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Alt 27.08.2006, 23:17   #1
cheri noire
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 29


Standard Me and the city

Der Morgen war grau, aber nicht unangenehm. Eher wattig und träge in seiner scheinbaren Unbeweglichkeit. Ich fühlte mich leicht und schwer zugleich, denn weder mein schönes neues Leben, noch das alte, dessen Reiz völlig verschwunden schien, ließen mich los. Ich lag noch im Bett und der Kopf schwindelte mir von Müdigkeit - gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht mehr schlafen würde. Mit dem festen Vorsatz ein Frühstück zu genießen, stand ich schwungvoll auf. Doch wie so oft, wenn es wirklich hell geworden war, war der Zauber der sanften Trägheit vorbei und nur ein toskanischer Morgen hätte diesen ersetzen können - ich sollte wirklich wieder nach Italien. Das am Morgen so unglaublich gleißende Licht und die von der Glut der Sonne erhitzten Tage fehlten mir. Es erinnerte mich an römische Zeiten - unendlich lange schienen sie bereits vergangen und dennoch war es, als könnten die menschlichen Götter sich jederzeit wieder erheben und ganze Völker dem Tode weihen, während sie in prachtvollen Palästen alle Ausschweifungen des Lebens kosteten.

Ohne Eile füllte ich den Wasserkocher und meine Lieblingstasse (als Motiv diente die Skyline irgendeiner Großstadt - wie technokratisch) mit Schokocapuccino und Zucker. Dieser Cocktail würde mich hoffentlich auf den Boden der Tatsachen zurückbringen. Dem war nicht so, vielmehr verspürte ich dieses seltsame Ziehen, welches alte Gefühle aufwallen ließ. Doch das unterdrückte ich sofort. Immer noch leicht in Gedanken begann ich meine kleine Welt zu sortieren. Fast jeden Tag das selbe Spiel, aber es tat gut Ordnung in das große, schöne Zimmer zu bringen, sah es doch danach noch besser aus. Eigentlich müsste ich spätestens jetzt melancholisch werden, dachte ich, aber wie so oft, geschah einfach nichts, außer natürlich dem einsetzenden Verlangen tätig zu werden. Mein Studium rief. Sosehr ich mich auch an diesem Tag bemühte für die Prüfung zu lernen, umso mehr geriet ich in Zerstreutheit ob meiner fehlenden Affären, die sich leider in meinem allgemeinen Gemütszustand nieder schlugen. Entsprechend war meine Laune - unausgeglichen und nervös. Viel zu nervös. So schaffte ich es dann aber auch über den Nachmittag.

Abends erhielt ich einen Anruf von einem alten Bekannten - er wohnte auch in Berlin. Sollte ich wieder die alten Fehler begehen? Ich nahm ab.
Tags darauf verfluchte ich die Entscheidung ihn in meinem Bett schlafen zu lassen - es war nur 90 Zentimeter breit. Aber gut - ich ließ ihn weiter schlafen, eilte zu meinem Termin und nahm mir fest vor das Bettzeug zu wechseln - und zwar noch heute. Leider stellte sich das vorabendliche Erlebnis als kaum brauchbar dar - hatte ich doch den ganzen folgenden Tag keinen dieser plötzlichen Glücksmomente, (oder sollte ich sagen Schadenfreude?), die einen dazu bringen in der U-Bahn dümmlich vor sich hinzugrinsen. Mit etwas Anstrengung gelang es mir zwar wenigstens so zu tun, als ob ein kleines, schmutziges Geheimnis meiner Unterhaltung diene, jedoch gab ich diesen Versuch von schnöder Selbsttäuschung bald auf, um genau zu sein, als ich die Bettwäsche entsorgte. Es war eine Diskrepanz unakzeptablen Ausmaßes, wenn ich es mir recht überlegte.

Zu Hause angekommen war ich stolz ob meiner leeren Wohnung, besser gesagt, dankte ich mir im Stillen, dass er weg war. Allein schon der seltsame Geruch eines Bettes, in dem ein Mann geschlafen hat. Ich widmete mich also erfreulicheren Dingen - dem Studium und meinen zwei meinen Mitbewohnern. Ich als Frau konnte ja schon gar kein Klischee erfüllen, aber zu dritt waren wir nicht schlecht im Bedienen solcher. Der süßliche Geruch, der vom Flur in mein Zimmer drang, lockte mich heraus aus meinem Schlamassel und hinein in die Welt der Jungs. Was ich seit jeher an Freundschaften mit Männern so schätze, ist vor allem ihre (scheinbare) Verschwiegenheit - nicht wenn sie unter sich sind, dann nimmt sich wahrscheinlich kein Geschlecht viel, aber sie würden nie auf die Idee kommen mich auf nächtliche Besucher oder ähnliches anzusprechen. Und wenn, wäre ich sehr pikiert, muss ich gestehen.

Der nächste Tag verhieß nichts gutes - graue, wenig einladende Wolken frühmorgendlichen Lichtes fluteten mein schönes Zimmer und tauchten es in eine schreckliche realistische Atmosphäre. Zu allem Überfluss lagen draußen mehrere (!) Zentimeter Schnee und dicke Flocken tanzten im Schein der Straßenlaterne direkt vor meinem Fenster. Das gab mir den Rest. Umso schlimmer war dann auch das morgendliche Prozedere. Während ich noch den Schnee verfluchte, dachte ich an Sommer und den Strand und meine braune Haut und wie wunderbar das alles werden würde - das ich zeitgleich Uni haben würde und arbeiten müsste, blendete ich vorsichtshalber aus, um meine Aufmunterung nicht zu beeinträchtigen.
Trotz schlimmer Schneewehen und Unmengen von zerschmolzenen Flocken in Haaren und Gesicht ging ich motiviert in die Uni. Beseelt von dem Gedanken mich zu bilden betrat ich dann auch mit einem Lächeln das alternde Gebäude. Übrigens ist das so genannte ‘süße Nichtstun’ ein fataler Trugschluss - ich gerate in letzter Zeit zwar öfter in Überlegungen bezüglich eines möglicherweise vorhandenen Workaholic-Syndroms - aber das ’dolce vita’ stellt sich für mich eindeutig anders dar.

- Kommentare äußerst erwünscht -
cheri noire ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2006, 00:12   #2
FatLouie
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 61


gefällt mir einerseits, es ist eine schöne beschreibung eines kleinen, bescheidenen lebens, man kann sich in die momentaufnahmen der person hineinfühlen. andererseits ist es noch ausbaufähig, du könntest noch viel ausarbeiten und näher beschreiben. Zum beispiel Absatz drei: Man kann sich tausend geschichten ausdenken, warum dieser Mann in ihrem bett schläft - aber warum wirklich? diese stelle klingt unfertig, weil eine erklärung meiner meinung nach noch nötig wäre. also schreib!
FatLouie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2006, 13:56   #3
cheri noire
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 29


Zitat:
Original von FatLouie
gefällt mir einerseits, es ist eine schöne beschreibung eines kleinen, bescheidenen lebens!
-> klein und bescheiden? ok, ich hab nicht viel Geld, aber klein und bescheiden ? hm... *sehr nachdenklich gemacht*

Zitat:
Original von FatLouie
Man kann sich tausend geschichten ausdenken, warum dieser Mann in ihrem bett schläft - aber warum wirklich? diese stelle klingt unfertig, weil eine erklärung meiner meinung nach noch nötig wäre.
-> also da muss ich jetzt aber wirklich lachen, ich dachte, gerade dieses: "Ich nahm ab. Tags darauf verfluchte ich die Entscheidung ihn in meinem Bett schlafen zu lassen." ist selbstredend genug...

ähm... ok, ich sollte wohl nicht so sehr von mir ausgehen.
Also zur Erläuterung:
Die "alten Fehler" beziehen sich auf sinnlose(!) One-Night-Stands.
Da gibts keine erklärungen (wäre ja schlimm, wenn man sich da rechtfertigen müsste) - manchmal ist es eben einfacher (weil niederen Beweggründen entsprungen) als man denkt. Muss ich noch direkter werden?
cheri noire ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.08.2006, 21:11   #4
FatLouie
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 61


Nein, du musst nicht direkter werden, alles klar -.-
FatLouie ist offline   Mit Zitat antworten
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