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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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18.11.2007, 15:19 | #1 |
Jetzt
Ein einzelner klatscht Beifall.
Flockenwolken schmelzen am Himmel. In den Bäumen ist ein Brodeln zu hören. Ein Augenblick vergeht. Jetzt ! Dein Leben bleibt ein Spiegel doch wer reibt deine Scheiben blank ? |
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18.11.2007, 15:42 | #2 |
Eine Aneinanderreihung ausdrucksstarker Bilder. Vielleicht bringt mich eine Interpretation jedes einzelnen für sich zu einer Gesamtdeutung.
"Ein einzelner klatscht Beifall." Durch die Betonung, dass es ein Einzelner ist (nicht "Einer"), liegt nahe, dass es einer unter vielen sei, unter Hunderten, vielleicht unter Tausenden. Nur sehr wenige also können verstehen - alle anderen sind blind dafür, weil nicht erwähnenswert. "Flockenwolken schmelzen am Himmel." Ein schönes Bild, aber wie zu interpretieren? Wann vergehen Wolken, wenn es wärmer wird, oder kälter? Das "schmelzen" deutet auf eine Temperaturerhöhung, aber sicher bin ich mir nicht, deswegen kommen ich hier nicht weiter. "In den Bäumen ist ein Brodeln zu hören." - wie vor einem Sturm. Doch wird dieser nicht am Himmel toben, keine Wolken zu sehen. Mir gefällt die Beziehung "schmelzen" - "brodeln". "Ein Augenblick vergeht." Hier fragte ich mich: welcher tut das nicht? Es ist so belanglos, dass niemand mehr Notiz davon zu nehmen scheint, und so wirkt auch dieser Vers nur als Lückenfüller. Aber vielleicht ist er gerade deswegen zentraler Punkt. Sehe ich ihn im Zusammenhang mit dem folgenden Vers, der nur aus "Jetzt !" besteht, so suggeriert sich mir, dass es ein Jetzt gar nicht geben kann, da es Vergangenheit ist, ehe man es ausgesprochen hat. Ein altbekanntes Motiv. "Dein Leben bleibt ein Spiegel", wobei ich mich frage, was er widerspiegelt. Und weil ich mich das frage, verstehe ich darin eine leere Persönlichkeit. Nichts geht vom Leben aus, es wird nur davon reflektiert. "doch wer reibt deine/Scheiben blank ?" Jetzt ist es wieder die Kälte, bei der die Scheiben beschlagen. Oder sind sie nur schmutzig? In jedem Fall sind sie trüb und behindern so den "Durchblick". Die Frage ist also, wer dem lyrischen Du die Augen zu öffnen vermag. Kein sehr originelles Bild, aber es funktioniert. Dein Gedicht hat Höhen und Tiefen, namentlich originelle Bilder und verbrauchte - ein Kontrast der vornehmlich zwischen der 1. und der 2. Strophe besteht, obwohl man den letzten Vers der 1. bereits ebenfalls als verbraucht einstufen kann, wenn man denn will. Die Leerzeichen vor den Satzzeichen (!,? - in den Versen 1 und 4 der 2. Strophe) sind falsch. Ich glaube aber, dass du dir dessen bewusst bist, weswegen die Frage lauten muss, warum du das so gesetzt hast. Alles, was mir dazu einfällt, wäre eine Gegenüberstellung durch Betonung dieser beiden Zeichen. Allerdings finde ich keinen Weg, diese Antithetik auf den Inhalt zu übertragen. Es bleiben Rätsel zurück. In dem, was bisher für mich entschlüsseln konnte, bleibt ein lyrisches Du, das in den Tag hinein lebt, wartend auf den Moment, der diesem Sinn verleihen würde. Er wartet auf Godot. Das kann nicht alles sein. Vielleicht bringen mich die Hinweise Nachfolgender zu schlüssigeren Interpretationsansätzen. Gruß, Werther |
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21.11.2007, 00:06 | #3 | |
Hallo Werther und Jeanny,
ich glaube zu wissen, um was es geht... Zitat:
Frage: Wem bzw. was klatscht er Beifall? und für was stehen die Flockenwolken? Ich denke dass im weiteren Verlauf die Bäume brodeln, weil ein Moment vergeht und zwar ohne wirklich genutzt/ausgekostet zu werden. Das LI versucht mit der Aufforderung "Jetzt!" das LD aus seinem Alltagstrott oder schlichtem Dahinlebenohnewirklichzuleben aufzurütteln. Die Scheiben des Spiegels sind mit etwas verdeckt/veschmutzt. Dieses Bild könnte dafür stehen, dass das LD die Dinge nur oberflächlich sieht, es sieht beim Blick in den Spiegel nur das, was es dort schon seit Jahren sieht und ist ohne die Hilfe bzw. das Aufrütteln durch jemand anderen nicht imstande, die Dinge differenzierter zu betrachten, das Besondere zu erkennen (und sich zu verändern?). Kurz gesagt sehe ich in diesem Gedicht eine Kritik am Leben der meisten, das kein wirkliches Leben ist, sondern ein Dahinleben. Die besonderen, wenn auch alltäglichen Momente, z.B. das Lächeln eines Kindes, werden bloß gesehen, aber nicht wirklich als besonders erkannt. Das Gedicht hat was. lg Suya |
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