüler begannen nervös auf ihren Stühlen hin und her zu rutschen.
“Eins...” Er hob die Waffe.
Ein Mädchen schrie hysterisch. Ein anderes ihr schnell den Mund zu, versuchte sie zu beruhigen.
“...zwei...” Die Waffe zielte in die Reihen der Schüler.
“...dre...”
“Damit kommst du nicht durch!” fasste sich ein zitternder, rothaariger Junge ein Herz. “Jemand wird den Schuss gehört haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Polizei eintrifft und Scharfschützen postiert. Du kommst hier niemals lebend raus. Außer vielleicht, du lässt uns alle gehen und gibst die Waffe ab.”
Marc grinste. “Ehrlich Mischa, von dir als Klassensprecher hätte ich schon eine überzeugendere Rede erwartet!” Er richtete den Revolver auf den Jungen. “Aber danke für deinen Beitrag. Und jetzt setz dich!”
Er blickte die Schüler vor sich ausdruckslos an. “Noch eine Wortmeldung? Nein? Gut, dann eben später. Aber ich werd drauf zurückkommen.”
In der hintersten Reihe übergab sich jemand.
Marc verzog die Mundwinkel. “Wisst ihr, was euer größtes Problem ist? Dass mir scheißegal ist, ob ich bei der Sache hier drauf geh oder nicht. Insofern beeindrucken mich Worte und Scharfschützen verdammt wenig. Aber um das ganze etwas interessanter zu machen, werden wir jetzt mal die Jalousien schließen. Wär doch lustig, wenn die Scharfschützen dadurch einen von euch erwischen, anstatt mich.”
Ein sportlich aussehender, muskulöser Schönling zeigte auf.
“Na, also. Ihr beginnt mit mir zu reden. Geht doch. ” Marc wirkte zufrieden. “Was möchtest du wissen?”
“Warum tust du das?” fragte der kräftige Junge. “Wir haben dir nichts getan!”
“Ist das so, Jörg?” Marcs Lächeln verschwand. “Tritt vor!”
“Was.. aber ich...”
Marc richtete den Lauf auf ihn.
Jörg schluckte, dann trat er näher.
“Bist du nicht das feige Arschloch, das mich mit seinen Kumpels nur so zum Spaß mal zusammengeschlagen und abgezockt hat? Und als hätte das noch nicht gereicht, hast du auf mich gepisst, als ich am Boden lag. Ihr hattet sehr viel Spaß damals. ”
Der Junge zitterte. “Aber, das ist doch schon zwei Jahre her. Wir hatten doch nur..
Es war doch nicht...”
Die Kugel durchschlug Jörgs linkes Auge und riss ihn herum, bevor er zu Boden stürzte.
“Entschuldigung angenommen”, lächelte Marc.
Mischa fuhr von seinem Stuhl hoch. Seine Lippen bewegten sich, als wolle er etwas sagen. Doch als Marc ihn anblickte, setzte er sich schnell wieder.
“War das eine Wortmeldung?”
Mischa erwiderte nichts. Bestürzung und hilflose Wut lag in seinen Augen.
“Bitte, deine Meinung ist mir wichtig.” Der Sarkasmus in Marcs Stimme war unüberhörbar.
Mischa schüttelte zögernd den Kopf.
“Sag es!” Marc klang drohend.
“Du kannst uns nicht alle erschießen!” rief der rothaarige Junge ihm entgegen. Seine Stimme krächzte vor Aufregung. “Soviel Kugeln hast du nicht in deiner Waffe!”
Marc nickte ruhig. “Richtig, Mischa. Aber schau mal, ich hab hier eine zweite Kanone. Voll geladen. Und falls alle Stricke reißen...” Er griff in die Innentasche seiner Jacke und rammte ein wuchtiges Überlebensmesser in das Lehrerpult. Das Messer blieb stecken, vibrierte ein wenig.
“Wenn wir uns alle gleichzeitig auf dich stürzen, könnten wir...”
“...mich überwältigen? Sicher. Aber ich würde vorher noch locker drei bis vier erledigen. Wer möchte gerne dazugehören? Finger hoch! Wer will als Held sterben?”
Keiner zeigte auf.
“Das wär dann wohl geklärt.”
Mischa presste die Lippen zusammen und setzte sich wieder. “Das war echt feige von dir.”
Marc lachte. “Du meinst ich soll mich schämen? Hm, vielleicht später, wenn ich nichts besseres zu tun hab.”
“Aber was hast du vor mit uns? Was bezweckst du mit dem Ganzen?” fragte Tatjana, ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen.
Marc lächelte und nahm die Füße vom Tisch. “Nur Geduld. Als erstes kommen bitte Sascha, Melanie, Thommi und Lucas zu mir. Ach ja - und Julia!“
Die genannten Jugendlichen erhoben sich zögernd und folgten ängstlich seiner Aufforderung.
“Ich möchte mich dankbar zeigen. In all den Jahren wart ihr die Einzigen, die sich mir gegenüber korrekt verhalten haben, mich sogar mal verteidigten. Schön, wir waren keine Freunde, aber ihr seid mir zumindest nicht blöd gekommen. Ihr dürft gehen.”
Auf den Gesichtern der angesprochenen Jugendlichen blitzte ein erlöstes Lächeln auf.
“Alle”, fügte er hinzu. “Bis auf Julia!” Julia erstarrte. “Aber wieso?”
“Keine Sorge, ich tu dir nichts. Aber noch brauche ich deine Hilfe.”
Nachdem die vier Freigelassenen den Klassenraum eiligst verlassen hatten, wandte sich Marc dem Rest der Klasse zu. “So, von jetzt haben wir etwa sieben bis zehn Minuten, bis Rektor Kleiss auftaucht. Und etwa eine halbe Stunde, bis die Polizei sich draußen versammelt. Vielleicht auch etwas länger, schließlich ist unsere örtliche Polizei kaum auf derartige Geiselnahmen vorbereitet. Sie werden also zur Verstärkung ein Sondereinsatzkommando aus Düsseldorf anfordern... Mit allem drum und dran haben wir vielleicht eine Dreiviertelstunde, bis alle Bullen in Position sind und Kontakt zu mir aufzunehmen. Bis dahin werden wir ein kleines Spiel spielen.
Ich werde jedem von euch eine sportliche Chance geben, sein Leben zu retten.
Alles, was ihr tun müsst, ist gegen mich im Blitzschach zu gewinnen.” Er griff in die Jackentasche und holte ein Minni-Schach und eine kleine Schachuhr hervor, baute beides vor sich auf dem Pult auf.
“Aber das ist unfair!” rief ein Junge aus der letzten Reihe. “Was ist mit denen, die kein Schach können?”
“Die haben ein Problem.” Er lachte. “Ich gebe mein Wort, dass ich jeden sofort gehen lasse, der gegen mich gewinnt. Ich schwöre es bei meinem heiligen Schwanz. Nun? Gibt es Freiwillige?”
“Was ist mit denen, die gegen dich verlieren?”
“Tja, also...” Er deutete mit dem Kopf auf die beiden Toten.
In der Klasse wurde es bedrückend still.
Julia schüttelte den Kopf. “Ich weiß es. Ich habe die Artikel gelesen. Du bist zweimaliger Europajugendmeister im Schach. Keiner von uns hätte eine Chance gegen dich. Du besiegst hier jeden locker in zehn Minuten.”
“Höchstens drei bis vier.“ Er grinste. “Sieh an. Du interessierst dich für mich?”
“So wie du für mich.” Sie lächelte anzüglich. “Ich mache dir ein anderes Angebot. Wenn du die anderen alle gehen lässt, darfst du mich vögeln. Hier und jetzt. Ich blas dir einen, du darfst mich rammeln - was immer du willst..”
“Das würdest du wirklich tun?”
“Wenn du die anderen gehen lässt.”
“Sehr subtil. Aber vielleicht bin ich ja schwul?”
“Dann biete ich mich an”, sprang ein schlaksiger Blondschopf namens Björn auf. “Ich würde dasselbe tun, wie sie.”
Marc verdrehte die Augen . Dann schoss er auf Björn. Traf ihn an der Schulter.
Björn schrie. Als der Schmerz ihn wie ein gewaltiger Stachel durchfuhr, zuckte sein Körper so sehr, dass er sich die Unterlippe durchbiss.
“Das war bloß ein Scherz, dämlicher Idiot!” schnauzte Marc ihn an. “Natürlich würde ich SIE vögeln!”
“Du hast auf ihn geschossen!” schrie Julia. “Ich dachte jeder von uns bekäm eine Chance.”
“Hat er immer noch. Oder sieht er etwa tot aus? Hab ihn schließlich nur angeschossen.“
“Du bist wahnsinnig!” keuchte Julia.
“Das sagt ein Mädchen, dass sich gerade noch zum Allgemeinwohl von mir vögeln lassen wollte.”
Er drehte sich zu Björn, der unaufhörlich vor Schmerzen schrie, und richtete den Lauf auf ihn. “Wenn du nicht sofort deine verdammte Fresse hältst, blas ich dir deinen Scheiß- Schädel weg! Klar?”
“Erlaub uns wenigstens, ihm die Schulter abzubinden!” trat Julia mit zitternder Stimme zwischen die beiden. und blickte Marc so fest sie konnte in die Augen.
Marc zögerte einen Moment, dann ließ er die Waffe sinken und nickte. “Tu, was du nicht lassen kannst. Aber das wird ihn nicht retten.”
“Was geht da drinnen vor?” ertönte die Stimme des Rektors durch die Klassenzimmertür. “Wir haben Schüsse gehört!”
“Kommen Sie rein und sehen Sie selbst nach!” rief Marc. “Aber nur Sie! Die Tür ist auf!”
“Aber bitte nicht feuern!”
Die Tür öffnete sich langsam.
Marc zielte in die Schülerschar.
Rektor Kleiss war allein. Der kleine, etwas dickliche Mann erfasste die Situation sofort. Er wurde fahl, als sein Blick auf die beiden blutüberströmten Leichen fiel.
“Großer, Gott!” Er spürte, wie sich sein Magen verkrampfte.
Ängstlich blickte Kleiss zu Marc, den er mit nervös flackerndem Blick musterte. “Darf ich näher treten?”
Marc nickte. “Aber schließen Sie zuerst die Türe hinter sich ab. Bitte.”
Der Rektor nickte und tat, was der bewaffnete Junge anordnete.
“Sehr gut. Und nun nehmen Sie bitte Platz. Willkommen zu unserer neuen Unterhaltungsshow “Spiel um dein Leben”.
“Darf ich bitte was sagen?” fragte der Rektor vorsichtig, nach einem kurzen Seitenblick auf Julia und Mischa, die gerade Björns heftig blutende Schulter mit einem Gürtel abbanden.
Marc lächelte. “Aber sicher. In diesem Land gibt es das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und ich würde Ihre zu gerne hören.”
“Marc, ich weiß nicht was dich hierzu getrieben hat, aber ich bin überzeugt, du hast gute Gründe dafür. Man hat dir sicher viel Leid zugefügt. Aber worum es auch geht, ich bin sicher, es gibt andere Lösungsmöglichkeiten. Es gibt sehr gute Ärzte, die dir helfen können. Die dir zuhören, mit denen du über alle deine Probleme reden kannst. Das hier ist doch keine Lösung. Irgendwann, wenn du nicht mehr so unter Druck stehst wie jetzt und sich deine Gefühle wieder normalisieren, wirst du bereuen, was du heute getan hast. Deswegen, mach es bitte nicht noch schlimmer und händige mir deine Pistole aus. Du bist noch sehr jung, warst noch nie straffällig. Das Gericht wird es als Kurzschlusshandlung bewerten und Nachsicht üben. Ich werde für dich sprechen, versprochen! Wenn du jetzt guten Willen beweist, und deine Klassenkameraden gehen lässt. Halte mich von mir aus als Geisel, aber lass deine Mitschüler gehen. Bitte.”
Marc seufzte. “Gute Rede. Wirklich. Und wissen Sie, was ich an Ihnen schätze, Rektor Kleiss? Das Sie es tatsächlich ernst meinen. Sie reden nicht nur. Sie würden das wirklich für mich tun, nicht wahr? Würden vor Gericht zu meinen Gunsten aussagen.” Der Junge sah den stark schwitzenden Mann nachdenklich an. “Dafür habe ich Sie immer geschätzt. Sie gehörten zu den wenigen Lehrern, die wirklich für die Schüler da sind. Das ist auch der Grund, warum Sie überhaupt noch leben.
Und solange Sie sich nicht gegen mich stellen, werden Sie auch hier lebend raus kommen.”
Der Rektor atmete erleichtert auf.
“Was Ihre Rede angeht, weist sie einen kleinen Schönheitsfehler auf”, fuhr Marc fort. “Ich bin weder unter Druck, noch durchgeknallt. Ich versichere Ihnen, ich handle im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte. Oder wirke ich, als wüsste ich nicht, was ich tu? Alles, was ich will ist Rache. Ganz einfach. Bloß Rache.”
“Du krankes Arschloch!” schrie ihn Gökhan an. “Fühlst dich groß, weil du ´ne Knarre in der Hand hast. Aber ich sag dir was: leg sie weg und ich zeig dir, wie groß du wirklich bist.” Wütend schlug er die geballte Rechte in die offene Linke. “Ich würd dir so dermaßen die Fresse polieren...”
“Wie dämlich kann man eigentlich sein? Du willst mir echt drohen?” Marc schüttelte verständnislos den Kopf. “Schaust du keine Nachrichten? Die besten Chancen ein Geiselszenario zu überleben haben die Geiseln, die sich still verhalten, sogar das Schreien und Wimmern verkneifen. Die wissen, dass ihr Leben auf dem Spiel steht und man sich am besten unterwürfig und unauffällig verhält. Niemand, der halbwegs bei Verstand ist, würde ungefragt das Maul aufzumachen. Und schon gar nicht dem Geiselnehmer drohen. Nicht auffallen ist die Devise, du verdammter Vollidiot! Das ist der Überlebensinstinkt. Aber so was besitzt du wohl nicht.”
Marcs Blick wanderte zu Julia, während er weiter mit Gökhan sprach. “Auch wenn du hier offenbar nicht der Einzige bist.”
“So ungewöhnlich ist das gar nicht”, warf Rektor Kleiss ein, dessen Kopf vor Aufregung puterrot geworden war. Seinem nervösen Lächeln war die ungeheure Anspannung anzumerken. “Wie du ja selbst am besten weißt, sind in dieser Klasse viele sogenannte verhaltensauffällige oder erziehungsschwierige Schüler. Einige von euch lehnen sich gegen Autorität auf. Reagieren auf Druck mit Gegenwehr. Wie ein Tier, das man in die Enge getrieben hat und das nun zu kämpfen beginnt. Egal, wie aussichtslos, diese Gegenwehr auch sein mag. Sie können nicht anders...”
Marc verzog unwillig das Gesicht. “Ihre Erklärung ist Scheiße! Nach zwei Toten kann kein Schüler so geblendet sein, dass er meint, ich würde ihn nicht abknallen.” Er wandte sich an die Klasse. “Oder zweifelt noch irgend jemand?”
Nur vereinzelt schüttelten Schüler den Kopf. Die meisten wagten gar nicht sich zu bewegen.
“Dachte ich mir.” Marc richtete den Lauf auf den türkischen Jungen. “Du möchtest dich also mit mir duellieren? Du intellektueller Durchlauferhitzer? Wie du willst, Gökhan. Dann darfst du der erste sein, der gegen mich Schach spielt.”
“Aber ich...”
“Ich warte!”
Gökhan setzte sich ihm gegenüber. “Du bist ein verfluchtes Arschloch!”
“Und weißt du, warum du das so schnell erkannt hast? Weil du noch ein viel größeres bist. Aber ich will fair bleiben: Du darfst sogar mit weiß eröffnen.”
“Du Sau weißt genau, das ich kein Schach kann.”
“Bitte,” meldete sich Rektor Kleiss zu Wort. “Ich wäre bereit für ihn einzuspringen.”
“Sie sind sich darüber im Klaren, was das bedeutet?”
“Vermutlich, dass ich sterbe, falls ich verliere.”
“Sind Sie dazu wirklich bereit?”
In den Augen des Rektors sammelten sich Tränen. “Nein. Aber du zwingst mich dazu. Ich kann doch nicht hier sitzen und einfach zuschauen.”
Marc nickte. “Aber das ist der kleine Wichser gar nicht wert. Er vertickt auf dem Schulhof Drogen und erpresst von Mitschülern Geld. Von der kleinen Vergewaltigung gar nicht zu reden. Wenn Sie sich schon unbedingt für jemanden opfern müssen, machen Sie´ s bei ´ nem Schüler, der es mehr verdient.”
“Das stimmt nicht!” stritt Gökhan ab. “Das sagt er nur, weil ich Türke bin!”
“Noch so´ n Spruch und leg dich sofort um!”
“Er ist doch fast noch ein Kind”, versuchte Kleiss zu schlichten. “Bitte, hör auf, bevor es für dich zu spät ist. Beende diesen furchtbaren Amoklauf.”
Der Rektor blickte in die Augen des Jungen. Suchte nach Nervosität, Angst oder Unsicherheit. Aber da war nichts. Der Junge hielt seinem Blick fest stand, blickte kalt und erbarmungslos. Marc würde sein Ding durchziehen. Ohne Gnade. Das wurde ihm jetzt klar.
“Also: Sie oder er?”
“Ich!” sagte Kleiss heiser.
Marc blickte Gökhan hasserfüllt an. “Ich hoffe, du weißt, was er für dich getan hat.
Setz dich wieder auf deinen Platz.”
Dann musterte er den Rektor mitleidig. “Ich bedaure Ihre Entscheidung. Aber wenn Sie unbedingt drauf bestehen: Weiß oder Schwarz?”

(Fortsetzung folgt...)
Kimura ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.09.2008, 20:06   #2
labahannes
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 127


Hallo Kimura, harte kost

Mir gefällt das ganze ganz gut, du baust die Stimmung ganz gut auf, hier aber noch ein paar anmerkungen:

Der Junge is 15?!?!?
das find ich nen bisel unrealistisch(kansnte aber ja leicht ändern ich würds so auf 17 oder so machen)


Zitat:
Ihr Kopf zerplatzte wie eine überreife Melone.
Der satz wird in soclehn Geschichten/büchern oft verwendet vielelicht findest du ja eine bessere formulierung


"freue" mich auf die Fortsetzung
Johannes
labahannes ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.09.2008, 20:14   #3
Kimura
 
Dabei seit: 09/2008
Beiträge: 8


2.

“Schachmatt!” rief Marc aus.
“Ich... ich war mir sicher, dass ich gewinne...“ Rektor Kleiss schnappte nach Luft, starrte den Jungen hilfesuchend an. “Bitte, ich habe Familie. Drei Kinder, die noch...”
“Ich habe persönlich nichts gegen Sie. Aber als Rektor wissen Sie es ja am besten: Regeln sind Regeln!”
Das letzte was Kleiss sah, war wie der Junge blitzschnell die Waffe auf ihn richtete. Dann gab es schon einen lauten Knall, einen kurzen Blitz und er kippte mit samt Stuhl hintenüber.
Einige Schüler schrieen auf, weinten.
“Verdammt schade!” sagte Marc mit aufrichtigem Bedauern in der Stimme und warf Gökhan einen giftigen Blick zu. “Da hat sich ein sehr guter Mann für dich geopfert. Verdient hast du´ s nicht. Trotzdem, mach was draus. Du wurdest gerade neu geboren.
Und jetzt verpiss dich!”
“Ich kann gehen?” fragte Gökhan unsicher.
“Sicher. Er hat mit seinem Leben dafür bezahlt.”
Gökhan erhob sich misstrauisch. Kurz bevor er die Klassenzimmertür erreichte, rief Marc noch einmal seinen Namen.
Gökhan traute kaum, sich umzudrehen.
“Ich habe übrigens nicht vergessen, was du meiner Schwester angetan hast.”
“Ey, was? Ich hab der gar nichts getan!”
“Nein, nur ein bisschen vergewaltigt!”
“Das... das war nicht so. Das war voll anders. Du musst das versteh´ n. Sie hatte das provoziert und...”
Marc feuerte ihm zwischen die Beine. Gökhan brach schreiend zusammen. Das Blut sprudelte nur so hervor. Der schwerverletzte Junge schrie und kreischte.
“Du musst das versteh´ n, du hast das provoziert”, zitierte Marc kalt und zeigte auf zwei Jungen aus der ersten Sitzreihe. “Ihr Beiden, bringt ihn raus und legt ihn in den Flur. Aber vergesst das Wiederkommen nicht, sonst erschieße ich vier eurer Mitschüler!”
“Rektor Kleiss hat sein Leben für ihn geopfert!“ heulte Julia. “Und du? Du Scheißkerl...”
“Ich schieße ihm die Eier weg! Nicht sonderlich nett, hm? Immerhin: ich habe ihn nicht umgelegt, oder? Ich habe mein Versprechen gehalten. Wenn er sich jetzt beeilt und ärztliche Versorgung kommt, wird er noch ein langes, eierloses Leben führen.”
Julia ging wütend auf ihn zu und scheuerte ihm eine.
Die schallende Ohrfeige ließ seinen Kopf zur Seite fliegen.
“Wow! Was für ein Temperament!” grinste Marc und rieb sich die brennende Wange.
Dann packte er Julia, riss sie zu sich und küsste sie.
Julia sah ihn einen Moment lang überrascht an, unfähig zu handeln, dann riss sie sich von ihm los, schubste ihn zur Seite.
Sie war so wunderschön. Mit ihren dunklen Augen und dem langen, seidigen Schwarzhaar, das je nach Lichteinfall blau glänzte.
Marc fuhr sich mit seiner Zunge über die Lippen. “Du schmeckst nach Erdbeer.”
“Und du nach Scheiße!” fauchte Julia ihn an. “Das ist es, was du bist. Ein erbärmlicher Haufen Scheiße!”
“Ich liebe dich auch.” Sein Grinsen wurde breiter. “Wolltest du nicht eben noch mit mir vögeln? Typisch Frau! Ändert von jetzt auf gleich ihre Meinung!”
“Macho!“ keifte Julia und kehrte demonstrativ zu ihrem Platz zurück. “Sag mir Bescheid, wenn du die Talsohle deiner persönlichen Minderwertigkeitskomplexe durchschritten hast. Bis dahin: Fick dich, du kleiner Hurensohn!”
“Nimm ihm das doch nicht übel!“ rief Mischa von seinem Platz aus. “Er hat zur Zeit ´n echt stressigen Job. Teenies abknallen und ne Klasse als Geisel halten - so was langt echt was ab!”
Marc schlug heftig mit der Faust auf den Tisch.
In dem abrupten Schweigen das darauf folgte, hätte man eine Nadel fallen hören.
“Ihr zwei haltet euch für ganz große Nummern, was?” Seine Augen wanderten von Julia zu Mischa und wieder zurück. Er trat auf das Mädchen zu. Plötzlich schnellte seine linke Hand nach vorne und packte sie würgend am Hals, während er die Waffe weiterhin mit der Rechten in die Klasse hielt.
“Ich kann dich und dein Temperament wirklich gut leiden. Und du kannst auch gerne deine Meinung hier äußern. Aber wenn du noch einmal meine Mutter beleidigst, verteil ich dein Gehirn in der ganzen Klasse. Kapiert?”
Julia, die kaum noch Luft bekam, nickte heftig.
Marco ließ sie los.
Das Mädchen schnappte nach Luft, heulte.
“Und nun zu dir...” Er zielte auf Mischa. “Komm nach vorne. Stell dich genau vor mich!”
Mischa erschrak. “Bitte, es tut mir leid, ich...”
“Eins...”
“Tu das nicht, ich...”
“Zwei...”
Mischa stürzte nach vorne.
Marc sah ihn kalt an. “Mach den Mund auf.”
“Wa... was? Wieso?”
“Damit ich meine Knarre hineinschieben kann.”
“Hör zu, es tut mir wirklich leid. Ich hab die Nerven verloren und...”
“Ich weiß. Maul auf!”
Mischa zitterte am ganzen Körper, als er die Augen schloss und den Mund leicht öffnete.
“Weiter!” ertönte die gnadenlose Stimme Marcs.
Mischa öffnete den Mund mehr, als er spürte, wie der kalte, stählerne Lauf in seinen Mund glitt.
“Findest du das jetzt auch komisch?”
Auf Mischas Hose bildete sich ein feuchter Fleck, der immer größer wurde.
Marc betrachtete den hilflosen Jungen interessiert. “Ich möchte zu gerne wissen, ob du es noch spürst, wenn die Kugel dir den Hinterkopf wegreißt.”
Die Pisse lief aus Mischas Hosenbein heraus und ergoss sich über die Turnschuhe auf den Boden. Dort vermischte sie sich mit dem Blut des Rektors.
“Was ist los? Wirf doch noch ein paar lockere Witze in die Runde!”
Mischa zitterte stärker. Unter seinen geschlossenen Augenlidern traten Tränen hervor und liefen über seine Wangen.
“Du warst ein immer ein guter Klassensprecher”, stellte Marc fest. “Hast dich für viele hier eingesetzt. Leider nicht für mich. Hättest nur einmal für mich stark gemacht, wär mir vielleicht viel Spießrutenlaufen erspart geblieben. Trotzdem, ich würdige dein Engagement für die anderen und werde dich deshalb als Letzten töten.“ Marc zog den Revolverlauf aus dem Mund des Jungen.
“So lange ich von dir nichts mehr höre. Ist ´ne echte Chance. Wer weiß, vielleicht werd ich ja vorher noch aufgehalten.” Mischa war leichenblass.
“Du kannst dich wieder setzen.”
Im ersten Moment war Mischa zu keiner Bewegung fähig. Nur langsam entkrampften sich seine Muskeln. Steif, fast mechanisch stolperte Mischa zu seinem Platz zurück. Dort ließ er sich nieder, vergrub das Gesicht in seinen Händen und begann zu schluchzen.
Marc lächelte und wandte sich wieder der Klasse zu.
“Zeit für die nächste Schachpartie. Wer möchte jetzt sein Glück versuchen?”
Niemand meldete sich. Viele sahen betreten zur Seite, seinem suchenden Blick ausweichend.
“Gut, dann wähle ich aus. Was ist mit dir, Björn?” Er blickte den angeschossenen und leise wimmernden Jungen herausfordernd an. “Ich meine, wenn du nicht bald das Klassenzimmer verlässt, verblutest du womöglich noch. Wenn du gewinnst, kannst du es endlich verlassen.”
“Wieso nicht?” keuchte Björn. “Alles ist besser als nur hier rumzusitzen und zu verbluten.”
“Endlich mal jemand mit Courage!” lachte Marc.
“Ja, ganz im Gegensatz zu dir! Lässt mich hier verletzt spielen”, versetzte Björn, der sich im selben Moment über seine Großspurigkeit erschrak. Aber wahrscheinlich spielte es sowieso keine Rolle mehr. Wie es aussah, blieb ihm eh nicht mehr lange.
Wider Willen musste Marc den verletzten Jungen bewundern.
Man konnte ihm viel vorwerfen, aber nicht Mangel an Mut in gefährlichen Situationen. Marc überlegte kurz.
“Unsere kleine Schwuchtel hat recht!“ verkündete er schließlich der Klasse. “Er ist beeinträchtigt. Die Verletzung stört Björns Konzentration. Darum erhöhe ich in seinem Fall den Einsatz: Wenn er gegen mich gewinnt, darf nicht nur er gehen, sondern mit ihm drei Schüler seiner Wahl!”
Björn hustete, presste die Lippen zusammen.
“Ich nehme weiß!” entschied er sich und begann die Figuren aufzubauen. Seine Stimme konnte seine Aufgeregtheit nicht verbergen. “Von wem hast du eigentlich gelernt, so gut zu spielen?”
“Von meinem Vater”, ging Marc auf die Frage ein. “Er ist der verdammt beste Schachspieler, den ich kenne. War in seiner Jugend sogar mal Vizeweltmeister.”
Marc lächelte stolz. “Ich habe ihn noch nie schlagen können.”
“Dein Vater... er wäre sicher sehr traurig, wenn er wüsste, was du hier treibst. Oder?”
“Traurig?” Marc musste unwillkürlich lachen. “Es würde ihm das verdammte Herz brechen!
“Und das ist dir egal?”
“Ich hoffe, dass ihn dieser Schock tötet!” In Marcs Augen blitzte ein Wut auf, die intensiver war, als jeder Hass.
Björn´ s Augenbrauen schossen in hohem Bogen die Stirn hinauf. “Warum hasst du ihn so?”
“Weil er von allen der Schlimmste ist. Nichts war schlimmer als das, was er mir angetan hat.”
“Was kann schon so schlimm sein?” fragte Björn. “Hat er dich geschlagen?”
“Damit hätte ich vielleicht noch leben können..”
Julia blickte verstehend auf: “Er hat sich dir genähert, oder?” sagte sie leise.
Marc schluckte nervös und seine Augen glänzten verräterisch.
Julia lächelte wissend. “Das ist es”, wurde sie lauter. “Ich hab recht!”
“SEI RUHIG!“ schrie er, fuhr vom Stuhl hoch und richtete seine Knarre auf sie.
Julia kreischte auf.
“HALT DEINE VERFLUCHTE FRESSE!” Sein Arm zitterte und auf den Schläfen traten seine Adern hervor. “ICH HATTE DICH GEWARNT!”
“Bitte, tu´s nicht!” flehte Julia angsterfüllt und weinte.
Marc starrte sie durchdringend, beinahe irre an. Er atmete schwer und sein Gesicht spiegelte eine seltsam wechselnde Mischung aus Zorn, Trauer und Hilflosigkeit.
“VERFLUCHT!” schrie er und ließ die Waffe sinken. “JA, DU HAST RECHT! BIST DU JETZT ZUFRIEDEN?“ Er schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Händen nervös durch die Haare. “DIESE ELENDE DRECKSAU!” Marc trat krachend gegen das nächststehende Schülerpult. “Ich war doch erst sechs... “, weinte er. “Ich habe ihn angefleht, aufzuhören... Aber er lächelte nur. Er fickte mir mein kleines Kinderherz zu den Ohren raus und lächelte... Acht Jahre lang. ACHT GOTTVERDAMMTE JAHRE!“ Die letzten Worte brüllte er heraus. Seine Halsschlagader zeichnete sich deutlich ab. “Nacht für Nacht die Angst, dass er wieder in mein Zimmer kommt... ” murmelte er heiser.
“Heilige Scheiße!” rief Björn aus. “Kein Wunder, dass du so ein...“
Marcs Blick schnitt ihm so brüsk das Wort ab, als ob zwei mächtige Hände ihn bei der Kehle ergriffen hätten. “So ein was? Wie wolltest du mich nennen?” In seiner Stimme wurde ein säuerlicher Unterton hörbar.
“WIE WOLLTEST DU MICH NENNEN?”
Björn schüttelte heftig den Kopf. Er wollte schlucken, aber sein Mund fühlte sich an, als hätte er Kreide gegessen. Marc starrte ihn lange an und brachte ihn zweimal dazu den Blick zu senken. “Sag es!” forderte ihn Marc ruhig auf. Trotzdem lag etwas sehr drohendes in seiner Stimme. “Ich verspreche auch, nicht zu schießen.”
Björn atmete tief ein. “Ich wollte sagen: Kein Wunder, dass du so ein Psycho geworden bist. Ich dachte erst, es würde an PC-Ballerspielen liegen.”
“Weil alle Amokläufer Gewaltspiele spielen?” Marc lachte, wischte sich mit dem Handrücken über seine Augen und strich seine Haare aus der Stirn.
Björn konnte regelrecht spüren, wie viel Mühe es Marc kostete, sich zusammen zu reißen.
“Mein Lieblingsklischee”, gab er sich locker. “Hätten aber auch brutale Filme schuld sein können. Vielleicht aber auch der Umstand, dass alle Gruftis gaga sind? Sorry, war nichts von davon. Bei mir ist es was persönliches!”
“Also bist du einfach nur ein wildes Tier.”
Auf Marcs Gesicht erblühte ein breites Grinsen. “Das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung. Ich kenne keins und bin daher kein Tier. Shakespeare, Richard III.!”
Björn schluckte. “Ich habe auch ein Zitat für dich: Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.”
“Wie auch immer. Heute mache ich reinen Tisch. Mit allem!” Marc musterte Björn beinahe freundlich. “Unser Spiel wartet!”

Fortsetzung folgt...
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Alt 02.09.2008, 20:19   #4
weiblich ravna
 
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Hallo Kimura,

fröne doch nicht so sehr den Vorurteilen:
- natürlich ist der Junge unbeliebt und Gothic aber in einem bestimmten Punkt (Schach) ein kleines Genie
- er spricht eine Sprache wie eine Babyhure aus dem Wedding
- der Rektor ist dafür ein pseudopsychologischer Verständnispapa
- und auch der türkische Junge ist selbstverständlich aggressiv
- schwul sein ist ohnehin 'was ganz was Schlimmes' (hätte er gesagt: "Ach, ich nehm' Euch beide!", das wäre wenigstens halbwegs nett gewesen)

Dann so die kleinen Logik-Sachen:
- Rückstoß der Waffe völlig ignoriert
- warum fragt ihn keiner, wie er an das Ding überhaupt drangekommen ist?
- Schulter mit Gürtel abbinden? Nur damit? Ey, das ist schwer

Ansonsten:
- unübersichtlich (Absätze!)
- sehr dialoglastig
- spannungsarm, da vorhersehbar

Gruß,
U.

|edit|
War zum ersten Teil, lese die beiden anderen gerade.
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Alt 02.09.2008, 20:20   #5
Kimura
 
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3.

“Schachmatt!” Marcs Stimme klang triumphierend.
“Fuck!“ Björn schloss die Augen, schluckte nervös. “Darf ich dir noch eine letzte Frage stellen?”
“Sicher.”
“Warum hast du gerade mich ausgewählt? Ich habe dir niemals etwas getan.”
“Stimmt. Ich werfe dir auch was ganz anderes vor: unterlassene Hilfeleistung.
Wie oft hast du mitbekommen, was die anderen mir angetan haben? Warst Zeuge, als sie mich grundlos zusammenschlugen und ausgeraubt haben. Nie hast du einen Lehrer zur Hilfe geholt. Und als ich dich einmal als Zeugen angab, hast du geleugnet dabei gewesen zu sein.”
“Ich hatte Angst! Als Homo hat man´ s hier sowieso schwer. Und wenn dann noch so´ n Hemd wie ich ankommt... Was glaubst du, was die Penner mit mir gemacht hätten, wenn ich gegen sie ausgesagt hätte?”
Marc zuckte gleichmütig die Schultern. “Tja, dumm gelaufen.”
“Aber jeder Angeklagte hat das Recht auf einen fairen Prozess!” warf Björn verzweifelt ein. Ein höhnisches Lachen umspielte Marcs Lippen. “Gut, dann mache ich dir erst ´nen fairen Prozess und leg dich dann um! Da ich Ankläger, Verteidiger und Richter in einer Person bin, befinde ich dich leider in allen Anklagepunkten für schuldig. Das Urteil lautet daher: sofortige Liquidation!”
Er richtete seine Knarre auf Björn´ s Kopf.
“ICH HAB DIR DOCH NICHTS GETAN!” schrie Björn, flehentliche Blicke aussendend.
“Eben!”
“HALT!” schrie ein Junge aus der hintersten Reihe. “Aufhören!“ Er stand auf, lief nach vorne und stellte sich vor Björn. Sein Gesicht war tränenüberströmt.
Marc blickte ihn verwirrt an. “Aber... wer bist denn du? Du gehörst doch gar nicht in diese Klasse. Ich weiß, du bist doch erst in der fünften. Was zum Teufel suchst du hier?”
“Meine Klasse hat heute früher aus. Lehrer krank. Ich muss aber hier nachsitzen, weil ich Mist gemacht hab.”
“Zur falschen Zeit am falschen Ort. Das ist Pech.” Er musterte den völlig fertig aussehenden, kleinen Jungen mitleidig. “Tut mir leid, dass du das alles mit ansehen musstest. Du hast damit nichts zu tun.” Marc zeigte auf die Tür. “Du darfst natürlich gehen.”
Der verheulte Junge zog die Nase hoch. “Bitte, töte keinen mehr!” flehte er.
“Wie heißt du?”
“Marvin.”
“Marvin, hör zu. Was auch immer hier noch passiert, du wirst es nicht verhindern können. Deswegen geh jetzt einfach durch diese Tür und leb weiter. Irgendwann wirst du das alles hier vergessen haben. Es wird dir vorkommen, wie ein böser Traum und...
“Ich gehe nur mit Björn!”
“Warum setzt du dich so für diesen Trottel ein? Was interessiert es dich, ob er lebt oder stirbt?”
“Er ist mein Bruder!”
Marc erstarrte. “Dein...” Er sprach nicht zuende, sah Marvin mit unergründlichem Gesicht an. Die kaum merkliche Kopfbewegung, die darauf folgte, hätte man fast als ein Nicken verstehen können. “Okay, Kleiner. Nimm deinen Bruder und geh.
Aber schnell, bevor ich ´s mir anders überlege.”
Auf Marvins Gesicht erschien ein befreites Lächeln. “Danke, danke!”
Marvin half Björn vom Stuhl hoch.
Marc senkte seltsam gedankenversunken den Blick. Man konnte nur ahnen, welche Erinnerungen der Kleine bei ihm auslöste. Er atmete tief durch.
Da war die Unachtsamkeit, auf die Björn gewartet hatte. Er stürzte nach vorne, riss Marc den Revolver aus der Hand, stieß seinen Bruder zur Seite und stolperte ein paar Schritte zurück.
Er lachte hysterisch. “Jetzt ist es vorbei!”
Die Schüler klatschten und pfiffen.
“Knall ihn ab!”
“Ja, leg das Arschloch um!”
Marc verzog keine Miene.
Björn legte auf ihn an. “Was dein Vater dir angetan hat, war schlimm. Aber das gab dir nicht das Recht für das hier! Was erwartest du von uns? Mitleid?” Björn schüttelte verständnislos den Kopf.
“Ich scheiß auf euer Mitleid. Die Sache mit meinem Vater ist eine Sache, die mit Euch eine andere. Er muss für seine Fehler gerade stehen. Ihr für Eure.”
“Du krankes Schwein...” Die Waffe in seiner Hand zitterte. “Du hast drei Menschen getötet und Gökhan so schwer verletzt, dass er wahrscheinlich verbluten wird. Mir ist egal, aus welchen Gründen du das hier abziehst. Keiner von ihnen gibt dir das Recht dafür.” Björns Lippen bebten. “Wir gehören nicht derselben Gattung an, auch wenn du versuchst, uns weiszumachen, das du ein Mensch bist...”
“TÖTE IHN!” schrie Mischa voller Hass. “DRÜCK ENDLICH AB!”
“Abdrücken?” Marc lachte höhnisch. “Das bringt der doch gar nicht. Der hat doch keine Eier. Dieser feige, arschwackelnde, kleine...”
Björn drückte ab.
Klick.
Klick. Klick, klick, klick.
Marc grinste breit. “Sie hatte nur fünf Patronen.“ Dann zog er unter dem Tisch die zweite Wumme hervor.
“Musstest du dummes Arschloch unbedingt den Helden spielen? Ich hätte dich doch geh´ n lassen!” Er schüttelte den Kopf.
“Selber schuld!” Er hob die Knarre und feuerte.
“NEEIINN!” schrie Marvin und sprang im selben Moment vor seinen Bruder.
Die Kugel erwischte ihn voll.
Entsetzt fuhr Marc von seinem Stuhl hoch.
Der Kleine lag auf dem Boden, röchelte. Er spuckte Blut. Die Kugel hatte ihm die Lunge durchschlagen. Björn kniete neben ihm, schluchzte. “Marvin...scheiße...Marvin halt durch, bitte! Warum hast du das getan? Marvin...”
Das Röcheln erstarb. Der Kopf des Jungen fiel langsam zur Seite.
In der Klasse wurde es totenstill.
Björn warf sich über seinen toten Bruder, heulte herzerweichend.
“Das hab ich nicht gewollt!” sagte Marc und schüttelte den Kopf. “Das hab ich nicht gewollt! Nicht gewollt.” Er sagte es immer und immer wieder. Vor seinen Augen tanzten kleine Lichter; er spürte wie der Inhalt seines Magens den Weg durch die Kehle antrat, schluckte ihn aber wieder hinunter.
“Ist es jetzt genug?” schrie Julia ihn an. In ihren Augen schimmerten Tränen. “Ist es endlich genug? War das jetzt genug Blut?”
Marc nickte. “Ihr könnt gehen!” sagte er kraftlos. “Geht alle. Lasst mich allein!”
Die Schüler verließen eilig das Klassenzimmer. Mischa zog Björn behutsam von seinem Bruder weg. “Komm, du kannst später noch Abschied nehmen. Jetzt brauchst du erst mal ärztliche Hilfe. Sonst verblutest du doch noch.”
Björn nickte weinend, hakte sich bei Mischa ein und ließ sich hinaus führen.
Julia war die letzte, die den Raum verließ. Sie drehte sich noch einmal um, blickte auf die Toten und den völlig apathisch dastehenden Marc.
Noch gestern war er ihre heimliche Liebe gewesen.
Doch die letzte Stunde hatte alles verändert. Was sie jetzt fühlte, konnte sie nicht in Worte fassen. Es war eine Mischung aus Entsetzen, Hass und Trauer. Und noch irgend was anderes. Mitleid vielleicht? Nein, nicht mehr. Nicht nach alldem.
“Wie konntest du es nur so weit kommen lassen?”
Marc antwortete nicht. Er sah ihr nicht mal nach, als sie den Raum verließ.
Seine Augen waren starr auf den Zwölfjährigen gerichtet.
“Kleiner, dummer Kerl. Nie hätte ich dir was getan. Warum musstest du dich vor ihn werfen?”
Sein Gesicht zerknitterte, er sank in die Knie.
Seine Lippen zitterten. Eine Träne fiel ihm vom Kinn, als er den Hahn spannte und den Lauf des Revolvers an seinen Kopf setzte, genau vor sein rechtes Ohr.
Ein bisschen Drücken, dann würde alles vorbei sein. Dann würde er frei sein, glücklich sein.
Eins...zwei...
Marc erstarrte, wagte nicht einmal mehr zu atmen.
In der Ferne ertönten Polizeisirenen.
Sie kamen näher.
Die Partie war noch nicht vorbei.
Seine Lippen zitterten, er ließ die Waffe zu Boden gleiten, presste die Handkanten auf die Augen und begann heftig zu schluchzen.
Draußen fuhren die Polizeiautos vor.
Das Geräusch der heulenden Hörner brachte Marc zum Lachen.
Es war ein tieftrauriges Lachen. “Jetzt kommen sie endlich? Jetzt erst?”
Sein Lachen erfüllte den ganzen Raum.
Er stand auf, als er näher kommende Schritte vernahm.
“Zeit für den letzten Zug.”
Er ging zum Schachbrett und kippte den König um.
“Der da drin war´ s, der hat sie alle getötet!” hörte er Micha´ s Stimme.
Die Polizisten traten herein.
Marc riss das Messer aus dem Pult und stürzte damit auf die Männer los.
Die Polizisten zögerten nicht, feuerten sofort.
Jemand schrie: “Neeeeiiiin!”
Die Kugeln durchlöcherten Marcs Brustkorb. Blut spritzte nach allen Seiten.
Er wurde von den Füßen gerissen, stürzte zu Boden.
Der tödlich verletzte Junge lächelte glücklich , als sich die Polizeibeamten über ihn beugten.
Er hustete hart, keuchte. “Der Brief... in meiner Brusttasche...”
Der jüngere der beiden Kriminalbeamten griff in seine Jackentasche und holte einen blutbefleckten, von einer Kugel durchlöcherten Brief hervor.
Doch bevor er ihn auseinander falten konnte, wurden er und sein Kollege von einem älteren Herrn hastig beiseite geschoben. “Großer Gott!” entfuhr es ihm, als er das Gesicht des Jungen erblickte.
“Kennen Sie ihn, Herr Kommissar?” fragte einer der jungen Beamten.
Der Kommissar nickte. Seine Augen füllten sich mit Tränen. “Das ist mein jüngster Sohn,” antwortete er mit tonloser Stimme.
Marcs Lippen bewegten sich, als wollte er noch etwas sagen.
Die Polizisten blickten ihn erwartungsvoll an.
“Willst du was sagen, mein Junge?” fragte der Kommissar sanft. Tränen liefen ihm über die Wangen.
Marc nickte. “Schachmatt!”
Dann starb er.
Sein Vater starrte ihn mit offenem Mund an. “Was soll das bedeuten?” flüsterte er.
“Dass die Partie an Ihren Sohn geht!” ertönte hinter ihm die Stimme seines jungen Kollegen.
In seiner Hand hielt er den auseinandergefalteten Brief.
“Was ist das? Von meinem Sohn? Geben Sie her!”
“Bedaure. Aber das ist ein Beweismittel.”
“Was reden Sie da, Herrgott! Ich habe gerade mein Kind verloren!”
“Ihr Kind klagt Sie an wegen jahrelangen, wiederholten sexuellen Missbrauchs. “
Kommissar Richter presste die Lippen aufeinander. “Mein Sohn war ein Freak. Ein Amokläufer. Verdammt, Sie werden ihm doch nicht glauben, was...”
Der Polizist wehrte ab. “Es ist nicht meine Aufgabe über Sie zu urteilen. Das ist Sache des Gerichtes. Sollte an den Anschuldigungen ihres Sohnes etwas dran sein, werden die Gerichtsmediziner das sicher beweisen können...”
Der Kommissar hörte die Worte seines Kollegen längst nicht mehr.
Vor lauter Aufregung rauschte das Blut in seinen Ohren.
Es war vorbei. Richter schluckte, fühlte sich seltsam leer.
Wie konnte Marc ihm das antun?
Er hatte den Jungen doch geliebt - auf seine Weise. Wie hatte Marc das nur so missverstehen können? Ihre intimen Momente waren doch so schön gewesen...
Er betrachtete das selbst im Tode noch zufrieden grinsende Gesicht seines Sohnes.
Wie sehr musste Marc ihn gehasst haben...
Der Kommissar atmete tief durch und drängte die erneuten Tränen zurück.
“Schachmatt!” wiederholte er leise und nickte. “Brilliante Partie, Marc! Brilliante Partie.”

Ende
Kimura ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.09.2008, 20:29   #6
weegzon
 
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Standard RE: Schachmatt

Moin Kimura,

die Geschichte gefällt mir gut. Sehr flüssig geschrieben. Es sind sehr harte Bilder, aber nicht übertrieben gewaltverliebt. Ich habe es mit Genuß und einem leichten Schaudern gelesen.

Inhaltlich habe ich nur mit Deiner Figur ein Problem. Es sind in diesem Alter zwar Amokläufe bekannt, aber die gehen einher mit einem Ausrasten und die Tötungen verlaufen nicht mehr planvoll, sondern unkontrolliert.

Wenn Jugendliche diesen Alters einen Racheplan schmieden, kann der zwar tödlich enden, beeinhaltet aber (bis jetzt) noch nicht ein so komplexes Vorgehen.

Bei einem Abiturienten (18/19) könnte man eine solche Vorgehensweise schon eher erwarten.


Gruß Eugen

P.S. Bemerkungen beziehen sich auf den ersten Teil
weegzon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.09.2008, 20:45   #7
weiblich ravna
 
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So, also weiter:

Logik:
- Marvin taucht auf wie der Deus ex machina, den die Geschichte braucht um Marc noch eine Motivation abseits von 'Rache!' zu geben,
warum fällt er vorher nicht auf, warum weist keiner der anderen Schüler (vor allem sein Bruder!) auf ihn hin?
- Durchschlagkraft der Waffe: Klein-Marvin ist maximal 2m (von der Beschreibung her) von Gaga-Marc entfernt, wenn Marc nicht gerade Platzpatronen nutzt oder Marvin eine kugelsichere Schuluniform trägt, sind Marvin und Björn nach dem Schuß löchrig
- Marc wird in den Brustkorb geschossen, der Brief ist aber noch ganz (mal abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen bei trainierten Einheiten unwahrscheinlich ist)

Klischee:
- achje, er ist selbst ein 'Opfer' und hätt' man ihm nur zugehört wäre wohl alles vermieden worden
- Papa ist sich natürlich nicht im Klaren, dass man seinen sechsjährigen Sohn nicht vögeln darf, sondern hatte ihn nur 'besonders lieb' - und ist trotzdem durch die psychologischen Tests für Bewerber bei der Polizei durchgekommen
- macht nichts, Papa hat nämlich auch eine ziemlich dissoziative Ader:
"“Was reden Sie da, Herrgott! Ich habe gerade mein Kind verloren!”
“Ihr Kind klagt Sie an wegen jahrelangen, wiederholten sexuellen Missbrauchs. “
Kommissar Richter presste die Lippen aufeinander. “Mein Sohn war ein Freak. Ein Amokläufer. Verdammt, Sie werden ihm doch nicht glauben, was...”"

Toll ist auch Julia:
Noch gestern war er ihre heimliche Liebe gewesen.
Doch die letzte Stunde hatte alles verändert.

Schön, über was die Dame sich Gedanken macht.

Soweit,
U.
ravna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.09.2008, 12:38   #8
Ich
 
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Hallo Kimura,

ich habe deine Geschichte gestern noch als " gutenachtgeschichte" gelesen und ICH finde sie sehr gut. Spannend bis zum Schluss, klasse Wortgewalt. Allerdings denke auch ich, dass du das Alter von Marc etwas höher ansiedeln solltest.
L.G.
Ich
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Alt 04.09.2008, 18:39   #9
Kimura
 
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Vielen Dank für eure zahlreichen und ausführlichen Kritiken. Mir ist natürlich klar, dass eine Geschichte wie diese die Geschmäcker spaltet und man sie entweder liebt oder hasst. Vieles von dem, was hier vorgetragen wurde werde ich mir zu Herzen nehmen, besonders die konstruktiven kritischen Anmerkungen. Manchem stimme ich auch nicht zu, anderes ist ist mir einfach egal. So möchte ich etwa gar nicht politisch korrekt sein. Eine Geiselnahme bzw. ein Amoklauf ist niemals politisch korrekt. Und an einer Stelle der Kritiken bei Ravna hatte ich so ein wenig den Eindruck, sie möchte mir Vorurteile gegen andere Nationalitäten (sprich Rassismus) unterstellen. Dies jedoch wehre ich vehement ab. Es ist nur einfach so: In den meisten Schulen Deutschlands ist der Anteil der ausländischen Schüler extrem hoch, oft höher, als der deutscher. Insofern ist es gar nicht so abwegig, dass ein türkischer Jugendlicher vom Geiselnehmer bestraft/angeschossen wird, für etwas, dass er dessen Schwester angetan hat, Klar, wird dem türkischen Jugendlichen etwas Schlimmes unterstellt, aber herrgott, auch türkische Jugendliche machen Scheiße, ebenso wie Deutsche und andere Nationalitäten. Und genau wie Deutsche machen sie auch manchmal kriminelle Dinge. Das ist einfach ein Fakt und kein Vorurteil. Warum soll ich nur Deutsche als die Schweine darstellen ( was ich ja mit der Figur des Marc Richter mache) und alle äusländischen Mitschüler als strahlende Helden? Mir geht diese Rassendiskriminierungsdiskussion langsam gehörig auf den Zeiger. Alle Rassen in Deutschland stellen schon mal was an oder werden straffällig. Deutsche ebenso wie Türken, Russen, Italiener, Griechen, etc... Warum soll ich sowas beschönigen, zumal wir in einem vereinigten Europa leben und die meisten Länder - Deutschland mit sicherheit - zum internationalen Schmelztiegel geworden sind. Wir sind alle Menschen, egal welcher Religion, Nationalität oder Hautfarbe, haben alle unsere guten und dunklen Seiten. Aber erwarte nicht dass ich das beschönige oder irgendetwas glorifiziere, nur um politisch korrekt zu sein. Politisch korrekt ist heutzutage oft nichts anderes als eine diplomatisierte Form der Heuchelei. Dennoch bleibt es oft Verlogenheit.
In anderen meiner Geschichten sind türkische Jugendliche positive Figuren und Sympathieträge, teilweise sogar Hauptfiguren, sei also in Zukunft etwas vorsichtiger, liebe Ravna, wem du hier was unterstellst.
Deine weiteren (konstruktiven) Kritiken werde ich mir jedoch gerne zu Herzen nehmen und beherzigen.

Was das Alter des Täters angeht ist fünfzehn jedoch keineswegs zu jung. Wenn man sich näher mit ähnlichen Fällen - gerade auch in Amerika - beschäftigt, wird man feststellen, dass sogar schon Dreizehn und Vierzehnjährige derlei Amokläufe gestartet haben und dass es sogar Fälle gab ( in Europa) wo ein Vierzehnjähriger seine Klasse über mehrere Stunden als Geisel hielt. Man unterschätzt manchmal, wozu Jugendliche/Heranwachsende fähig sind, und man unterschätzt auch gerbe ihre Denkfähigkeiten. Und das ist es, was ich nach fast fünfzehn Jahren arbeit mit Kindern und Jugendlichen gelernt habe: niemals unterschätzen.
(Ich kenne 11jährige mit einem IQ von 136).
Kimura ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.09.2008, 19:29   #10
weegzon
 
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Moin,

Zitat:
Original von Kimura
Man unterschätzt manchmal, wozu Jugendliche/Heranwachsende fähig sind, und man unterschätzt auch gerbe ihre Denkfähigkeiten. Und das ist es, was ich nach fast fünfzehn Jahren arbeit mit Kindern und Jugendlichen gelernt habe: niemals unterschätzen.
(Ich kenne 11jährige mit einem IQ von 136).
nein, ich unterschätze keineswegs wozu Jugendliche fähig sind, habe ich doch täglich mit ihnen zu tun. Deshalb stimme ich Deinen Worten bezüglich des türkischen Jungen vollinhaltlich zu. Ich habe Dir ja auch schon zugestanden, dass in dem Alter Amokläufe bekannt sind. Du beschreibst hier aber keinen klassischen Amoklauf und für den ausgefeilten Racheplan ist mir der Protagonist zu jung.

Aber das ist nur meine ganz persönliche Erfahrung...

Ansonsten gefällt mir die Geschichte sehr gut.


Gruß Eugen
weegzon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.09.2008, 20:16   #11
weiblich ravna
 
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Um Himmels willen, ich will Dir keinen Rassismus unterstellen
Mir stößt nur auf, dass Du für alle anderen Personen einen Beschreibung jenseits ihrer Nationalität gefunden hast - außer für den 'türkischen Jungen'.
Julia hat blauschwarzes Haar und kommt vielleicht aus Italien (würde dem Namen nach und von der Haarfarbe passen), Marvin und Björn sind vielleicht die Kinder einer Amerikanisch-schwedischen Patchworkfamilie, Mischa ist vermutlich auch kein Deutscher (dem Namen nach).

Gökhan als Name macht die Nationalität ja schon deutlich: vielleicht hat er, außer türkisch zu sein, ja auch noch breite Schultern oder schwarzes Kraushaar oder ein Piercing im Gesicht, möglicherweise ist er der einzige in der Klasse, der schon einen richtigen Bart hat...
Aber nein, Gökhan selbst hat nichts anderes als seine Nationalität vorzuweisen ('Nur weil ich Türke bin'). Er versteckt sich hinter seiner Nationalität und provoziert gerade dadurch rassistische Tendenzen.
Leider kommt so etwas tatsächlich häufig vor (Ich denke da an den Albaner in meinem Deutsch-LK, der die Lehrerin anschnauzte: Ey warum fragen sie mich das, Sie wissen doch, dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist).

Im Grunde genommen pfeife ich auf political correctness, mich hat es aber auch in der Grundschule schon genervt (als political correctness noch gar nicht existierte), wenn mir meine Mitschüler (ich hatte die ehrenvolle Aufgabe des 'Streitschlichteramtes' auf dem Pausenhof abbekommen ) vorwarfen, dass ich zwischen ihren Streit ja nur gegangen wäre, weil sie diese und jene Nationalität hätten (wir hatten drei Türken, fünf Russen, einen Kurden, eine aus Kroatien, und noch ein paar mehr 'Ausländer' in der Klasse).

Ach und zum Alter: fünfzehn finde ich völlig in Ordnung.
(Was für ein IQ-Test war das denn? HAWI(K) und LPS messen mE nur bis 130 und die englischen sind in Deutschland doch wenig verbreitet)
Aber btw: immer wieder erstaunlich, wie sehr hohe Intelligenz und geringe Menschenachtung miteinander einhergehen.

Gruß,
Ravna
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Alt 05.09.2008, 00:55   #12
Smilodon
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Alt 05.09.2008, 02:49   #13
Pegamund
 
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Standard RE: Schachmatt

diese kritik von Smilodon möchte ich bei "kritik des monats september" nominieren. aber ich finde den entsprechenden faden nicht - liegt es daran, dass ich so brutal müde bin, oder gibt es den thread (noch) nicht?

sorry for o.t. - Pega.
Pegamund ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.09.2008, 17:55   #14
Kimura
 
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@Smilodon:

"ich wage es trotzdem zu bezweifeln, dass man an einem toten Fünfzehnjährigen nachweisen kann, dass er mit sechs Jahren vergewaltigt wurde."

Eigentlich sagt Marc inhaltlich aus, dass er seit seinem sechsten Lebensjahr missbraucht wurde. Das lässt darauf schließen, dass der Zustand Jahre anhielt und dann kann man sehr wohl davon ausgehen, dass es Verletzungen bzw. Vernarbungen im Anal und Genitalbereich gibt, die sich durchaus nachweisen lassen.

Das dir die Geschichte nicht gefiel ist zwar schade, aber eben Geschmackssache. Was der eine langweilig findet, finden andere hochspannend...

Ich beschreibe die Personen absichtlich nicht zuuu genau, weil Platz bleiben soll für die Phantasie des Lesers. Viele Leser mögen es nämlich nicht, wenn Figuren allzu detailliert geschildert werden, weil sie dann die Vorstellung des Autors aufgezwungen bekommen und ihre eigene kaum mit einbringen können. Das verhindert jedoch, dass in ihrem Kopf der Film zu laufen beginnt...
Gut, andere wie du sind Info-Freaks, sie hätten gerne die schweißporen in Großaufnahme. Doch würde ich so deztailliert vorgehen, würde das den Erzählfluss bremsen und die Story allzu sehr verlangsamen.


"Ich will Marc selbst sehen, will es selbst aus seinem Gesicht ablesen können. Und dann kann ich mir auch selbst überlegen, ob Marc zornig, traurig oder hilflos ist."

Mag ja sein, aber dann solltest du dir einen Film anschauen und keine Geschichte lesen. Soo visuell, wie du es verlangst kann nur das Medium Film sein. Einer Story kann sehr plastisch geschildert sein, aber kann niemals dieselben Effekte erzielen wie ein Film.


"Schon allein das Wort... "Gehirnmasse"... sag uns lieber, wie es aussieht. Und wenn du das nicht weißt, lass es lieber..."

Würde ich noch detaillierter vorgehen, würde es zu plakativem Splatter. Das ist nicht meine Absicht und würde die Absicht meiner Story schwächen. Zudem gehört Splatter ebenfalls in den Bereich Film.

Ich bin dir wirklich dankbar, dass du dir überhaupt die Mühe gemacht hast, meine Story zu lesen ( obwohl sie dir nicht gefiel) und eine sehr ausführliche, konstruktiv gemeinte Kritik abzugeben. Das weiß ich ehrlich zu würdigen. Danke. Aber ich denke mit uns zwei treffen zwei völlig verschiedene Sichtweisen aufeinander. Du wirkst sehr filmgeprägt, du scheinst gerne harte Thriller, vielleicht auch Horrorfilme zu mögen. Du kommst also aus der Filmecke. Ich hingegen komme aus der Buchecke, mir sind Dialoge sehr wichtig. Was dir zu dialoglastig ist ( übrigens geht es vielen Filmfans mit diversen Tarantinostreifen ebenso), ist für mich das Beste an Stories überhaupt. Daher wird es schwierig, einen Kontext zu finden, auf dem wir kommunizieren können. Ich will nicht sagen, dass deine Kritik falsch ist. Das empfindest du so und das ist dein gutes Recht. Jeder Leser empfindet und deutet das Geschriebene anders, individuell. Und das soll auch so sein. Was dein Empfinden angeht, bist du voll im Recht. Dennoch stehe ich anders dazu, was mein Recht ist. Allgemeingültig ist jedoch die Aussage keines von uns beiden.
Daher möchte ich damit schließen, dass eine solche Geschichte immer polarisiert. Und das soll sie auch. Sie regt zum Nachdenken an und - immerhin - du hast sie trotz allem zuende gelesen. Das ist doch schon mal was.

Gruß, Chris.
Kimura ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.09.2008, 19:18   #15
Smilodon
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Alt 13.09.2008, 13:25   #16
Spunky88
 
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Hallo Kimura.

Dann schreibe ich doch auch mal etwa dazu.

Die Geschichte ist gut geschrieben. Die Spannung ist ok wenn auch zum Teil absehbar. Unlogisch mal wohl sein, dass Marc sich vor seinen Bruder wirft. Ein Junge in diesem Alter wäre wohl kaum in der Situation in der Lage den Helden zu spielen. Dem Text sind einige Vorurteile zu entnehmen. Darunter gegen Schwule, Türken und Gothic. Das soll jetzt nicht heißen, dass du den Leuten so gegenüberstehst. Aber kommt so rüber.

Den Schlussteil, hätte ich ein bisschen anders geschrieben. Die Idee, dass Marc seinen Vater das erste mal besiegt in einem Zug ist ganz nett. Die Umsetzung hätte aber schöner sein können.

Aber alles in allem habe ich es sehr gerne gelesen und es hat mir gefallen.

Lieben Gruß Rene
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