Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 10.08.2006, 18:22   #1
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Standard Der Traum vom Fliegen

„Man müsste fliegen können!“, dachte der Junge und ließ den Blick über die weite Landschaft in die Ferne schweifen. Über ihm schrie eine Möwe und eine salzige, nach Meer schmeckende Brise zerzauste ihm das blonde Haar. Zu ihm drang die entfernte Brandung und er musste an seinen letzten Urlaub denken.
Da war er geflogen, mit dem Flugzeug, nach London. Zuerst hatte er sich nicht getraut aus dem Fenster zu sehen, weil er Angst gehabt hatte, dass der Anblick nur halb so schön sein könnte wie erwartet. So war er erst eine halbe Ewigkeit in den dunkler werdenden Himmel geflogen, aber schließlich, endlich, hatte er es gewagt – und war überwältigt gewesen.
Der wolkenlose Himmel hielt seinen Blick nicht auf und in der Röte des Sonnenuntergangs hatte er die weißen Steine an der Küste von Dover gesehen. Mehrmals hatte er die Augen schließen und wieder öffnen müssen, um sich selbst von diesem Anblick zu überzeugen und um überhaupt zu verstehen, dass, das, was er sah, Wirklichkeit war.
Aber jetzt, jetzt war er weit weg von der Kanalküste. Jetzt saß er hier an der Nordsee und ließ sich den Wind ins Gesicht wehen. Nun hörte er Glockengeläut aus dem nahen Dorf. Es war sechs Uhr abends. Seine Oma sagte immer, dass nun der Sonntag eingeläutet würde. Der Junge fand dies furchtbar kitschig (das sagte er zumindest zu seinen Freunden), aber er hörte es trotzdem gerne, da es ihn an seine Kindheit und ein Schlaflied, das seine Mutter immer für ihn gesungen hatte, erinnerte (das sagte er nur zu sich selbst).
Ja, wenn er fliegen könnte, dann könnte er alles von oben sehen. Auch den fernen Turm der Gabrielkirche. Dann würde der Sonntag nicht mehr eingeläutet werden, sondern von ihm eingeflogen werden. Das wäre schon etwas.
„Tobias, Abendessen!“, drang die Stimme seiner Schwester aus dem Haus an sein Ohr. Er schreckte aus seinen Gedanken auf und seufzte leise. Wie schade! Dann sprang er von der Schaukel. „Ich fliege!“, schoss es ihm durch den Kopf und für einen Moment breitete er die Arme aus und flog auf den dunkler werdenden Horizont zu. Dann landete er und lief ins Haus.
Im Garten schwang die Schaukel noch einige Augenblicke weiter und blieb schließlich stehen.
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.08.2006, 22:44   #2
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


I'm sorry, dass ich das hier wieder hervorhole... Aber das ist meine allererste vollendete Kurzgeschichte und ich würde mich einfach nur über eine Meinung freuen. Ich weiß, ich bin schon letztes Mal für meinen Jammernanfall zusammengefaltet worden, aber ein einziger Kommentar wäre schon ganz nett!
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.08.2006, 23:19   #3
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Fussballerin,

letztes Mal war Deine Bitte auf Kritik auch ziemlich forsch formuliert und da niemand den Anspruch oder die Pflicht auf Kommentare hat...

Mir gefällt das Thema, der Inhalt sehr gut, denn die Geschichte enthält eine wichtige Weisheit.
Der Junge träumt vom Fliegen - wer hat das nicht schon einmal in seinem Leben getan? Nun ist dieser Traum aber oberflächlich betrachtet nicht erfüllbar; nicht so, wie er sich das erst vorstellt. Aber hat die Gabe - wie die meisten Kinder - dem Kleinen genug abzugewinnen, um sich seinen Wunsch so weit zu erfüllen, wie es ihm möglich ist, anstatt lange darüber traurig zu sein, dass es nicht im großen Stil geht.
Wer nur auf das große Glück wartet, verpasst das kleine.
Und:
Habe die Kraft, zu ändern, was Du ändern kannst,
die Geduld, zu ertragen, was Du nicht ändern kannst
und die Weisheit beides zu unterscheiden.

Zitat:
Kanalküste. Jetzt saß er hier an der Nordseeküste
Zweimal Küste. Nur "Nordsee" würde vielleicht auch gehen.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.08.2006, 19:52   #4
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Dank dir, Struppi, für deine Worte... Habe gleich mal deinen Verbesserungsvorschlag aufgegriffen. Ist mir gar nicht aufgefallen und so jetzt viel besser...
Ich wollte genau diese Weisheit vermitteln, die du aus meinen Zeilen herausgelesen hast. Freut mich, dass ich das vermitteln konnte!

Und danke für die wichtige Weisheit, die dein Kommentar für mich enthält: Mäßige deinen Tonfall! Danke auch dafür... Ist jetzt für immer im Kopf abgespeichert.
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.08.2006, 10:49   #5
cheri noire
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 29


Standard RE: Der Traum vom Fliegen

ok, also:

erstmal allgemein: ich finde, die Geschichte vermittelt eine geradezu reelle Erinnerung an die eigene Kindheit (und das, obwohl ich nicht an der Küste, sondern in den Bergen aufgewachsen bin) - auf, hm... naja, wie soll ich sagen, emotionaler Ebene - durch die Wahl der Worte und auch die Konstellation derselbigen. Auf jeden Fall hat man am Ende ein sehr schönes (wohliges) Gefühl.

Gut finde ich auch, diese Kette von Wasser: Salz - Meer - Küste - See.

Besonders gelungen finde ich "So war er erst eine halbe Ewigkeit in den dunkler werdenden Himmel geflogen, aber schließlich, endlich, hatte er es gewagt – und war überwältigt gewesen." - diese nachvollziehbare Kette von Emotionen - sehr guter Ausdruck.

auch das der Kreis sich zum Schluss hin schließt (und ich meine jetzt nicht das Flugmotiv), und zwar mit: "und flog auf den dunkler werdenden Horizont zu." - gut gelungen, ich finde, auch wenn die Geschichte ziemlich kurz ist, so verstärkt diese doppelt verwendete Phrase "dunkler werdender Horizont/Himmel" (und die ist ja auch wirklich schön) - die Eindrücklichkeit (oh gott, was für ein wort

Des weiteren: "Kanalküste - Nordsee - Glockengeläut - Sonntag" - das macht so ne, hm... friedliche, dörfliche (und das sage ich, obwohl ich überzeugter Berliner bin!) Atmosphäre.

an der Satzstellung "Da war er geflogen, mit dem Flugzeug" und "Das wäre schon etwas." erkennt man, dass ein Kind denkt. sehr authentische Sprache.

ich finde es auch gut, dass der Junge so sanft rüber kommt: "und seufzte leise. Wie schade!"

so - nun noch etwas Kritik (aber nur formal):

etwas holprig wirkt der Text an den Stellen: "Zu ihm drang die entfernte Brandung" - vielleicht so besser: "Die entfernte Brandung drang zu ihm"

und: "die weißen Steine an der Küste von der Dover" besser vielleicht: "an der Küste von Dover" - die dover? gibts das? ich meine, dover ist ne stadt, oder?

so ich hoffe, ich hab mich nicht allzu blasiert ausgedrückt - ist meine erste "rezension" von etwas literarischem.

Grüße aus Berlin
cheri noire ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.08.2006, 18:27   #6
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Oh, was für ein Lob! *rotwerd* Schön, dass dir mein Gedicht gefällt, cheri noir. So etwas hört man gern! Mich freut es ganz besonders, dass es mir offenbar gelungen ist, Atmosphäre zu schaffen. Denn das ist die Sache, die für mich das Schreiben interessant macht! Danke also für dein Lob!
"der Dover" war so ein typischer blöder Schreibfehler, der sich irgendwie einschleicht, wenn man zu schnell für seine Schreibfähigkeiten denkt. Daher danke fürs Hinweisen auf diesen Flüchtigkeitsfehler. Über die Brandungsgeschichte werde ich nochmal etwas sinnieren... Weiß gar nicht, was ich jetzt besser finde...
Nochmals dankeschön fürs Lesen und die liebe Rezension. Und ich fühle mich geehrt, dass ich das "Opfer" deiner ersten Rezension war, denn sie ist echt schön...

Liebe Grüße, Fußballerin
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2006, 18:00   #7
Mugen
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 28


Mir hat die Geschichte auch gefallen. Vor allem die Atmosphäre am Meer und die Emotionen des jungen, der zum ersten mal nach England fliegt.
Die Geschichte hat etwas Beruhigendes und erinnert einem an die eigene Kindheit, wo man auch von den "kleinen Dingen" völlig überwältigt wurde. Auch den Schluss fand ich gelungen, da es ja mit dem letzten Schaukeln aufhört.
Kritik.. fällt mir jetzt gerade nicht viel ein. es ist nicht die Art von Geschichte, die einem von der ersten Zeile an fesselt, aber ich glaube das soll sie auch nicht sein.
Mugen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2006, 22:03   #8
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Auch dir einen lieben Dank, Mugen... Ich weiß nicht, ob ich es schon sagte, aber Atmosphäre zu schaffen ist beim Schreiben mein Ziel. Daher habe ich mich natürlich ganz besonders über deinen netten Kommentar gefreut...
Folglich wollte ich mich meiner Geschichte auch nicht den Leser an eine Handlung fesseln, sondern einfach nur eine Momentaufnahme aus dem Leben eines Jungen zeichnen...
Liebe Grüße und danke
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.08.2006, 22:33   #9
Hydref
Gast
 
Beiträge: n/a

Hallo Fussballerin

Eine leichte, schöne Geschichte, die du da geschrieben hast.
Gewiss könnte sie an einigen Punkten verbessert werden, das tut aber der Grundaussage keinen Abbruch: Das Träumen nach Dingen, welche die Menschen schon immer geträumt haben.

Ich würde die Figur noch etwas genauer herausarbeiten, so dass zum z.B. zum Ausdruck kommt, wie alt dieser Junge etwa ist. Je genauer sich deine LeserInnen ein Bild von der Hauptfigur machen können, desto mehr werden sie sich mit ihr identifizieren. Zugegebenermassen ist genau dies in Kurz- und Kürzestgeschichten eine Kunst.

Bei diesem Satz ist mir die Aussage nicht ganz klar:
Zitat:
"Mehrmals hatte er die Augen schließen und wieder öffnen müssen, um sich selbst von diesem monumentalen Erlebnis zu überzeugen."
Warum schliesst er immer wieder die Augen? Geht es vielleicht eher darum, dass er sich davon überzeugen muss, dass er nicht träumt?

Falls deine Figur noch ein kleiner Junge ist, würde ich den Begriff "monumentalen" durch ein einfacheres Wort ersetzen. Schreibe so, wie der Junge denkt. Würde er denken: "Was für ein monumentaler Anblick..!" ? Ich denke eher, seine Gedanken wären einfacher, bildlicher.
Ich würde da eher seine Reaktionen beschreiben: Grosse Augen, offener Mund, aufgeregt sein usw. Also etwas, das seine Gemütsverfassung beim Staunen beschreibt.

Gern gelesen
Herzlich
Hydref
  Mit Zitat antworten
Alt 01.09.2006, 18:27   #10
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Dank dir, Hydref, für deine lieben Worte... Gut, dass du mich von meinem Höhenflug wieder runtergeholt hast. Eine allererste Kurzgeschichte, die gleich nur gelobt werden würde, wäre gluabe ich nicht gut für mich gewesen...
Deine Tips werden mir in Zukunft bestimmt noch eine große Hilfe sein... Der Satz, den du moniert hast, hat mir beim Schreiben auch ein wenig Kopfzerbrechen bereitet. Mit dem Augen schließen und öffnen wollte ich dieses ungläubige Staunen des Jungen ausdrücken, das man ja manchmal durchaus mit Augenzukneifen ausdrückt... Für "monumantal" werde ich mir dann wohl noch mal etwas Neues ausdenken.
Liebe Grüße und vielen Dank
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Der Traum vom Fliegen

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.