Spiegelbild

[Ilka-Maria]

Ich schau mich im Spiegel
und weine mir zu,
mein Mund ist ein Siegel,
verschlossen das "Du".

Ich schau meine Augen,
in Eisblau gekehrt,
an Düsternis saugen,
von Trauer verzehrt.

Ich schau meine Wangen:
Sie glühen nicht mehr,
sind wächsern vor Bangen,
an Lebenssaft leer.

Ich senke die Lider:
Genug ist geschaut,
was war, kommt nicht wieder -
ich bin nicht mehr Braut.

15.06.2016

[AnnaWagner]

Hallo Ilka-Maria,

ich finde die Idee des Gedichtes sehr gut.

Ein paar Sachen finde ich persönlich jedoch etwas störend.

1. Für mich klingt dieses "schau" immer sehr unrund... Denn ich

schau mich im Spiegel

nicht, sondern ich

schau mich im Spiegel

an. Vielleicht wäre "seh" hier eine bessere Alternative?

2.

Ich schau meine Augen, [...] an Düsternis saugen

Ist das grammatikalisch richtig? Müsste es nicht saugend heißen?


Die letzte Strophe finde ich dann wieder sehr gelungen

LG Anna

[Ilka-Maria]

Das Verb "schauen" ist mit Bedacht bewählt, weil es gleichbedeutend ist mit "bewusst wahrnehmen" bzw. "betrachten" oder "erkennen". Das Verb "sehen" ist dagegen allgemein und kann alles bedeuten, sowohl die bewusste wie auch die unbewusste Wahrnehmung oder auch das Sehen ohne jede Nachwirkung. Der Vorgang des Schauens hat eine andere Qualität als der Vorgang des mehr zufälligen und oberflächlichen Sehens. Wir sehen dauernd etwas, aber etwas zu schauen ist ein sehr bewusster Vorgang.

"Ich schaue meine Augen / ... an Düsternis saugen" ist grammatikalisch korrekt. Es ginge natürlich auch im Partizip ("saugend"), wenn man das Komma entsprechend setzte. Aber Partizipien versuche ich zu vermeiden, weil sie meistens unpoetisch klingen.

LG
Ilka

[AnnaWagner]

Danke für die Erklärungen

LG Anna

[Ex-Poesieger]

Mit dem unpoetisch ist es dann wirklich der spiegel.